VMS ist nach wie vor das Lieblingskind, aber:

DEC dringt zögernd in die Unix-Welt ein

22.04.1988

ESCHBORN (CW) - Die Digital Equipment Corp. hat ihre Zurückhaltung gegenüber Unix offensichtlich aufgegeben: Neben VMS soll das hauseigene Unix-Derivat Ultrix einen gleichberechtigten Platz erhalten. Wie die IDC Deutschland GmbH, Eschborn, berichtet, bevorzugen die meisten DEC-Kunden jedoch die Berkeley-Version.

Der DEC-Anteil auf dem Unix-Markt für mittelgroße Systeme beträgt nach IDC-Angaben derzeit 45 Prozent. Bei den kleineren Rechnern wie der PDP-11, der VAX 11/725/ beziehungsweise /730 und den Microvax-II-Modellen lag der Marktanteil 1986 bei drei Prozent mit positiver Tendenz.

Die Microvax ist bei DEC-Anwendern mit Unix-gestützten Systemen am beliebtesten. Aber auch die laut IDC überholte 11/7XX-Serie zählen die Benutzer offensichtlich noch nicht zum alten Eisen; jedenfalls wird sie weiterhin für Unix-Implementierungen genutzt.

Nur wenige Kunden des US-Herstellers, so die IDC-Studie, setzen VMS und Ultrix auf demselben System ein. Unzufrieden seien die Benutzer vor allem wegen der mangelhaften Integration von VMS in die Unix-Welt. Bei den Anwendungen auf Unix-gestützten DEC-Rechnern steht die Softwareentwicklung an erster Stelle, gefolgt von der kommerziellen Datenverarbeitung, der Textverarbeitung und dem CAD/CAM/CAE-Bereich.

Die Herstellerneutralität des Betriebssystems ist für DEC-Kunden bei ihrer Entscheidung zugunsten von Unix offensichtlich kein wichtiges Kriterium. Für die meisten Lizenznehmer ist laut IDC entscheidend, daß unter diesem Betriebssystem Anwendungen relativ problemlos portiert werden können.

Darüber hinaus unterstütze Unix in den meisten Fällen bereits implementierte Applikationen, und die Kompatibilität mit schon installierten Systemen sei besser als unter VMS. Als vierten Grund für eine Unix-Implementierung nannten die Kunden die gute Unterstützung von Kommunikationsprodukten für die Vernetzung.

Bis 1983 mußten sich DEC-Kunden, die Unix implementieren wollten, direkt an Berkeley oder AT&T wenden. Im darauffolgenden Jahr brachte das Unternehmen unter dem Namen Ultrix-11 eine zweite Version des Unix-Derivats V7M-11 auf den Markt; ihr folgte das auf Berkeley 4.0 basierende System Ultrix-32 für die Rechnerserie VAX-11/7XX. Die jüngste Ultrix-Version ist nach Angaben der Studie sowohl mit Berkeley 4.2 als auch mit dem System V.2 von AT&T kompatibel.

Der Erfolg von DEC auf dem Unix-Markt wurde in der Vergangenheit also vor allem durch die Marketing-Strategien des US-Herstellers gebremst, denn das hauseigene VMS war und bleibt das Lieblingskind: Nach DEC-eigenen Angaben wird jedoch in die Weiterentwicklung von Ultrix derzeit ebensoviel Geld gesteckt wie in VMS Verbesserungen.