Rekordumsatz für das zweite Quartal

Dell liefert neue Rechner wegen Intel-Problemen unter Vorbehalt

30.08.1991

MÜNCHEN (jm) - Mit Wermutstropfen versetzt war die Pressemitteilung von PC-Direktvertreiber Dell Computer GmbH: Zwar konnte man "das beste Geschäftsquartal seit Unternehmensgründung 1984" feiern. Die Vorstellung vier neuer Server-Modelle mußte Geschäftsführer Peter Ammel jedoch mit der Einschränkung versehen, daß das Topmodell vorerst nur unter Vorbehalt geliefert werden könne. Dem Anwender winken zudem Preisreduktionen auf ältere Dell-Systeme.

Hintergrund der Ammel-Aussage scheinen Temperatur-Probleme zu sein, die Intel mit seiner auf 50 Megahertz getakteten 486-CPU hat. Wegen Überhitzungserscheinungen "wird Intel aufgrund eigener Aussagen", so der deutsche Dell-Boß, "seine neuen 486-Chips in Mengen erst im vierten Quartal 1991 ausliefern."

Sharad Ghandi von Intel sieht allerdings keinen Grund zur Aufregung und beschwichtigt: "Wir haben bei der Vorstellung der CPU im Juni 1991 schon gesagt, daß wir diese erst im vierten Quartal 1991 in großen Stückzahlen ausliefern werden." Momentan sei man noch in der Pre-production-Phase, die an Kunden ausgelieferten Chips seien spezifiziert für Temperaturen bis zu 78,75 Grad Celsius (abhängig vom verwendeten Lüfter) im PC-Gehäuse.

"Natürlich kommt es auch darauf an, in welchen räumlichen Verhältnissen die PCs genutzt werden", führt Ghandi weiter aus. Betrage die Raumtemperatur etwa bereits 35 Grad, so steige die Temperatur im PC-Gehäuse natürlich entsprechend. Grundsätzlich befinde sich Intel bei der Produktion der 486-50-Megahertz-Version in der Phase B, die Entwicklung für den in Massen auslieferbaren Prozessor sei also noch nicht völlig abgeschlossen. Das es bei der neuen Intel-CPU möglicherweise doch Probleme geben könnte, zeigt die Unstimmigkeit in den Aussagen von Ghandi und Intels Senior Vice President David House: Dieser hatte anläßlich der Vorstellung des 50-Megahertz-Prozessors auf der New Yorker Messe PC-Expo im Juni 1991 von Mengenauslieferungen im dritten Quartal 1991 gesprochen.

Geschäftsergebnisse von Dell völlig antizyklisch

Für Dells jetzt präsentiertes Servermodell "450 SE" - und für über ein Dutzend Hersteller von Systemen mit Intels leistungsstärkster CPU - hätte die Intel-Malaise, so es überhaupt eine gibt, Auswirkungen: "Wir haben unsere Rechner zwar nach Intels Testparametern durchgeprüft und bislang keine Probleme gewärtigen müssen", meinte Ammel, "aber wir werden Bestellungen von diesen Rechnern gegenüber Kunden mit dem Vorbehalt liefern, daß es zu Schwierigkeiten kommen könnte."

Da das neue 450-SE-Servermodell jedoch schon zu der Generation von Dell-Systemen gehört, deren Prozessorkarte austauschbar ist, könne der Kaufinteressent jetzt bestellen. Bei später doch auftretenden temperaturbedingten Havarien könne Dell den 486-Baustein ohne weiteres ersetzen.

Das Geschäftsergebnis der Texaner entwickelte sich völlig antizyklisch zur übrigen Branche. Während PC-Größen wie die IBM oder Compaq und Apple mit teils verheerenden Gewinneinbrüchen leben müssen, steht in den Dell-Büchern für das zweite Quartal des laufenden Geschäftsjahres ein 94prozentiger Gewinn. Weltweit schwollen die Verkäufe von Dell im zweiten Vierteljahr von 121,8 Millionen Dollar im Jahr 1991 auf das Rekordergebnis von 200 Millionen Dollar für Fiskaljahr 1992 an, was einer Steigerung von 64 Prozent entspricht.

Der Gewinn kletterte von 6,4 (1991) auf 12,4 Millionen Dollar (1992). Der Gewinn pro Aktie im zweiten Quartal beläuft sich auf 50 Cent (1991: 32 Cent). An den erfreulichen Ergebnissen war besonders der US-amerikanische Markt mit einem Umsatzzuwachs von 71 Prozent (von 80,2 auf 136,9 Millionen Dollar) beteiligt. Die überseeischen Umsätze legten von 41,7 auf 63,1 Millionen Dollar (52prozentiger Zuwachs) zu.

Auch die weltweiten und für die beiden ersten Quartale kumulierten Ergebnisse gingen in die Höhe: Das Umsatzwachstum betrug 55 Prozent. 374,9 Millionen Dollar in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 1992 stehen 242,2 Millionen im Vorjahr gegenüber. Der Gewinn von 22,5 Millionen (11,7 Millionen) bedeutet einen 91prozentigen Zuwachs.

Für den Anwender dürften neben vier neuen Rechnermodellen Preisreduktionen bei eingeführten Dell-Systemen von Interesse sein, die Marketing-Leiter Harald Henn bekanntgab: Die laut Henn meistverkauften 386-PCs 316SX und 320SX erfahren Nachlässe von etwa 340 beziehungsweise 570 Mark. 386-Modell 333D kostet etwa 450 Mark weniger, während bei der 486-Familie 2280 Mark (433P), 110 Mark (420 DE) und 450 Mark (433 DE) weniger zu zahlen sind. Alle 486-Rechner und Modell 320SX waren erst im Juni von der Langener Firma vorgestellt worden (vergleiche CW Nr. 24 vom 14. Juni 1991, Seite 29 "PC-Newcomer Dell Computer...").

Mit den neuen Tower-Maschinen "420SE", "450SE", und "433SE" - die im übrigen die nicht mehr verkauften Modelle 425TE und 433TE ersetzen - und dem auf der PC-Expo präsentierten Rechner 450DE rundet Dell sein Top-end ab. Alle sind als Serversysteme ausgelegt. Sie bieten jeweils acht EISA-Steckplätze (sechs Master, zwei Slave), bis zu 128 MB RAM und drei offene sowie acht verdeckte Massenspeicher-Einschübe.

Das Bios der Tower-Modelle wurde auf einem Flash-ROM untergebracht. Das bedeutet, daß ein Upgrade der Firmware per Diskette erfolgen kann, Ausbau des Bios und anschließende Neuinstallation entfallen mithin.

Software-Updates per Telefonanruf

Ferner lassen sich alle SE-Server mit maximal 1,2 GB Festplattenkapazität ausrüsten. Laut Aussagen der Langener entspricht das proprietäre Dell-Drive-Array-Speicherverfahren dem RAID-Level 4. "RAID-Level 5 lohnt sich nach unserem Dafürhalten nicht, weil die Kosten für dessen Erfüllung den vergleichsweise geringen Zugewinn an Leistung nicht rechtfertigen", meinte Dell-Marketing-Mann Thomas Zanzinger.

Henn bestätigte auf Nachfragen, daß Dell im Zusammenhang mit einem Kundenprojekt Sony-CD-Laufwerke in seine Rechner integriert habe. Für die Zukunft könne man wahrscheinlich auch bei den Texanern mit einem Angebot dieser nicht-beschreibbaren Laser-Massenspeicher rechnen.

Die Preise der neuen Dell-Systeme rangieren von 13 100 Mark (420SE), 16 100 (450DE), 16 640 Mark (433SE) bis zu 20 500 Mark (450SE) für die jeweilige Grundkonfiguration mit 4 MB Arbeitsspeicher, 100-MB-Festplatte, Diskettenlaufwerk und 14-Zoll-VGA-Monochrommonitor.

Um noch mehr Kundennähe zu beweisen, weitete Dell außerdem sein Dienstleistungsangebot weiter aus: Zum einen will man dringende Kaufwünsche "gängiger Konfigurationen" in Zukunft binnen 48 Stunden nach Auftragseingang abwickeln. Bislang hatte sich Dell eine Reaktionszeit von bis zu zwölf Tagen ab Auftragseingang ausbedungen.

Zum andern können alle Modembesitzer ab September über das Dell-Bulletin-Board-System (BBS) mit den Langenern Kontakt aufnehmen. Es dient für Anfragen zu technischen Problemen, die binnen 24 Stunden von Dell-Mitarbeitern über die elektronische Post beantwortet werden, und als Kummerkasten zum Erfahrungsaustausch.

Interessant ist vor allem auch die über BBS angebotene Leistung, Software-Updates für DOS-, OS/2- und Unix-Versionen sowie für Novells Netzwerk-Betriebssystem Netware über das Mailbox-System zu erledigen.