Highend-Services mit Partnern

Dell stemmt sich gegen den Umsatzrückgang

27.09.2002
MÜNCHEN (CW) - Der Computerbauer Dell steht vor einem Umbruch, denn mit dem traditionellen Produktfokus lässt sich kaum noch Umsatzwachstum erzielen. Nun muss der Konzern in einer Phase gesamtwirtschaftlicher Schwäche neue Märkte betreten. Dadurch entstehen aber auch neue Risiken.

Noch steht der Name Dell als Synonym für Erfolg in der IT-Branche: In einem kriselnden Markt konnte der Computerkonzern seine Anteile stetig steigern und dabei zum Ärger der Konkurrenten auch noch hochprofitabel wirtschaften. Die Formel ist simpel: Dell verkauft direkt, und direkt ist gut.

Doch nach Jahren des Wachstums sind die Texaner an Grenzen gestoßen. Der Umsatz des Konzerns lässt sich in einem vom rapiden Preisverfall gezeichneten Markt nicht beliebig in die Höhe treiben; daran ändert auch das viel gepriesene Direktmodell und die vergleichsweise niedrigen operativen Kosten von knapp zehn Prozent der Einnahmen nichts. Zwar steht die Company im Vergleich zu ihren Wettbewerbern noch gut da, doch wird selbst Dell mittelfristig um Veränderungen nicht herumkommen.

Das Wachstum schwächt sich ab

Angedeutet hat sich der schleichende Prozess schon vor einigen Jahren: Im Februar 1999 war der Aktienkurs des Unternehmens an einem Tag um 15 Prozent eingebrochen, für die damalige Zeit ein erschreckend hoher Wert. Der Grund war ein "enttäuschendes Quartalsergebnis", so die "FAZ", weil der Umsatz verglichen mit der Vorjahresperiode "nur" um 38 Prozent zulegen konnte. In den acht Berichtszeiträumen zuvor hatte das Wachstum der Einnahmen durchschnittlich 56 Prozent betragen. Doch die Zeiten haben sich geändert: Statt der einst zweistelligen Wachstumsraten musste Dell im vergangenen Fiskaljahr erstmals einen Umsatzrückgang melden.

Mit der Offensive in neue Märkte soll dem Abwärtstrend gegengesteuert werden. Künftig bietet Dell eigene Drucker ebenso wie PDAs an, gleichzeitig sollen die Einnahmen mit Unternehmenskunden und mit Dienstleistungen gesteigert werden. Laut Walid Moneimne, Chef der europäischen Enterprise Systems Group von Dell, will die Company innerhalb von vier bis fünf Jahren ihren Umsatz von zuletzt 32 Milliarden Dollar verdoppeln. Rund die Hälfte davon soll auf Server, Speicher und Services entfallen, wobei das Wachstum im Enterprise-Bereich nach Aussage von Moneimne hauptsächlich organisch verlaufen wird. Gegenwärtig nimmt Dell etwa 80 Prozent mit PCs und Notebooks ein.

Der PDA-Markt schrumpft

Die spontane Entscheidung, eigene PDAs anzubieten, belegt indes den Druck, unter dem die Texaner stehen. Noch im Februar hatte Dell derartige Spekulationen offiziell zurückgewiesen; der Markt sei nicht groß genug, hieß es. Viel hat sich inzwischen nicht getan, die Rahmenbedingungen sind eher noch schlechter geworden. Laut Gartner Dataquest wurden im zweiten Quartal 2002 in Europa 462000 digitale Assistenten verkauft. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es noch 100000 Geräte mehr.

Verglichen mit dem PC-Geschäft fällt das PDA-Segment zudem eher mickrig aus: Wurden im vergangenen Jahr von allen Anbietern weltweit mit PCs knapp 200 Milliarden Dollar eingenommen, beliefen sich die Umsätze mit digitalen Assistenten auf 3,5 Milliarden Dollar. Der Startschuss für eigene Geräte könnte Mitte des kommenden Jahres fallen, spekulierte Dells Chief Operating Officer (COO) Kevin Rollins unlängst. Gleichzeitig räumte er ein, dass die erwarteten Einnahmen nur einen geringen Teil des künftigen Konzernumsatzes darstellen werden.

Auch für den Einstieg in das Geschäft mit einem eigenen Angebot von Druckern - und vor allem der dazugehörigen Tinte - hat sich der Konzern einen heiklen Zeitpunkt ausgesucht. Nach Untersuchungen von Gartner Dataquest ist der westeuropäische Printer-Markt von April bis Juni um elf Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum geschrumpft. Damit legte der Druckermarkt im siebten Quartal in Folge eine "schlechte Performance" hin, berichtet die Analystin Cécile Gobin. Hinzu kommt, dass die Margen im Printer-Bereich verglichen mit Dells PC-Business nur gering sind.

Und auch im Bereich der Services grassiert gegenwärtig die Rezession: EDS musste vergangene Woche eine drastische Gewinnwarnung abgeben und die Umsatzprognosen senken. IBM hat überdies im August angekündigt, in der Dienstleistungssparte rund 14000 Stellen zu streichen. Voraussichtlich einige tausend Jobs sollen darüber hinaus in der übernommenen Beratungsfirma Pricewaterhouse-Coopers wegfallen. Siemens Business Services (SBS) will nach Angaben eines Sprechers Kapazitäten verringern und "2500 Mannjahre einsparen".

Da die Texaner nicht über eine eigene Mannschaft für alle Dienstleistungsbereiche verfügen, lösen sie die Probleme vorerst mit fremder Hilfe: "Wir arbeiten intensiv mit Partnern zusammen", erklärt Moneimne den Unterschied zu den Wettbewerbern. Im Rahmen dieser "virtuellen Integration" wurden hierzu Verträge beispielsweise mit Getronics, Unisys, EDS und IBM Global Services geschlossen. Das Support-Abkommen mit Big Blue läuft bis 2006 und hat ein Gesamtvolumen von sechs Milliarden Dollar. Dabei trägt Dell laut Moneimne stets die Verantwortung für jede Dienstleistung und kontrolliert die Service Level Agreements.

Überwiegend produktnahe Services

Mehr als drei Milliarden Dollar oder knapp zehn Prozent des Umsatzes haben die Texaner vergangenes Jahr mit überwiegend produktnahen Diensten eingenommen. Konkrete Zahlen für die Highend-Services weist der Konzern nicht aus. Unklar ist bislang allerdings, wie Dell die Gratwanderung zwischen den eigenen Interessen und den Absichten der Servicepartner bewältigt, die zudem in einigen Fällen auch Konkurrenten sind. "Derartige Konflikte könnten sich zu einem ernsten Problem auswachsen", warnt Gartner-Analyst Ted Kempf.

Als einzige Konstante scheint lediglich Dells Produktstrategie auf Jahre hinaus vorgeschrieben zu sein: Intel-Rechner, Speicher und Netzwerkausrüstung verkaufen und dabei vom eingespielten Direktmodell profitieren. Spekulationen, dass eines Tages vermeintlich höherwertige, proprietäre Computer von den Texanern angeboten werden, erteilt Moneimne eine Absage. Zwar könne man gegenwärtig nicht alle IT-Probleme mit Intel-Rechnern lösen, aber für mindestens 90 Prozent der Anforderungen sei die Plattform gut positioniert.

Intel-Rechner marschieren ins Rechenzentrum

Laut einer IDC-Studie werden im Jahr 2005 neun von zehn Servern mit Intel-Chips unter Windows oder Linux arbeiten, argumentiert der Dell-Manager: "Die Zeit arbeitet für uns, alles bewegt sich in die richtige Richtung." In diesem Punkt unterscheidet sich Dell von Wettbewerbern wie HP oder IBM. Statt die Hardware-Verkäufe über Dienstleistungen anzukurbeln, gehen die Texaner vorerst noch den umgekehrten Weg. Ihr Mantra: Standards, Standards, Standards und an die Profite denken. Eine leichte Aufgabe wird der Konzernumbau jedoch nicht, denn im PC- und Servergeschäft hat sich Dell bislang stets auf Standards aus dem Hause Intel verlassen können; im Service-Bereich hingegen müssen die Texaner die Standards künftig selbst setzen und sich daran messen lassen. (ajf)

Abb: Umsatzveränderung gegenüber dem Vorjahr

Exorbitante Wachstumsraten der Umsätze bildeten einen Grundpfeiler von Dells Erfolgsgeschichte - die momentane Tendenz ist jedoch bedenklich. Quelle: Dell