Software für die Unternehmensspitze:

Decision-Support-Systeme auf dem Vormarsch

07.05.1982

In den Vereinigten Staaten gewinnt der Computer auch im Top-Management immer mehr Anhänger. Eine wesentliche Voraussetzung ist allerdings eine adäquate, dem Managementdenkprozeß angepaßte Software in Form eines Decision Support Systems (DDS), zu deutsch ein Modell zur Entscheidungsunterstützung. Laurence Kruger von der Gesma Gesellschaft für Software und Marketing GmbH in Frankfurt befaßt sich in seinem Bericht mit den Anforderungen, denen ein solches System gerecht werden muß, und erläutert seine Anwendungsmöglichkeiten.

Ein höherer Manager wurde gefragt, was die EDV ihm gebracht habe: "Oh", sagte er, "wir haben Auftragsabwicklung, Buchhaltung und Lagerverwaltung dadurch gut in den Griff bekommen." "Ja, aber was hat die EDV für Sie getan?" - war die nächste Frage. "Ich bekomme viele Berichte und Aufstellungen", antwortete besagter Manager. "Aber was hat die EDV für Sie persönlich getan?" - stieß der Frager nach. Nach einer Pause kam die Antwort .... "eigentlich sehr wenig".

Dieses kleine Gespräch, das übrigens wahr ist, soll nur eines veranschaulichen: Man muß wohl unterscheiden zwischen dem, was die EDV für das Unternehmen als Ganzes leistet und was sie für den einzelnen Manager in seinem Hauptaufgabengebiet bringt, Entscheidungen zu treffen und zu planen.

Der Computer wurde ursprünglich zur Unterstützung der Buchhaltung eingesetzt und hat dann mehr Verbreitung gefunden, weil er auch andere monotone Arbeiten mit vielen Fehlerquellen übernehmen kann.

Als nach und nach leistungsfähigere Rechneranlagen zur Verfügung standen, wurden immer kompliziertere Aufgaben übernommen, wie Auftragsabwicklung, Fertigungsplanung oder Netzplantechnik. Aber dabei stand fast immer ein EDV-Spezialist zwischen Anwender und Lösung. Außerdem wurden die Programme für wiederkehrende, klar abgrenzbare Anwendungen benutzt.

Kriterien für ein DSS

Die wichtigsten Aufgaben des Managers jedoch, nämlich Entscheidungen zu treffen und zu planen, betreffen vorwiegend unerwartete oder Ad-hoc-Probleme. Bis der Manager sein Problem einem EDV-Spezialisten erklärt hat und die notwendigen Programme geschrieben sind, ist in der Regel so viel Zeit vergangen, daß die Antwort einfach zu spät kommt.

Der Manager muß also ein Werkzeug haben, das ihm erlaubt, sein eigenes Problemmodell zu erstellen und nach Alternativen abzufragen: ein Decision Support System (DSS), zu deutsch Entscheidungsunterstützung.

Welche Eigenschaften muß ein DSS haben, um dem managementorientierten Benutzer nützlich zu sein? Grundsätzlich muß es den Managementdenkprozeß widerspiegeln, schnell und leicht zu lernen sein und - als Wichtigstes - dem Benutzer helfen, zu einer Entscheidung zu gelangen.

Ein Decision Support System muß vom Entwurf her folgende Punkte berücksichtigen:

1. Die Modellsprache soll flexibel sein und so eine schnelle Erstellung und Änderung einer Problembeschreibung erlauben.

2. Der Manager muß seine eigenen Konzepte, Vokabeln und Problemdefinitionen benutzen können, ohne einen EDV- Spezialisten beanspruchen zu müssen.

3. Die Kommunikation mit dem DSS sollte verschiedene Möglichkeiten bieten wie Bildschirm, Drucker oder Grafikpaket.

4. Es muß möglich sein, mehrere Versionen eines Grundmodells ohne großen Aufwand zu analysieren und abzutragen.

Zusammengefaßt sind es Flexibilität, leichte Handhabung und Änderungsfähigkeit, die eine Plansprache oder DSS nützlich machen. Wenn diese Fähigkeiten nicht vorhanden sind, wird das System nicht benutzt.

Natürlich kann man einige anwenderorientierte Computersprachen wie APL für DSS- Anwendungen benutzen. Aber seit ein paar Jahren gibt es Spezialplanungssprachen,

und einige davon, vor allem SIMPLAN und IFPS (Interactive Finance Planning System), um die zwei wichtigsten zu nennen, können als echte Decision Systeme angesehen werden.

Viele Unternehmensbereiche sind Kandidaten für Decision-Support-Anwendungen: strategische und taktische Unternehmensplanung, Budgetierung, Investitionsanalysen etc. Aber die spektakulärsten Anwendungen liegen dann vor, wenn Ad-hoc-Entscheidungen innerhalb sehr kurzer Zeit verlangt werden. Ein Beispiel für eine Decision-Support-Anwendung: Eine mittlere Mineralölfirma in den USA war in einer Joint-Venture-Verhandlung mit einer Chemiefirma wegen des Baus einer Chemieanlage. Der Leiter der Planungsabteilung und sein Stab entwickelten mittels einer Planungssprache innerhalb von ein paar Tagen ein Decision-Support-Modell. Danach sollte das Projekt angenommen werden.

Bis zu diesem Punkt hätte auch ein herkömmliches Simulationsmodell ausreichende Antwort gegeben. Die echte Decision-Support-Fähigkeit der Planungssprache blieb mehr oder weniger ungenutzt und war nur in der rapiden Erstellung des Modells zu erkennen.

Der eigentliche Test kam in der letzten internen Projektbesprechung, in der über die Antwort an die Chemiefirma entschieden werden mußte. Obwohl der Finanzvorstand mit den deterministischen Resultaten des Modells zufrieden war hatte er noch Fragen über das Risiko eines Verlustes, falls bestimmte wirtschaftliche Schwierigkeiten eintreten sollten. Die Zeit war sehr knapp, weil die letzten Entscheidungen über die Annahme des Projektes binnen der nächsten Stunden gefällt werden mußten.

Der Chef der Planungsabteilung war jedoch der Meinung, daß eine Änderung des Modells in der zur Verfügung stehenden Zeit durchaus möglich war. Einige Schlüsselvariablen wurden als Dreiecksverteilung umdefiniert. Anstatt den künftigen Umsatz mit 20 Millionen Dollar anzusetzen, wurde die Annahme gemacht, daß der niedrigste Umsatz 16 der wahrscheinlichste 20 und der höchste 22 Millionen Dollar betragen könnte. Andere Variablen wie Preis, Kapazität und ähnliches wurden auf gleiche Weise neu definiert.

Durch Monte-Carlo-Simulation, einem Bestandteil der Planungssprache, wurde festgestellt, daß zum einen ein sehr hoher Verlust entstehen würde, falls mehrere der niedrigsten Annahmen gleichzeitig eintraten und daß zum anderen die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes überhaupt sehr hoch lag, nämlich über 50 Prozent.

Aufgrund dieser Analyse wurde die Entscheidung getroffen, das Joint Venture nicht einzugehen. Das Bemerkenswerteste daran ist aber daß die Umstellung und Abfrage des Modells nur 20 Minuten dauerte und daß ohne diese Analyse das Joint Venture wahrscheinlich angenommen worden wäre.

Aufbau einer Plansprache

Um zu sehen, wie eine solche Analyse in so kurzer Zeit möglich war muß man die Decision- Support- Planungssprache etwas genauer betrachten. Ein Planungsmodell ist in Wirklichkeit eine Matrix. Die Spalten sind normalerweise Zeitperioden und die Reihen die Variablen wie Gewinn, Umsatz oder Marktanteil.

Die besseren Planungssprachen basieren auf normalen Sprachen, meistens auf dem sogenannten Business-Englisch. Dies betrifft aber nur die Schlüsselwörter, die sehr leicht zu lernen sind. So kann man die eigene Sprache für die Variablen- und Spaltennamen benutzen. Einige Planungssprachen sind auch prozedurunabhängig, das heißt der Benutzer kann das Modell beschreiben wie es ihm einfällt oder wie er es aufschreiben würde. Er braucht keiner Programmierlogik zu folgen.

Durch diese Prozedurunabhängigkeit und die Dialogverarbeitung der besseren DSS-Sprachen können einfache Modelle in wenigen Minuten erstellt werden. Komplizierte Modelle lassen sich meistens in weniger als fünf Tagen entwickeln.

Die einzelnen Eigenschaften der verschiedenen Planungssprachen sind natürlich sehr unterschiedlich, bestimmte Werkzeuge müssen aber vorhanden sein, wenn die Sprache als DSS gelten soll. Sie muß etwa Was-Wenn-Fragen beantworten und die Variablen eines Modells so ändern können, daß das gewünschte Ergebnis erreicht wird. Auch die Monte-Carlo-Analyse, die Aussagen über die Wahrscheinlichkeit verschiedener Endergebnisse macht, muß das System beherrschen. Diese Fähigkeit ist aber in den gängigen Planungssprachen sehr selten anzutreffen.

Kriterien für eine Planungssprache

Zusammengefaßt muß eine Planungssprache leicht anwendbar sein. Sie muß dem Benutzer erlauben, sein Modell nach seinem Geschmack zu definieren. Die Ausgabe muß managementgerecht, also aus sich heraus verständlich sein. Selbst dem obersten Management sollte es möglich sein, sich an den Bildschirm zu setzen und Fragen zu stellen. In den USA kann man immer häufiger sehen, daß Manager einen Bildschirm in ihrem Büro haben, um bestehende Modelle schnell abfragen oder neue Modelle selbst erstellen zu können.

Sicher ist, daß die Decision-Support-Systeme Wirklichkeit sind und daß sie in Zukunft immer mehr Anwendung finden werden. Auch konservativ geführte Firmen, die in der Vergangenheit wenig mit modernen Methoden der Unternehmensplanung zu tun hatten, werden Decision-Support-Systeme einsetzen müssen, wenn sie in ihrer wirtschaftlichen Zukunft weiterhin erfolgreich sein wollen.

Einsatzmöglichkeiten

Vorteile und Einsatzfähigkeit eines DSS werden durch folgende Beispiele verdeutlicht: Die Firma Execucom in Austin/Texas, die das erfolgreiche DSS, das Interactive Finance Planning System (IFPS) entwickelte, führte vor kurzem eine Benutzeranalyse durch. Die Umfrage bezog sich auf eine breite Palette von Anwendungen wie Marketinganalysen, Finanzplanung, Gesamtkonzernberichtswesen, Investitionsanalysen und sogar Rentabilitätsanalysen für Ölfelder - insgesamt rund 300 Anwendungen in 42 Unternehmen.

Abbildung 1 zeigt, wer die Benutzer des Planungssystems waren. Es ist leicht zu erkennen, daß der Computer direkt im mittleren und obersten Management benutzt wurde, meist mit Unterstützung des Stabpersonals, zum Teil haben die Manager aber auch selbst am Bildschirm gesessen.

Abbildung 2 zeigt die Zeiten, die für die Erstellung von Planungsmodellen benötigt wurden. Wenn man berücksichtigt, daß alle Modelle echte Anwendungen und relativ komplex waren, ist eine Erstellungszeit unter fünf Tagen für über 62 Prozent der Modelle bemerkenswert. Mit einem echten Decision-Support-System muß das aber möglich sein.

Der Manager wird und muß mehr direkten Einfluß auf den Entscheidungsprozeß nehmen. Das kann er, indem er bei der Erstellung von Entscheidungsmodellen mitwirkt. Bei mittleren Firmen wird der Manager sein Modell von A bis Z selber bauen und abfragen. Bei großen Unternehmen sind Spezialistenstäbe vorhanden, die nur die Zielvorgabe brauchen, um die nötigen Modelle zu bauen. Der Gewinner ist auf jeden Fall das Unternehmen, denn Entscheidungen und Pläne können in ihrer Vielfältigkeit vollständig analysiert und abgefragt werden.