Vertrauen auf liberalere Industriepolitik

DEC und Contol Data bauen die Fertigung in Brasilien auf

08.06.1990

CAMPINAS - Trotz monatlich 70 Prozent Inflation vor der Währungsreform vom März und der sich abzeichnenden Rezession in der DV-Branche engagieren sich die Digital Equipment Corp. und die Control Data Corp. in Brasilien. Unternehmenssprecher halten die langfristigen Wachstumschancen dieses Marktes nach wie vor für "bedeutend".

DEC baut seit Januar in der Industriestadt Campinas eine Fabrik, die 70 Millionen Dollar kosten und Ende 1992 voll funktionsfähig sein soll. CDC wandelte seine bisherige Vertriebsniederlassung in die CDB Computadores um, die sämtliche Aktiva ihrer Vorgängerin übernimmt. Das neue Unternehmen will in den nächsten drei Jahren etwa 40 Millionen Dollar investieren - unter anderem in den Bau einer Montagelinie für das Modell CDC 4000, das die US-Mutter Anfang 1990 am Markt einführte.

Von den ersten fünf Millionen Dollar Investitionskapital stammen bei CDB Computadores zwei Millionen aus einem Forderungsverzicht der Arbeitnehmer der ursprünglichen Firma, die im Austausch dafür Anteile an der Neugründung bekommen. Während die ehemalige Vertriebstochter von CDC in Brasilien zuletzt jährlich etwa zwölf Millionen Dollar umsetzte, hofft Manoel Galdino Carmona, Präsident des neuen Ablegers, trotz der Flaute bereits in diesem Jahr den Verkauf auf 30 Millionen steigern zu können. Carmona: "Wenn uns die Informatikbehörde SEI die nötigen Lizenzen bewilligt, werden wir in Brasilien außer Großrechnern künftig auch Mikros, Workstations und Strichcode-Leser für den Handel anbieten. Schon diese Erweiterung unserer Produktpalette dürfte die Umsätze auf Trab halten."

CDC-Chef sieht Wachstumschancen

Die Großrechner der Serie CDC 4000 sollen ab September 1990 aus der neuen Fertigungsstätte im Technologiezentrum des Unternehmens in Campinas bei Sao Paulo auf den Markt kommen. Die anfängliche Fertigungstiefe wird 25 Prozent betragen, soll aber bereits in etwa vier Jahren fast 95 Prozent erreichen. Ken Mellem, Senior Vice-President von CDC für die amerikanischen Kontinente, begründet den Bau der Anlage mit seiner Zuversicht in die Wachstumschancen des brasilianischen Marktes und einer zu erwartenden liberalen Industrie- und Handelspolitik für die DV-Branche.

Ähnlich argumentiert Paulo Chamoun mit Blick auf den Bau des neuen DEC-Werkes. Für diese Fabrik wählte das Unternehmen nach langer Suche ebenfalls Campinas als Standort, weil es dort genug Fachpersonal, qualifizierte Zulieferer, Forschungseinrichtungen, einen internationalen Flughafen und ein dichtes Autobahnnetz gibt. Die Anlage soll nach Auskunft von Chamoun die zweitgrößte Produktionsstätte von DEC im Ausland werden.

Die brasilianische Fabrik soll längerfristig je zur Hälfte den Binnen- und den Exportmarkt versorgen. Sie startet mit dem Modell VAX 6300 und einer Fertigungstiefe von etwas über 50 Prozent; gleichzeitig werden Zulieferer geschult, um diesen Prozentsatz künftig steigern zu können. Die ersten Auslieferungen sollen laut Chamoun ab Juli 1990 erfolgen. Später will DEC eventuell auch das Modell 6400 in Brasilien herstellen, für das keine Marktzugangsbeschränkung besteht. Schließlich entsteht auf dem Werksgelände in Campinas ein neues Softwarezentrum, das mit verschiedenen brasilianischen Universitäten zusammenarbeiten soll.