Computergigant aus Maynard gerät immer mehr ins Wanken

DEC entläßt weiter Personal und macht erstmals Verlust

03.08.1990

MAYNARD (CW) - Die Digital Equipment Corp. (DEC), Maynard/Massachusetts, mußte erstmals in ihrer 32jährigen Firmengeschichte einen Quartalsverlust hinnehmen. Im vierten Abschnitt 89190 belief sich der Minusbetrag auf 256,7 Millionen Dollar. Darin enthalten sind allerdings Rückstellungen von 400 Millionen Dollar für Personalabbau-Maßnahmen.

Bereits seit zwei Jahren kämpft die bisherige Nummer zwei unter den weltweit größten Computerherstellern gegen sinkende Umsätze und Gewinne. Vor allem der schwache Computer-Markt in den USA bereitete dem Minimaker aus Maynard immer wieder große Sorgen. Mit einem beständig guten Europa-Geschäft indes konnte DEC in dieser Zeit größeres Unheil verhindern.

Ausgerechnet die europäischen Aktivitäten aber entwickelten sich für den US-Konzern im vierten Quartal des abgelaufenen Geschäftsjahres 89190 (30. Juni) negativ. Ein weitaus schwächerer Absatz als erwartet war mit ein Grund dafür, daß DEC in diesem Abschnitt den ersten Quartalsverlust in seiner Firmengeschichte eingefahren hat. Neben dem Minusbetrag von 256,7 Millionen Dollar - im vergleichbaren Vorjahreszeitraum verbuchte man noch einen Profit von 313,2 Millionen Dollar - sackte auch der Umsatz im vierten Quartal um 3,7 Prozent auf 3,37 (1988189: 3,49) Milliarden Dollar ab.

Größere Auswirkungen als das schwache Europa-Geschäft hatten jedoch die Umstrukturierungspläne und hier vor allem der Personalabbau: Um 5000 bis 6000 Mitarbeiter will DEC die Zahl der Beschäftigten, derzeit weltweit 124 000, in den nächsten Monaten verringern. Dafür nahm man in der Bilanz für das vierte Quartal Rückstellungen in Höhe von 400 Millionen Dollar vor. Ohne diese Maßnahme, so verlautete von den Erzrivalen der IBM, hätte man im vierten Quartal einen Gewinn von 85,3 Millionen Dollar ausweisen können.

Das schlechte Abschlußquartal wirkte sich auch auf das Gesamtergebnis des abgelaufenen Fiskaljahres aus. Zwar konnte DEC noch einen mageren Umsatzanstieg von 1,6 Prozent auf 12,9 (Vorjahr: 12,7) Milliarden Dollar verzeichnen, doch fiel der Gewinn um 93 Prozent auf 74,4 Millionen Dollar. Im Vorjahr hatte der Profit noch bei einer Milliarde Dollar gelegen. Dazu erklärte John Smith, Senior Vice-President of Operations und zweiter Mann im Unternehmen nach President Kenneth Olsen: "Wir sind mit diesem Ergebnis wahrlich nicht zufrieden. Deshalb werden wir uns verstärkt auf Umsatzwachstum und Kostenreduzierung konzentrieren."

Ob dies noch weiter zu Lasten der Belegschaft gehen wird, ist unklar. Zwar erklärte Smith, man plane keine zusätzlichen Entlassungen, wenn sich der Personalstamm weltweit auf 119 000 Mitarbeiter eingependelt habe. Wäre es aber nach dem Senior Vice-President gegangenen, hätten ohnehin mehr Beschäftigte bei DEC ihren Job verloren - noch Anfang Juli hatte Smith angekündigt, 6000 bis 8000 Angestellte entlassen zu wollen. Dies aber schien Ken Olsen, einem erklärten Gegner von Entlassungen, gegen den Strich zu gehen; zumal im abgelaufenen Geschäftsjahr schon einmal 3000 Mitarbeiter das Unternehmen hatten verlassen müssen. Somit wird die aktuelle, leicht reduzierte Zahl von 5000 bis 6000 Einsparungen in Analystenkreisen als ein Kompromiß zwischen Olsen und Smith gewertet.

Für das neue Geschäftsjahr erwarten amerikanische Branchenanalysten dennoch wieder bessere Ergebnisse von dem mittlerweile drittgrößten Computerhersteller der Welt. So glaubt Marc Schulman, in Diensten von UBS Securities, daß DEC vor allem in der zweiten Hälfte zulegen wird. Auch in Maynard rechnet alles wieder mit besseren Zeiten. Die Produktionsprobleme der Mainframe-Serie VAX 9000 sollen behoben sein; DEC-Vize Smith rechnet mit 100 Auslieferungen allein im ersten Quartal 90191. Auch für die jüngst angekündigte VAX 4000, von DEC als Konkurrenzmodell zu IBMs AS/400 positioniert, hätten bereits zahlreiche potentielle Kunden ihr Interesse signalisiert. Zudem liefe das Workstation-Geschäft besser als erwartet.

Eine Prognose für das laufende Geschäftsjahr will Smith indes nicht abgeben. "Wir sind sicher, daß wir zukünftig wieder bessere finanzielle Resultate aufweisen werden. Die Frage ist aber, wie schnell dies gelingen wird."