DECs Systemverkaeufe muessen allerdings steigen Trotz wenig 64-Bit-Software hat die Alpha-Architektur Zukunft

03.11.1995

MUENCHEN (kk) - Die Digital Equipment Corp. schreibt wieder schwarze Zahlen, obwohl das Geschaeft mit dem Alpha-Prozessor noch laengst nicht profitabel verlaeuft. Nicht nur die Konkurrenten aus dem RISC-Lager fragen sich, wie lange sich DEC die zwar leistungsstarke, aber kostspielige 64-Bit-Architektur leisten will. Wo liegen die Chancen, wo die Gefahren?

Nach der Vorstellung der Alpha-Systeme im Februar 1992, erzielte die DEC-Verkaufsmannschaft Erfolge insbesondere bei der alten VAX- Kundschaft, der ein Umstieg auf Alpha plausibel gemacht werden konnte. Zwar ist das Betriebssystem Open VMS noch immer nicht auf 64 Bit umgestellt, aber die Arbeiten daran sollen im kommenden Jahr abgeschlossen sein, wie Jochen Krebs, Marketing-Leiter der Technologiegruppe bei Digital Deutschland, versichert.

Dann haette man zwei der drei fuer die Alpha-CPU verfuegbaren Betriebssysteme an die 64-Bit-Verarbeitungskapazitaet des Prozessors angepasst. Neben Open VMS nutzt der Hersteller noch das nun in "Digital Unix" umbenannte alte OSF/1-Betriebssystem, das bislang als einziges mit 64 Bit aufwarten kann. Als strategischen Schachzug bezeichnet Krebs das Engagement in Microsofts Windows NT, das allerdings nur mit 32 Bit zu haben ist.

SAPs R3 beispielsweise laeuft auf Alpha-Rechnern unter Digital Unix. Und mit dieser Kombination, so der DEC-Manager, habe man in diesem Jahr weltweit vierhundert R3-Auftraege gewonnen. Als weiteres Zugpferd auf der Softwareseite feiert Digital die Entscheidung der Oracle Corp., ihre Datenbank auf 64 Bit umzustellen und fuer die Alpha-CPU anzubieten. Nachdem Sybase und Informix fuer ihre Produkte solches ebenfalls ankuendigten, habe man einige "Killer-Applikationen" vorzuweisen.

Von den bisher abgesetzten rund 137000 Alpha-Rechnern wurde die Haelfte mit Unix ausgeliefert, 44 Prozent mit Open VMS und nur sechs Prozent mit NT. Insgesamt seien so in drei Jahren zirka 300 000 CPUs verkauft worden. Fuer 1995 geht Digital von einem Alpha- Umsatz von zwei Milliarden Dollar aus.

Unix auf Alpha verkauft sich am besten

Mike Glennon, Marktforscher bei "Dataquest", schaetzt, dass 1994 65000 Alpha-Prozessoren verkauft wurden, wobei nicht bekannt ist, wie viele DEC im eigenen Haus verbraucht hat. Marktfuehrer bei RISC-Chips sei die IBM mit zwei Millionen CPUs, gefolgt von Texas Instruments mit 400000 und Fujitsu mit 180000 Sparc-Prozessoren. Auch NEC mit 120000 (Mips-)Chips sowie die 85000 RISC-Chips von Intel und die 74000 von Toshiba verkauften sich besser als die Alpha-CPU.

Das bestaetigt auch Linley Gwennap vom Branchenblatt "Microprocessor Report", der die Alpha-Verkaeufe "weit hinter den anderen RISC-Systemen" zurueckliegen sieht. "Digital steckt noch immer Geld in diese Entwicklung, und das wird sich auch in den kommenden drei bis fuenf Jahren nicht aendern. Das bedeutet fuer mich, dass DEC, wenn sich die Alpha-Verkaeufe nicht erhoehen, irgendwann diese Architektur aufgeben muss."

Digital muss sich die Alpha-Marktanteile nahezu alleine erobern, nachdem sich die einstigen Partner Kubota und Olivetti wegen schwacher Nachfrage aus diesem Geschaeft zurueckgezogen haben. Allein Cray bietet - Originalton Gwennap: "mit geringem Erfolg" - High-end-Alpha-Rechner an. Um die Kosten der Chipentwicklung in den Griff zu bekommen, verkaufte Digital seine "Fab 5"-Chipfabrik an Motorola und teilt sich Fertigungskapazitaeten mit AMD.

Firmenchef Robert Palmer, der in den kommenden zwei Jahren die Halbleiterproduktion kostenneutral gestalten will, wiegelte gegenueber dem "Manager Magazin" allzu hohe Erwartungen ab: "Der Hoffnungstraeger Alpha wird nie ein Massenprodukt werden." Den Bedarf an RISC-Systemen mit "wirklich hoher Leistungsfaehigkeit" schaetzt er auf ein Prozent des Computer-Gesamtmarktes.

Guenter Rieger, bei RISC-Konkurrent IBM verantwortlich fuer Marketing und Strategien, sieht bereits erste Auswirkungen der schwachen Alpha-Verkaeufe: "DEC streckt wegen der immensen Kosten bereits die Innovationsschuebe." Er sieht langfristig nur drei Architekturen am Markt ueberleben: "HP-PA mit Intel, Power-PC und Mips. Die Zukunft von Sparc ist ungewiss."

Auch technisch gesehen haette Digital ein Problem, um die Leistungsfaehigkeit des Prozessors voll ausschoepfen zu koennen: "Fuer diesen Chip mit den hohen Taktraten braeuchte man auch schnelle Peripherie wie passende Memory-Bausteine und die gibt es nicht."

Arndt Bode vom Institut fuer Informatik an der TU Muenchen teilt diese Einschaetzung: "Der Alpha-Prozessor verlangt nach einem dreistufigen Cache-Konzept, und das ist ebenso teuer zu realisieren wie ein breiterer Bus."

Den Vorwurf, DEC sei mit dem Alpha allmaehlich am Ende des Produktzyklus angelangt, weil sich die Taktraten nicht beliebig nach oben drehen liessen, laesst er nicht gelten: "Viele Freiheitsgrade sind beim Alpha noch ungenutzt." So koenne beispielsweise die interne Architektur der CPU um zusaetzliche Rechenwerke erweitert werden.

Einem anderen Vorwurf, Alpha produziere bei immer hoeheren Taktraten eine Waerme, die insbesondere bei Servern zu einer Ueberbeanspruchung der Systemkomponenten fuehre, begegnet Prozessorspezialist Gwennap: "Digitals neue CPU 21164A mit einer Taktrate von 400 Megahertz verbraucht dank niedriger Eingangsspannung um ein Drittel weniger Strom als die 300- Megahertz-Variante. Damit kontrolliert man die Waermeentwicklung." Der Ultrasparc von Sun verbrauche ebenso 30 Watt wie HPs PA 8000, und selbst Intels Pentium Pro liege ueber den 20 Watt, die der 21164A benoetige.

Trotz des bislang mageren Angebots an 64-Bit-Software erscheint Gwennap eine Investition in Alpha-Technik sinnvoll, "wenn man ein System laenger als drei bis fuenf Jahre nutzen will. Bis dahin werden sicher mehr passende Programme verfuegbar sein."