Münchener Maschinenbauer stockt Beteiligung an DNC-Firma auf, Strässle steigt ein:

Deckel AG findet Topf für rwt im Unix-Regal

18.08.1989

KRAILLING/MÜNCHEN (ujf) - Mit einem auf die Fertigungsindustrie spezialisierten Softwarehaus als Partner will die Münchner Werkzeugmaschinenfabrik Deckel ihre DV-Tochter rwt auf Vordermann bringen. Die Stuttgarter Unternehmensgruppe Strässle, die sich bereits 1988 die Oerlikon-Tochter Contraves einverleibt hatte, übernimmt einen Anteil von rund 20 Prozent des rwt-Kapitals. Gemeinsamer Nenner wird Unix.

Bei dem Systemhaus rwt (Rechnersysteme für Wissenschaft und Technik GmbH), Krailling bei München, redet künftig das Management des Stuttgarter Softwarehauses Strässle Datentechnik mit. Während die Schwaben als Juniorpartner einsteigen, erhöht der Hauptgesellschafter, der Münchner Werkzeugmaschinenhersteller Friedrich Deckel AG, seinen Part auf über 70 Prozent. Kunden der rwt sind vor allem mittelständische Betriebe aus der metallverarbeitenden (spanenden) Industrie sowie Automobilkonzerne.

Mit der Minderheitsbeteiligung an der rwt setzt Strässle-Geschäftsführer Wolfgang Dietrich seinen aggressiven Expansionskurs fort, der bisweilen durch hohe Fluktuation im Management- und Vertriebsbereich aufgefallen ist. Zuletzt hatte seine mehrheitlich von der Merkur Beteiligungsgesellschaft, Rüsselsheim, getragene Unternehmensgruppe im Jahr 1988 durch die Übernahme von Contraves, dem DV-Ableger der schweizerischen Waffenschmiede Oerlikon-Bührle AG, an Volumen gewonnen. Dank der Transaktion war der Umsatz auf 90 (1987: 65,5) Millionen Mark angeschwollen, so daß sich Strässle - einst von dem geschäftlich glücklosen Peter David aufgebaut - seither als achtgrößtes deutsches Softwareunternehmen bezeichnen kann.

Das Engagement bei rwt soll dem Stuttgarter Firmenkonglomerat helfen, ein durchgängiges Angebot für den CIM-Markt auf die Beine zu stellen; hier klaffen derzeit vor allem Lücken im computergestützten Fertigen (CAM) sowie in der Programmierung von NC-Maschinensteuerungen auf Basis von Mikrocomputern (PC und Workstation). Bis es hier breitere Synergieeffekte geben kann, wird indes noch einige Zeit verstreichen: rwt kommt aus der DEC-Welt, während das Brot- und-Butter-Produkt von Strässle - die Produktionsplanungs- und -steuerungssoftware "PSK 2000" - auf Rechnern von Hewlett-Packard läuft.

In letzter Zeit hat sich Strässle allerdings Unix auf die Fahnen geschrieben. So ist das Konstruktionssystem "Konsys" in Versionen für die Unix-Derivate SunOS (auf Sun-3 und Sun-4) sowie HP-UX (auf HP 9000-300) lieferbar; in Vorbereitung ist, wie Hans Eugster von der Züricher STI Strässle Technische Informationssysteme AG bestätigt, auch die Portierung von VMS (auf der VAX-station) nach OSF-Unix (auf der DEC-station).

Sowohl bei der Deckel-Tochter als auch bei Strässle sind Firmensprecher derzeit noch zurückhaltend mit konkreten Aussagen über künftige Produkte. Jedoch wird das herstellerunabhängige Betriebssystem von AT&T jeweils als ein gemeinsamer Nenner bezeichnet. Den Anfang der Zusammenarbeit bildet eine Schnittstelle zwischen dem Konsys-2D-System "Draft" (Sun-Basis) und den von rwt angebotenen Systemen zur werkstattorientierten NC-Programmierung ("WOP", Basis: PS/2 und OS/2). Außerdem soll rwt als Vertriebspartner für CIM-Komponenten von Strässle im Workstation-Bereich agieren, während Strässle seinen Kunden die NC-Technik von rwt schmackhaft machen will.

Der Weg für die Neuverteilung der rwt-Anteile wurde durch den Ausstieg von Altgesellschafter Hans Weller frei. Der Geschäftsführer, der offiziell noch bis Ende Oktober im Amt bleiben wird, bis Geschäftsbereichsleiter Dr. Rolf Granow auf seinen Posten nachrückt, verkauft seine Beteiligung zum Teil an Strässle; für den Rest springt die Deckel AG ein, der das Engagement im NC-Softwaregeschäft bislang nicht sehr viel Freude gemacht hat. Auch rwt-Mitgründer Hanns Dinkel, der sich bereits 1987 mit der Gründung seiner Firma Dicon von dem Unternehmen losgesagt hatte, trennte sich von seinen restlichen Gesellschaftsanteilen. Nur Geschäftsführer Walter Diehl bleibt neben Deckel und Strässle Gesellschafter der Kraillinger Firma. Wie hoch die jeweiligen Beteiligungen sein werden, muß nach Angaben von Sprechern der Partnerunternehmen noch im Detail ausgearbeitet werden.