Firmenchef Ken Olsen setzt auf neue Unternehmensstrategien:

DEC erwartet blutigen Verdrängungswettbewerb

23.08.1985

MAYNARD/MASSACHUSETTS (CWN) - Strikt zurückgewiesen hat Ken Olsen, Gründer und Chef der Digital Equipment Corp., Maynard/ Massachusetts, die Gerüchte um die Fusion mit dem US-Telefonriesen AT&T. In einem Gespräch mit der COMPUTERWORLD sagte Olsen, DEC sei weder interessiert an AT&T noch am Telefongeschäft.

Dagegen bestätigte das 58jährige DEC-Oberhaupt Gerüchte um seinen Rücktritt, doch stünde der genaue Zeitpunkt noch nicht fest. Erst wenn das Unternehmen die von ihm erwartete Talsohle der Minicomputerindustrie durchlaufen und seine Position als führender Anbieter von mittleren Computersystemen gestärkt habe, wolle er sich zurückziehen.

Nach Olsens Ansicht werden ,die Minicomputeranbieter in naher Zukunft eine ähnlich harte Phase durchmachen wie im Mikrobereich. Schuld daran seien die sinkende Nachfrage sowie "blutige" Preiskämpfe. "Wahrscheinlich werden von 1000 Unternehmen gerade fünf überleben", spekuliert der DEC-Chairman. "In diesem Markt ist kein Platz für viele Hersteller. Der Anwender verkraftet keine 100 verschiedenen Software-Systeme." Er ist indes überzeugt, daß sein Unternehmen zu den überlebenden zählen wird: . Wir sind schon jetzt in der Lage, alle Arten von Minis herzustellen, die Welt benötigt."

Was Anwender in Unternehmen tatsächlich wünschen, bekräftigt Olsen, sind Netze, um Mikros, Minis und Mainframes miteinander kommunizieren lassen zu können. "Die derzeitigen Lösungen sind jedoch auf lange Sicht gesehen ungeeignet. Das verzögert den Absatz, was zum Teil auch die momentane Talfahrt der Computerindustrie mit verursachte", betont der DEC-Chef. An dieser Entwicklung so gesteht er ein, sei sein Unternehmen wohl nicht ganz schuldlos gewesen. "Ich habe den Leuten klargemacht, daß sie Netze benötigen, daß eine Vielzahl von unabhängigen Rechnern ihr Problem nicht lösen kann. Doch jetzt warten sie ab."

DECs Herausforderung, so Olsen, läge nunmehr darin, die Anwender zu überzeugen, daß der Minicomputerpionier in Zukunft auch Anbieter von Netzwerklösungen sein wird. Führende DEC-Mitarbeiter hätten per Ethernet VAXes, DECmates, Microvaxes und Workstations miteinander verbunden, doch diese Technik verkaufe sich nun einmal nicht von selbst. Deshalb wolle sich das Unternehmen jetzt verstärkt auf den Absatz von Netzen konzentrieren.

Als nächsten Schachzug kündigte der Geschäftsführer Änderungen im Mikrobereich an. Zwar wolle er noch nichts Konkretes sagen, doch seien zwei neue Desktop-Microvax-Systeme für das Unternehmen notwendig: ein Mikro für Industrie-Software und einer für DECs Textverarbeitungssystem DECmate. Dieses Programm soll auch in andere Bereiche integriert werden, doch sagte Olsen noch nichts über die Realisierung.

Die Entscheidung, die Produktion des im Absatz enttäuschenden Rainbow wieder aufzunehmen, bezeichnete Olsen als "absolut uninteressant" und stritt in diesem Zusammenhang ab, DEC könnte in der Welt des IBM-Mikro-Standards frustriert sein. . Wir haben Fehler gemacht, die wir nicht hätten machen sollen, doch das ist nicht frustrierend, sondern Teil des Computer-Business."