Neuer Anbieter von Computer Integrated Manufacturing ist ein Anwender-Unternehmen:

Deckel sagt CAD/CAM-Herstellern den Kampf an

09.01.1987

MÜNCHEN - Der Computerindustrie weht ein starker Wind im CIM-Geschäft entgegen. Die Anwender machen mobil und bieten selbst ClM-Komponenten an. Eine Vorreiterrolle als Systemhaus übernimmt jetzt das klassische Maschinenbauunternehmen Deckel AG.

Die Münchner gehen in diesem Jahr mit CAD/CAM-Produkten auf den Markt. Begründung: Kleineren und mittleren Betrieben soll eine nach ihren Bedürfnissen ausgerichtete Lösung angeboten werden.

"Gegenüber den Kommunikations-Aposteln der Computerindustrie sind wir glaubwürdiger", kommentiert Norbert Otto, Hauptabteilungsleiter Marketing und Anwendungstechnik bei der Friedrich Deckel AG, "für die Computerhersteller ist CIM nur ein Vernetzungsproblem. Wir füllen CIM aber mit Inhalten aus, denn als Werkzeugmaschinenhersteller wissen wir, welche Probleme der Kunde hat."

Den Grundstein für diese Entwicklung legte das Unternehmen bereits Ende der 70er Jahre, als seine Kunden zunehmend nach computerunterstützten Bohr- und Fräsmaschinen verlangten. Das gab den Anstoß für Überlegungen, den Maschinenbaubereich umzustrukturieren. Das bereits vorhandene Fach-Know-how sollte in CIM-Produkten vermarktet werden. So legte sich das Unternehmen eine eigene Softwareabteilung zu. Die Ressourcen reichten aber nicht aus, deshalb kaufte sich das Maschinenbauunternehmen im November 1986 bei dem Systemhaus RWT mit Kapitalmehrheit ein.

In diesem Gespann wird Deckel künftig die Rolle des ClM-Partners für kleine und mittlere Maschinenbauer übernehmen; RWT liefert die maßgeschneiderte Software, in die das gesammelte Anwender-Know-how einfließt. Das erklärte Ziel von RWT ist dabei, einen Standard im Maschinenbaubereich zu setzen.

In diesem Jahr will Deckel mit einer entsprechenden CAD/CAM-Produktpalette den Computerherstellern Paroli bieten. Die Münchner setzen hier vor allem auf die nach

Anwendererfahrung konzipierten Programme. Auch in punkto Hardware wollen sie sich nicht nur mit Empfehlungen begnügen, sondern nach Systemhausmanier das "BIech" gleich mitliefern. Otto: "Wir werden dabei darauf achten, daß die Hardware durchgängig ist und sich leicht ankoppeln läßt. Grundsätzlich sollen die Hardware und die Software systemneutral sein."

Vor allem kleine und mittlere Betriebe im Visier

Als Markt sieht das Maschinenbauunternehmen in erster Linie kleine und mittlere Betriebe. Marketingchef Otto gibt sich optimistisch: "Die Unternehmen brauchen einen Vordenker, der ihnen eine sinnvolle Software zu einem akzeptablen Preis anbietet." Diese Rolle könne am besten derjenige übernehmen, der sich bisher schon mit dem Maschinenbau befaßt habe. Gleichwohl sehen die Verantwortlichen bei Deckel auch die Grenzen des neuen Konzeptes: "Für Großunternehmen kommen wir als ClM-Partner nicht in Frage", so Otto weiter, "denn Daimler-Benz beispielsweise hat genügend eigene Spezialisten, die ein CIM-Konzept entwickeln können".

Der Marketing-Experte geht ferner davon aus, daß andere Maschinenbauunternehmen oder andere Branchen sich künftig ebenfalls bei ihren Kunden verstärkt als CIM-Partner präsentieren werden. "Die Know-how-Träger in den Fachbereichen setzen sich durch", so Otto zuversichtlich. Diese absehbare Entwicklung verweise die Hersteller als Softwarelieferanten klar in ihre Schranken. Nur so werde es eine Vielzahl von Angeboten geben, die sich auf niedrigem Preisniveau befänden, prognostiziert der Deckel-Mann. Für den potentiellen Kunden sei dieser Konkurrenzkampf nur von Nutzen.

Die Marketing-Strategie für das Rennen ist offensichtlich bereits verabschiedet. Die ersten großen Neuvorstellungen von Deckel-Produkten soll es bei der Europäischen Werkzeugmaschinenausstellung (EMO) im Oktober in Mailand geben. Weiter ist geplant, diese Systeme über das bereits bestehende Vertriebsnetz von Deckel im In- und Ausland zu verkaufen. Mit diesem Konzept möchte der Münchner Maschinenbauer 1987 sechs Prozent des Gesamtumsatzes erzielen, das sind 35 Millionen Mark. Die neue Deckel-RWT, die bereits über ein breites Produktspektrum in der flexiblen Fertigung, im NC, DNC, BDE und MDE-Bereich verfügt, bietet ihre Produkte nach wie vor über die eigenen Vertriebskanäle an, so Hans Weller, Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing bei RWT.

Wie wichtig dieser neue Markt bei Deckel eingeschätzt wird, zeigt sich auch darin, daß über ein Drittel der Entwicklungsausgaben des Unternehmens für diesen Bereich vorgesehen sind. Ähnlich sieht die Personalverteilung in der Entwicklungsabteilung aus.