Neues Forschungs-venture nur eines von mehreren Kooperationen

DEC und Olivetti arbeiten immer intensiver zusammen

28.06.1991

MÜNCHEN (CW) - Erneut nähergekommen sind sich der italienische Informatikkonzern Olivetti, Ivrea, und der amerikanische Minicomputer-Hersteller Digital Equipment Corp. (DEC), Maynard. Beide Unternehmen, die seit 1989 schon diverse Kooperationen verbinden, gaben jetzt eine weitere strategische Allianz bekannt - diesmal im Forschungssektor.

Nach Auskunft von Digitals Vice-President Samuel H. Fuller, verantwortlich für den Bereich Forschung, vereinbarten beide DV-Konzerne ein mehrjähriges "Research- and Development-venture", wonach DEC künftig Olivettis Forschungslabor in Cambridge/Großbritannien, das Olivetti Research Laboratory (ORL), mitfinanziert und dafür dort neuentwickelte Technologien und Systeme kommerziell nutzen darf.

Die in dem Zentrum beschäftigten 30 Mitarbeiter, die - so schreibt das "Wall Street Journal" - in engem Kontakt mit der Computerforschungsabteilung der Universität von Cambridge stehen, befassen sich unter anderem mit Basisforschung für Computervernetzung und Multimedia-Technologie.

Diese neuerliche Allianz folgt bereits bestehenden Kooperationen, die DEC und Olivetti im Verlauf der vergangenen zwei Jahre geschlossen haben. So vertreibt der US-Hersteller Desktop-PCs des Ivrea-Konzerns in Europa unter eigenem Namen sowie weltweit den Notebook-PC der Italiener.

Olivetti wiederum sicherte sich unlängst die Lizenzen für ein Netzwerkprodukt des amerikanischen Computerproduzenten.

Dabei, so die Münchner DEC-Sprecherin Theresia Wermelskirchen, handelt es sich um Decmcc (Management Control Center), eine Verwaltungssoftware für heterogene Netzwerke, womit die Italiener ihren Kunden den Zugang zu DEC-Rechnern erleichtern wollen.

In Analystenkreisen brodelte nach Bekanntwerden des Forschungsabkommens die Gerüchteküche. Spekuliert wurde vor allem über eine mögliche noch intensivere Verbindung beider Unternehmen. So zitiert das "Wall Street Journal" John Chessher, einen Londoner AnaIysten in Diensten von Paribas Ltd.: "Bei Olivetti/DEC könnte noch mehr im Busch sein." Sprecher beider Gesellschaften dementierten indes zugleich eine tiefergehende Partnerschaft eingehen zu wollen. Der Forschungspakt sei in erster Linie durch die langjährigen Kontakte zwischen Olivetti- und DEC-Entwicklern zustande gekommen. "Es gibt aber keine Pläne für weitere strategische Beziehungen", so Piercarlo Rovasio, Direktor der Forschungs- und Projektabteilung der Systems- und Network Division von Olivetti.

Auch Konzernchef Carlo De Benedetti hatte erst unlängst wieder bekräftigt, die Eigenständigkeit des italienischen Computerherstellers erhalten zu wollen.

Eine leichte Aufgabe dürfte dies für De Benedetti allerdings nicht sein. Zwar schrieb Olivetti als einziger der europäischen Computerhersteller 1990 schwarze Zahlen, mußte aber eines der schlechtesten Geschäftsjahre überhaupt hinnehmen - der Gewinn ging von 202,8 Milliarden Lire (zirka 263,4 Millionen Mark) auf 60,4 Milliarden Lire zurück. Auch die ersten sechs Monate des laufenden Geschäftsjahres scheinen keinen Anlaß zum Jubeln zu geben. Wie der Branchendienst "vwd" berichtet, erklärte De Benedetti auf der Hauptversammlung in Ivrea, das Geschäftsjahr 1991 habe für Olivetti schlecht begonnen.

Seinen Schätzungen zufolge dürfte der Umsatz im ersten Halbjahr aufgrund der schwachen Nachfrage im weltweiten Computergeschäft rund fünf bis sechs Prozent unter dem Vorjahresniveau von zirka 4,14 Billionen Lire liegen. Im Visier hat der Olivetti-Chef deshalb nun eine weitere Kostensenkung im operativen Bereich durch Verlagerung von Produktionsstätten von Italien ins Ausland, hauptsächlich nach Fernost.

In den Negativ-Schlagzeilen fand sich allerdings auch Digital Equipment erst kürzlich wieder. So berichtete das "Wall Street Journal" von Plänen des DEC-Managements, wonach die Belegschaft um 9000 bis 10 000 Mitarbeiter gekürzt werden soll, falls das Umsatzwachstum weiterhin schwach bleibe. So konnte der amerikanische Computerhersteller in den ersten neun Monaten (30. März) des laufenden Geschäftsjahres ein Umsatzplus von gerade vier Prozent auf 9,9 Milliarden Dollar erzielen. DEC, wie IBM einst der sicherste Arbeitgeber, befindet sich seit Ende 1989 auf hartem Sparkurs und hat seitdem bereits 10 000 Stellen abgebaut.

Obwohl sich das New Yorker Wirtschaftsblatt in seinem Bericht auf Aussagen von DECs Senior Vice-President for Operations, John F. Smith, bezieht und ihn mit den Worten zitiert: "Unsere Kostenstruktur stimmt nicht" und "Die neuen Entlassungen werden schmerzlich sein, aber unsere langfristige Wettbewerbsfähigkeit steht auf dem Spiel", hat das DEC-Hauptquartier in Maynard die angesprochenen Rationalisierungspläne noch nicht offiziell bestätigt. Dies zumindest verlautete von der deutschen GmbH.