Dreistufiger Rechnerverbund in Bayreuth gestartet:

DEC-Mini verbindet Prozeß und Rechenzentrum

19.06.1981

BAYREUTH - Ein dreistufiger Rechnerverbund aus Prozeßrechnern einerseits, einem Großrechenzentrum andererseits und einem Minicomputer als vermittelndes, jedoch auch autonom arbeitendes Bindeglied - das ist so etwas wie ein Novum. Die Hochschule Bayreuth präsentierte jetzt ihr in der ersten Ausbaustufe fertiggestelltes "Bayreuther Modell".

Die Bayreuther Uni, die ihren Betrieb im November 1975 aufnahm, begann mit einer einfachen Remote-Job-Entry-Station (RJE) des Regionalen Rechenzentrums Erlangen (RRZE). Das bedeutete zunächst Verzicht auf Dialogbetrieb, bot jedoch Batch-Verarbeitungsmöglichkeiten auf einer Cyber von Control Data und einer TR 440 von AEG-Telefunken. Später wurde ein Konzentrator dazwischengeschaltet, der zwar den für die Ausbildung unabdingbaren Bildschirmdialog mit beiden Großrechnern ermöglichte, gleichzeitig aber vermehrte Last für die installierte Standleitung nach Erlangen bedeutete. Überdies war abzusehen, daß das Datenübertragungsvolumen zum kritischen Punkt werden würde, da im Zuge der Entwicklung noch Online-Prozeßrechner in den einzelnen Labors hinzukommen sollten.

Schon in ihrem Entwicklungsplan 1978 liebäugelten die Bayreuther Computeure deshalb mit einem Konzept weitgehend autarker Satellitenrechner für Prozeßsteuerung und Datenerfassung einerseits und eines zentralen Hintergrundrechners für Datenverwaltung, -reduktion und -vorauswertung andererseits. Dieser sollte, neben gewissen Realtime-Eigenschaften, eine gute Arithmetik-Leistung und Möglichkeiten zum Stapel- und Dialogbetrieb bieten. Der Hintergrundrechner war ferner mit Blick auf die Ausbildung zu konzipieren und sollte jene Weiterverarbeitungen und Datenerhaltungsaufträge teils selber übernehmen und teils an das RRZE weiterleiten, die die Kapazitäten von Prozeßrechnern übersteigen. Sowieso nach Erlangen gehen sollten weiterhin Groß-Jobs wie umfangreiche rechenintensive oder hauptspeicherintensive Aufgaben und Aufträge, die die größere numerische Genauigkeit oder auch spezielle Ressourcen des RRZE erfordern.

Nachdem dieses Konzept aus Kostengründen zunächst den Sieg über die alternative Vorstellung, einfach die einzelnen Prozeßrechner mit eigenen Peripheriegeräten auszustatten, davongetragen hatte, war anschließend zu klären, ob die Bayreuther Installation nur von einem oder von mehreren Herstellern geliefert werden sollte. Dabei gaben dann offenbar die Stimmen der Gutachter von der Deutschen Forschungsgemeinschaft den Ausschlag für die Mix-Lösung mit mehreren HP 1000er Systemen von Hewlett-Packard sowie DEC-Minis vom Typ Minc 11/2 "vor Ort" und einer "übergeordneten" DEC VAX 11/ 780 mit 1,25 MB Hauptspeicher und zwei RM 03-Platten zu je 67 MB.

Hatten die Bayreuther sich zuvor mit fünf Dialogkanälen zur Cyber und vier Kanälen zur TR 440 bescheiden müssen - das reichte für eine Ausbildung im Dialogverkehr hinten und vorne nicht -, so können sie heute (immer noch mit der gleichen alten Standleitung) an der VAX in Cobol oder auch Fortran arbeiten oder sich schulen lassen, während beispielsweise Mathematiker mit Algol- oder Biologen mit Simula-Programmen die Erlanger Rechner beanspruchen. Natürlich lassen sich auch Dateien von der VAX auf die Cyber übertragen und dort bearbeiten, während die Resultate dann wieder auf der "heimischen" VAX weiter behandelt werden können.

Nachdem die Grafik-Software der Erlanger Rechner auf die Bayreuther Anlage überspielt und zum Laufen gebracht werden konnte, haben die Benutzer beim Umgang mit der Grafik nun freie Wahl unter allen drei Systemen. Inzwischen zeigte sich dabei, daß die Anwender sehr wohl zu selektieren wissen: Einige theoretische Physiker fühlen sich beispielsweise vom großen Adreßraum der VAX sowie von ihren geringen Wartezeiten angezogen, Kollegen von ihnen hingegen arbeiten lieber mit der Cyber wegen ihrer großen Rechengenauigkeit.

Während die Physiker unter anderem sogenannte "Eigenwertberechnungen" durchführen, erfassen die Hydrologen der Bayreuther Uni Daten über die Wasserverschmutzung, die dann über längere Zeitspannen hindurch verfolgt werden. Und bei den Biologen interessiert man sich beispielsweise für die unterschiedlichen Wachstumsraten bestimmter Pflanzen, während die Biochemiker den Rechnerverbund nutzen, um sogenannte DNA-Sequenzen, das heißt also die Struktur unseres genetischen Codes, zu entschlüsseln.

Viel mit dem Plotter arbeiten die Mathematiker zur Darstellung ihrer Resultate aus der numerischen Mathematik, und auch die Geowissenschaftler wissen dieses Instrument voll zu nutzen - sie befassen sich zur Zeit mit einem Programm für die Regionalplanung und mit der grafischen Aufbereitung der zusammengetragenen Informationen.

Die Basis des Bayreuther Verbundes, die Prozeßrechner und Mikroprozessorsysteme, erledigen einfache Arbeiten nach Möglichkeit autark, bieten durch Koppelung an die VAX den Benutzern jedoch das volle Potential des Gesamtsystems. Immer wenn umfangreiche Berechnungen erforderlich werden, wenn es an weiterreichender Software beim Kleinsystem fehlt oder wenn man besondere Ausgabemöglichkeiten einsetzen will, nutzt man jetzt die Verbindung zur Zentrale. Dort hat das DV-Team manchmal übrigens ganz schön mit der Betreuung der Anwender zu tun, zumal oft ja auch Hilfestellung für die Nutzung der Jumbos in Erlangen gefordert wird.

Neben den eigentlichen wissenschaftlichen Aufgaben erledigt der Erlanger Mini noch Nebenjobs wie beispielsweise die Textverarbeitung (für wissenschaftliche Publikationen) mit dem Programm "Scriptor". Später dürften wohl noch eine Reihe Verwaltungsarbeiten für die Uni-Bürokratie dazukommen; Groß-Aufgaben wie das "Studenten-Operationssystem" (SOS) hingegen bleiben weiterhin dem RRZE vorbehalten, wo es gerade hierfür ein eigenes, eingespieltes Team gibt. Die Bayreuther hingegen wollen ihre Anlage lieber Schritt für Schritt in immer größere Aufgaben hineinwachsen lassen; Ausbaufähigkeit war schließlich einer der Hauptgründe, sich gerade für dieses bestimmte Rechnermodell zu entscheiden. Die Bayreuther Maschine bietet, falls erforderlich, die Möglichkeit, auch mehrere Betriebssysteme zu fahren; nachts etwa eines für speicherintensive "Langläufe", tagsüber hingegen ein dialogorientiertes. Heute indes starten die Operateure für die Nachtstunden eine nützliche Automatik, die alle am Tag zuvor entstandenen Files (zur Sicherheit) auf Band speichert. Die Benutzer können jedoch volle 24 Stunden am Tag (bei einer bedienten Schicht) mit dem Rechner arbeiten, wenngleich das Bandlaufwerk nach Starten des Datensicherungsprogramms für sie nicht mehr verfügbar ist.

Dr. Friedrich Siller, der Leiter des Bayreuther Rechenzentrums, ist zufrieden mit den bisher im Betrieb gesammelten Erfahrungen. Das System eigne sich wegen seiner Benutzerfreundlichkeit und Dialogfähigkeit besonders gut für eine zeitgemäße Stundentenausbildung und auch die hohe Verfügbarkeit dieser Maschine mit ihrem großen Adreßraum von theoretisch bis zu vier Gigabyte werde sehr geschätzt. Übrigens läuft die VAX jetzt unter einem neuen Betriebssystem (VAX/VMS Release 2.1), das - wichtig gerade für die Ausbildung - neben vielfältigen Besonderheiten auch die Festlegung von Rechenzeit und Plattenkapazität fur jeden einzelnen Benutzer gestattet.