DEC liegt in schweren Wehen mit neuem Einplatz Bürosystem: PC Konkurrent unter VAX-Betriebssystem

26.02.1988

FRAMINGHAM - Trotz einer Reihe von Mißerfolgen gibt DEC eigene Anstrengungen im Bereich der individuellen Datenverarbeitung nicht auf. Eine PC-artige Maschine unter dem DEC-spezifischen Betriebssystem VMS soll noch vor dem Herbst die Werkstore verlassen.

Der heimliche Hintergrund für DECs kürzlich angekündigte Zusammenarbeit mit Apple ist der Umstand, daß DEC bisher im Bereich der Tischrechner keinen Fuß auf den Boden bekommen hat. Trotz der offiziellen "Anerkennung" des Macintosh gibt sich DEC-Chef Ken Olsen im unteren Marktsegment nicht geschlagen. Eine Maschine namens Personal VAX wird derzeit in den Gerüchteküchen gehandelt. Sie soll das Unternehmen zurück auf die Bühne des Personal Computing katapultieren. Der PC-Konkurrent wurde als abgemagerte Version der Vaxstation 2000 bereits im Februar vergangenen Jahres von DECs Low End Systems Group in der Absicht konzipiert, ab November 1987 erste Exemplare dieser Reihe auszuliefern. Mit einer speziell zurechtgetrimmten VMS-Version bestünden gute Chancen, so kalkulierte DEC damals, den Arbeitsplatzrechner zu Preisen auf den Markt zu bringen, die gegenüber IBMs PS/2-Serie durchaus konkurrenzfähig seien.

OS/2 falsch eingeschätzt

Intern gaben sich DECs Marketing-Fachleute damals der Hoffnung hin, mit dem IBM-Produkt und seinem Betriebssystem OS/2 werde es noch große technische Schwierigkeiten geben. So werde es leichterfallen, ohnehin DEC-orientierten Anwendern den Rechner als PC-Ersatz zu verkaufen. Da man mit dem PC-kompatiblen Vaxmate den IBM-Standard ebenfalls unterstützen und die Frage nach dem Betriebssystem ohnehin an Bedeutung verlieren werde, wären die Anwender relativ einfach zu überzeugen, kalkulierten die DEC-Strategen.

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, ob DEC der Versorgung mit Anwenderprogrammen Beachtung schenkt, und zwar mit solchen Anwenderprogrammen, die aus der PC-Welt bekannt sind - etwa die verbreitete Tabellenkalkulation Lotus 1-2-3 oder Standard-Datenbanksysteme wie dBase. Anders formuliert: Wird DEC es schaffen, Anbieter populärer PC-Software dazu zu bringen, ihre Produkte auf DECs neue Maschine zu portieren? Die Antwort ist nicht schwer zu finden: Selbst ein DEC-Insider bekennt, sein Unternehmen habe ähnlich große Probleme bei der Vermarktung von Einplatz-Bürosystemen wie IBM bei Minicomputern.

Dabei, so ein anderer Mitarbeiter, gehe DEC-Chef Ken Olsen, der die individuelle Datenverarbeitung zu seinem persönlichen Anliegen erklärt habe, mit einer nur als naiv zu bezeichnenden Haltung zu Werke. Seine Strategie laute laßt uns die Box bauen, dann kommt die Software schon von selbst". Sein Engagement habe eher zu Verzögerungen denn zur Beschleunigung des Projekts beigetragen: "Erst will er endlos Designänderungen, und dann haut er wegen der Verspätungen das Entwicklungsteam in die Pfanne", klagt der Ingenieur.

Die Entwicklung der Personal VAX blieb denn auch einige Monate hinter dem Plan zurück, und DEC verpaßte den strategisch günstigsten Zeitpunkt für die Markteinführung: die Wartezeit auf OS/2. Wichtige Hardwarefragen blieben bis dato unbeantwortet, etwa ob das System mit Erweiterungssteckplätzen für Addons unter DOS oder OS/2 ausgestattet werden soll0. Aber immerhin, die Idee hat überlebt. So ist von dem Computer bisher bekannt, daß er nicht über einen Massenspeicher verfügen und ungefähr 5000 Dollar kosten wird.

Eine Unbekannte in DECs Pokerspiel ist auch die Kooperation mit Apple Computer. Oder, wie sich ein Marktkenner ausdrückt: "Es ist eine Sache, den Macintosh der PS/2-Serie vorzuziehen. Eine andere Sache ist es, ein fremdes Produkt zu unterstützen, wenn man selbst dabei ist, eine brandneue Maschine einzuführen. Der Leiter der DEC-Gruppe für Personal Computing, John Rose, erklärt, sein Unternehmen habe sich mit Apple auf ein freundliches Konkurrenzverhältnis geeinigt. "Wir wollen den Wettbewerb um die Tischmodelle mit einer Maschine gewinnen, die das DEC-Logo trägt", orakelt er.

Derzeit scheint es so, als ob langfristig die Personal VAX sich zu DECs Maschine der Wahl entwickeln werde. Die Vaxmate, die die an sie gestellten Erwartungen bei weitem nicht erfüllt hat, rangiere dennoch als strategisches Produkt, stellt Rose klar. Wenn allerdings die Personal VAX auch DOS- und OS/2-Software verarbeiten kann, so wird die Vaxmate allmählich in der Versenkung verschwinden. Die zentrale Frage, ob es einen Markt für Einplatz-Bürocomputer unter VMS gibt, muß jedoch vorläufig offenbleiben.