Digital Equipment startet einen neuen Versuch, den kommerziellen Markt zu gewinnen:

DEC verschreibt sich die Transaktions-DV

29.07.1988

MÜNCHEN (rs) - Digital Equipment gibt nicht auf: Nach einer Reihe von vergeblichen Versuchen in der Vergangenheit, Fuß im Markt kommerzieller Anwendungen zu fassen, startet das Unternehmen den nächsten Anlauf. DECtp heißt die neue Systemumgebung, die (O-Ton) "alles enthält, um Transaktionsverarbeitung zu betreiben".

Diesen Markt der transaktionsorientierten Datenverarbeitung, deren wesentliche Anwendungen derzeit bei Reservierungssystemen, Banken oder im Handel liegen, schätzt die Gartner Group für 1987 auf weltweit 19 Milliarden Dollar. Bereits 1991 werden nach Meinung der

Analysten hier schon 40 Milliarden umgesetzt werden. Grund genug für die Nummer 2 im DV-Geschäft und Marktführer im Minicomputer-Business, darin den Türöffner für den kommerziellen Markt zu sehen.

"DEC kündigt eine Architektur an", verdeutlichte Ullrich Pelda, Leiter Softwaremarketing das neue Konzept, das auf Altem aufbaut. Pelda: "DDTA (Digital Distributed Transaction Architecture) ist die Fortsetzung von VIA (VAX Information Architecture)." Innerhalb der DDTA könnten die Anwendungen ohne Rücksicht auf die Topologie entwickelt werden. Erst zum Zeitpunkt der Installation erfolge die

Verteilung auf die Systemkomponenten. Der Anwendungsprogrammierer sei damit von allen Problemen befreit, die ein verteiltes System mit sich bringen kann. Dazu gehört beispielsweise das Verhalten einer Anwendung bei einem Systemabsturz. DECtp stellt hier die notwendigen Funktionen bereit.

Besondere Bedeutung mißt Digital Equipment dem Konzept bei, transaktionsorientierte Systeme in Frontend- und Backend-Rechner aufzuteilen. Das Frontend-System ist dabei mit vorbereitenden Aufgaben wie etwa der Maskenbehandlung befaßt, während das Backend-System die Transaktion durchfahre und das Ergebnis zurückgebe.

Die Zahl der Front- und Backend-Systeme ist DEC zufolge bei diesem Konzept unabhängig voneinander: Denkbar sei eine verschiedene Anzahl von Front- und Backend-Rechnern. Da zum Zeitpunkt der Anwendungsentwicklung weder die Zahl der Front-/Backend-Systeme noch die der Rechner festgelegt werden müsse, ergebe sich für den Anwender eine hohe Flexibilität bezüglich der Wachstumsmöglichkeiten seiner Konfiguration.

Zu den DECtp-Produkten gehört eine neue Version des Transaktions-Monitors ACMS, das sogenannte "aktive" Datenwörterbuch CDD/ plus sowie eine Weiterentwicklung des relationalen Datenbank-Managementsystems RDB/VMS. Speziell für den Finanzbereich ist der TP-Monitor DECintact (DEC integrated application control system) vorgesehen.

Die Version 3.0 von ACMS arbeitet jetzt nach DEC-Angaben mit einer nichtprozeduralen Entwicklungssprache, die auf dem Englischen basiert und ähnlich wie Sprachen der vierten Generation funktioniert. Damit soll die Entwicklung von Anwendungen für die Transaktionsverarbeitung sowie deren spätere Pflege erleichtert werden.

ACMS 3.0 ist Digital zufolge in die VAX-Informations-Architektur integriert und biete sowohl Datenbankunterstützung (RMS, DBMS, RDB) als auch die Programmierung in Basic, C, Cobol, Fortran, Pascal und PL/1. Alle Anwendungen greifen dabei auf ein gemeinsames Datenwörterbuch zu. Die Lizenzgebühr für ACMS: von 8600 Mark (VAXstation 2000) bis 237 000 Mark (VAX 8840).

Das Datenwörterbuch CDD/plus 4.0 spielt laut Ullrich Pelda in der DECtp-Umgebung bei der Entwicklung und Pflege von Anwendungen der Transaktionsverarbeitung eine zentrale Rolle. Es stelle die Schnittstelle zwischen Datenbank, TP-Monitor, Anwendungen, Maskengenerator, Sprachen der vierten Generation und Job-Control-Sprache dar. Der Preis liegt zwischen gut 1000 und etwa 30 000 Mark, abhängig von Prozessor und Konfiguration.

Einen um den Faktor 10 besseren Durchsatz reklamiert Digital Equipment für das Datenbank-Management-System RDB/VMS in der Version 3.0. Auf einem Rechner der 8800-Serie könne das Datenbanksystem bis zu 30 Transaktion pro Sekunde verarbeiten.

Dies sieht DEC als "solide Basis" für die Mehrzahl transaktionsorientierter Anwendungen an, die zu 90 Prozent weniger als 10 Transaktionen pro Sekunde verarbeiten müßten. RDB/VMS kann nach Angaben von Digital für Datenvolumen bis 50 Gigabyte eingesetzt werden. Dieses Produkt kostet, system- und konfigurationsabhängig 5000 bis knapp 140 000 Mark.

Als besonders schnelle Platten für die Transaktionsverarbeitung präsentierte Digital parallel zu DECtp das Magnetplattensystem SA600-JD mit einer maximalen Kapazität von 9,7 Gigabyte. Auf einem halben Quadratmeter Stellfläche enthält der Schrank acht Laufwerke des Typs RA90, die mit Dünnfilm-Schreib-/ Leseköpfen sowie einem 9-Zoll-Dünnfilm Speichermedium ausgestattet sind. Mit einer Speicherdichte von 40 Millionen Bits pro Quadratzoll nimmt DEC dabei für sich eine führende Rolle in der Peripherie-Industrie in Anspruch.

Zukünftig soll ein auf einem Expertensystem basierendes Diagnosewerkzeug Bestandteil der Serviceabkommen werden. Bemerkenswerte Eigenschaft dieses KI-Werkzeugs: Aus einer fehlerhaften Platte kopiert das Tool automatisch die Daten auf eine andere Platte. Das SA600-Plattensystem kostet 430 000 Mark beziehungsweise in der abgemagerten Version (vier RA9O-Laufwerke) 230 000 Mark.