Kienzle-Oberer Dirkmann folgt Rieder als Chef in München nach

DEC Deutschland gesellt sich zur Gruppe der Verlustmacher

10.07.1992

MÜNCHEN (CW) - Beim Stühlerücken - Hans Wolfgang Dirkmann löst Hans-Jörg Rieder als Chef der Digital Equipment GmbH ab - wurde es offenkundig: DEC Deutschland ist in ein riesiges Verlustloch gerutscht: Nachdem man sich 1990/91 noch knapp behaupten konnte, muß die um Profil ringende Gesellschaft für 1991/1992 einen Verlust "in dreistelliger Millionenhöhe" ausweisen.

Der Münchner Digital-Niederlassung zufolge stagnierte der Jahresumsatz bei zirka 1,8 Milliarden Mark. Diese Flaute - vor einem Jahr hatte Rieder noch von zweistelligem Umsatzwachstum gesprochen - sowie die Integration von Kienzle und der Philips-DV hätten zu dem Negativergebnis geführt. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung" (SZ). Weiter heißt es dort, im Geschäft mit Großprojekten, bei denen DEC als Generalunternehmer auftritt, seien noch immer "Vorleistungen" erforderlich.

Als Erklärungshintergrund für die Hiobsbotschaft muß bei Digital auch der Produktkatalog herhalten: Laut SZ wurde das Absatzziel im proprietären High-end (VAX) nicht erreicht, weil die Kunden auf den zum Jahreswechsel in kommerziellen Stückzahlen auszuliefernden Alp0ha-RISC-Chip warteten. Hiermit ausgerüstete Systeme, so hofft man bei DEC, sollen dem Hochleistungs-Segment im gerade begonnenen Geschäftsjahr wieder auf die Beine helfen. Gut verkauft, aber wegen des Preisverfalls nicht rentiert hätten sich PCs und Workstations.

Der angekündigte Verlust ist das vorläufige Ende einer jahrelangen finanziellen Talfahrt der deutschen Vertriebs- und Servicegesellschaft des zweitgrößten Computerherstellers der Welt. Vor fünf Jahren hatte man mit 15,3 Millionen Mark Überschuß eine Netto-Umsatzrendite von zirka 1,3 Prozent erzielt; schon im Folgejahr 1987/88 betrug dieser Wert nur noch 6,7 Millionen Mark entsprechend einer Marge von gut einem halben Prozent.

Nach einer kurzen Erholung - 1988/89 betrug der Profit rund zehn Millionen Mark, nachdem Rieder zur Halbzeit das Ruder von Willi Kister übernommen hatte - rettete sich Digital Deutschland 1989/90 mit einem Ertrag von 153 000 Mark nur knapp vor Verlusten. Der letzte Berichtszeitraum, 1990/91, fiel dann wieder "erwartungsgemäß" aus, so seinerzeit Rieder: Etwa sechs Millionen Mark Nettoverdienst standen unter dem Strich; hierzu verhalf dem Unternehmen allerdings der äußerst günstige Dollarkurs.

Der bisherige DEC-Geschäftsführer Rieder geht nun den gleichen Weg wie Ende 1988 sein Vorgänger Willi Kister, nämlich als Vice-President Operations Europe zur Europazentrale nach Genf. Außerdem, so eine Mitteilung des Unternehmens, übernimmt der Diplom-Ingenieur den Vorsitz des Verwaltungsrates für das Geschäft in den Benelux-Ländern.

Rieders Nachfolger, der Elektrotechnik-Ingenieur und Betriebswirt Dirkmann, ist ein alter DEC-Hase: Seit 20 Jahren im Unternehmen, war er vor seinem Dienstantritt bei Digital-Kienzle zuletzt als Vice-President verantwortlich für die Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz sowie für den europaweiten Kundendienst. Sein Ziel in der neuen Position nach eigener Auskunft: "Die forcierte Weiterführung der Produktstrategie in Richtung offener Systeme" sowie Multivendor-Vernetzung und eine schnelle Einführung der Alpha-Technologie.

Noch bis Anfang Oktober 1992 wird der Fünfzigjährige Geschäftsführungs-Vorsitzender der Digital-Kienzle Computersysteme GmbH in Villingen-Schweningen bleiben, deren Aufsichtsrats-Vorsitz er danach übernehmen soll. Seine Nachfolge bei der Schwarzwälder Mittelstands-Tochter von Digital tritt dann Hanns-Joachim Erhardt (47) an, bis dato Geschäftsführer für Marketing und Vertrieb.