Digital verspricht bei Decnet Phase V verbesserte Netzwerk-Tools

DEC: Neue duale Architektur öffnet das Tor zur OSI-Welt

09.02.1990

MAYNARD (IDG) - Mit gemischten Gefühlen sehen IS-Manager DECs Decnet Phase V entgegen. Zum einen begrüßen sie die erweiterten globalen Netzwerk-Features und die Möglichkeit der OSI-Migration, zum anderen hat die Sache einen Haken: Noch ist nicht absehbar, ob und wann andere Hersteller Phase V unterstützen.

Insbesondere die umfassenden Netzwerk-Tools sind es, die Decnet Phase V für IS-Manager großer Unternehmen reizvoll machen. Das System wird Digital zufolge gegenüber Version IV stark verbesserte Features haben. So soll zum Beispiel die Koordination des Resource-Sharing in globalen Netzen durch Tools vereinfacht werden. Ferner sollen Naming-Server sowie ein leistungsfähigeres Adreß-System für einen schnelleren und kontrollierbareren Zugriff zu unternehmensweiten Daten sorgen.

Das alles ist noch Zukunftsmusik. Zwar hat DEC das Release angekündigt, jedoch keinen genauen Termin genannt. Eine Sprecherin der Digital Equipment GmbH, München, sagte, mit der Auslieferung sei noch in diesem Jahr zu rechnen, wollte aber keine weitere zeitliche Eingrenzung vornehmen.

Decnet Phase V läßt Anwendern, die sich für das System entschieden haben, die Tür sowohl zur OSI-Welt als auch zur DEC-Welt offen. Während die unteren Ebenen vollständig den OSI-Protokollen entsprechen, fährt das System auf den höheren Schichten bei den Netzwerk-Protokollen und Applikationen zweigleisig. Dort unterstützt es laut Marketing Manager Steve Kelly je nach Wahl entweder eine OSI-kompatible oder eine Decnet-spezifische Version.

Diese Interoperabilität in beide Richtungen wird nach Ansicht von Kelly dem User die Migration erleichtern und gleichzeitig die Kommunikation zwischen beiden Systemen gewährleisten. Ferner erlaube die duale Architektur dem Anwender die volle Nutzung aller neuen Netzwerk-Tools, ohne sich ausschließlich auf die OSI-Linie festlegen zu müssen. Gegenwärtig spielt in den Überlegungen der Verantwortlichen OSI aber nur eine untergeordnete Rolle. Viele potentielle Decnet-Phase-V-Kunden tendieren zwar dazu, so schnell wie möglich auf das neue System umzustellen, wollen die Migration zu OSI vorerst aber auf die lange Bank schieben. Dazu Stan Rose, Vizepräsident der Bankers Trust Co.: "Das Problem bei OSI und offenen Systemen ist, daß es an den nötigen Partnern zur Kommunikation fehlt."

Da bis zu einer endgültigen Multivendor-Kompatibilität durch OSI noch viel Zeit verstreichen wird, will die Tyson Foods Inc. zum Beispiel auch auf Phase V umrüsten, bis auf weiteres die Links zur Außenwelt aber selbst entwickeln und auf OSI-Abenteuer verzichten. Trotz dieses Mankos und der Unsicherheit, ob andere Anbieter später für das Decnet-System kompatible Produkte liefern, wollen viele IS-Manager allein wegen der besseren Netz-Performance den Sprung ins Phase-V-Wasser wagen. Die Entschlossenheit, die Entwicklung von OSI-Produkten zu forcieren, hat die Universität von Kalifornien sogar dazu veranlaßt, ihr Netz als Testbasis für Anbieter zur Verfügung zu stellen, sobald es unter dem neuen Decnet-Release läuft. +