Kolumne

Dell muss einen weiten Weg gehen

31.05.2007

Der texanische Computerhersteller Dell hat in der vergangenen Woche begonnen, seine PCs auch indirekt zu vertreiben. (Siehe Seite 6).Zunächst soll die Abkehr vom ausschließlichen Direktversand nur in den USA und bisher nur über die weltweit größte Einzelhandelskette Wal-Mart praktiziert werden. Doch dabei wird es nicht bleiben. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte, dass weitere Vertriebspartner und andere Länder hinzukommen werden. Das dahinter stehende Kalkül liegt auf der Hand: Dell will Boden gut machen und wieder weltgrößter PC-Hersteller werden. Diese Position hatten die Texaner im vergangenen Jahr an HP verloren. Dell musste die Pole-Position hauptsächlich aus eigenem Verschulden räumen. Während HP sehr stark auf Notebooks setzte, eine Preisschlacht nach der anderen anzettelte und sämtliche Vertriebswege für die Business- als auch die Consumer-Zielgruppe nutzte, konzentrierte sich Dell weiter auf die Businesskunden und den direkten Vertriebsweg. Außerdem schoben die Texaner nicht genügend neue Notebook-Modelle nach, reüssierten nicht auf den stark wachsenden Märkten in Asien und hatten mit Qualitäts- und Serviceproblemen zu kämpfen. Die gigantische Rückrufaktion im vergangenen Winter, als fehlerhafte (von Sony bezogene) Akkus für eine Überhitzung von Dell-Rechnern sorgten, ist das prominenteste Beispiel für die Qualitätsprobleme. Bisher hat auch die Rückkehr von Michael Dell an die Unternehmensspitze nicht den erhofften Schub gebracht. Im ersten Quartal dieses Jahres musste der PC-Hersteller rückläufige Verkaufszahlen melden, während die Konkurrenten HP (um 28) und Acer (sogar um 46 Prozent) zulegten. Offenbar ist der Unternehmenschef noch mit Aufräumen beschäftigt. In einem Interview musst er kürzlich ein-räumen, dass bei Dell zurzeit alles auf dem Prüfstand stehe. Offenbar auch das über Jahrzehnte erfolgreiche direkte Vertriebsmodell.

Doch der Einstieg in den indirekten Vertrieb hat seine Tücken. Dell hat außer Wal-Mart noch keine Partner. Die Margen sind geringer als im Direktvertrieb und die Finanzierung ist komplizierter. Das von Dell perfektionierte Build-to-order-Prinzip und die Zahlungsziele, die es mit seinen Zulieferern ausgehandelt hat, erlaubten dem Unternehmen extrem kurze Zyklen zwischen Ausgaben für Rechnerteile und Einnahmen aus dem PC-Verkauf. Teilweise waren die Rechner schneller verkauft, als Dell die Rechnungen an seine Lieferanten begleichen musste. Im indirekten Geschäft lässt sich das nicht realisieren. Die Zyklen zwischen Produktion und Verkauf sind länger. Außerdem muss das Unternehmen künftig seine Partner beim Marketing unterstützen genauso wie die anderen Anbieter das schon seit Jahren machen. Darüber hinaus dürften die Wiederverkäufer dem bisherigen Direktversender mit einem gerüttelten Maß an Misstrauen begegnen. Schließlich gehörte Dell bisher zu ihren schärfsten Konkurrenten.

Deshalb muss Dell sehr viel mehr tun, als einen weiteren Vertriebskanal zu öffnen. Es geht um Qualität, um neue Produktoffensiven und um Service. Alles Dinge, die sich Dell erneut erarbeiten muss.

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