DEC-Alpha ist der Schnellste (Teil 1) Technologieguru verleiht fuer 1993 die Oscars fuer CPU-Architekturen

21.01.1994

MUENCHEN (CW) - Alle Jahre wieder kommt Technologieguru Michael Slater mit einer kritischen Bestandsaufnahme der Prozessorszene nieder. Der Herausgeber des "Microprocessor Report" filtert bei seiner Rundschau die Tops und Flops der Branche im abgelaufenen Jahr heraus.

1993 war nicht gepraegt durch RISC-Neuerungen. Den groessten Eindruck in der RISC-Szene hinterliessen deshalb zwei quasi externe Ereignisse: die Markteinfuehrung des Pentium-Prozessors von Intel sowie NTs tatsaechliche Verfuegbarkeit.

Wirklich neu war lediglich die RISC-CPU 21064A von der Digital Equipment Corp. (DEC), wobei aber auch dieser Chip nur eine Modifikation des 21064-Bausteins darstellt. Prinzipiell liessen sich im abgelaufenen Jahr zwei Trends bei den Herstellern festhalten: Mit NT als Systembasis und Pentium als Konkurrenzprodukt suchten die Schwergewichte der RISC-Branche einerseits Intel mit Produkten die Stirn zu bieten, die bei gleicher Leistungsfaehigkeit erheblich preiswerter sind.

Indirekt bedeutet dies auch, dass die RISC-Anbieter ihr Nischendasein aufgeben und den PC-Markt hart angehen wollen. Zu nennen sind hier die Silicon-Graphics-Tochter (SGI) Mips Technologies Inc. (MTI) mit den R4200- und R4600-Bausteinen, DEC mit dem 21066-Chip, IBM und deren 601- beziehungsweise 603-Power- PC-Architektur sowie Sun Microsystems mit dem Sparc-2-Angebot.

Nicht mehr auf den Preis darf man, wohl aber auf die Leistung sollte man andererseits schauen bei den Hoechstleistungs- Prozessoren, die SGI mit der TFP- sowie IBM mit der Power2-Loesung anbieten. Wie jedes Jahr - und wie aus der Filmbranche gewohnt - verteilte Slater seine Oscars in verschiedenen Kategorien.

Der Preis fuer den schnellsten RISC-Prozessor ging wie im Jahr zuvor an DEC (vgl. Tabelle): Das mittlerweile auf 0,68 Submikron geschrumpfte Design des 21064-Chips erlaubt eine Taktrate von 200 Megahertz. Nicht unwesentlich dabei: Dieser Prozessor ist in Mengen verfuegbar. Bei der Specint92-Angabe uebertrifft DECs Prozessor sogar IBMs Multichip- Power2-Angebot. Mit der fuer dieses Jahr versprochenen 275-Megahertz-CPU werde sich DEC darueber hinaus aller Wahrscheinlichkeit nach weiter an der Topposition festsetzen. Slater verleiht deshalb einen zweiten Preis an die Entwickler aus Maynard: fuer die schnellste Vaporware.

Die Applikationsbasis entscheidet ueber den Erfolg

DEC darf aber noch eine dritte Auszeichnung einheimsen, die wichtig ist, weil strategisch von Bedeutung: Als erster Hersteller einer RISC-CPU integrierten die US-Amerikaner auf dem 21066-Chip den als Quasistandard zu bezeichnenden PCI-Local-Bus von Intel direkt auf dem Prozessor. Auch dies ein deutliches Zeichen, dass die vorher auf das Workstation-Terrain ausgegrenzte Szene den PC- Markt im Fadenkreuz hat.

Endlich konnte DEC mit Mitsubishi auch einen zweiten Lizenznehmer zur Produktion des Alpha-Chips praesentieren. Allerdings scheint es so, dass die Japaner nicht vor dem kommenden oder gar erst uebernaechsten Jahr die Produktion aufnehmen koennen.

Gegen einen explosionsartigen Erfolg der Alpha-Architektur spricht auch, dass sich bislang keiner der weltweit bedeutenden PC- Systemhersteller oeffentlich fuer DECs Prozessor ausgesprochen hat. Einen Imageschub allerdings konnte die Robert-Palmer-Company mit der Verpflichtung des deutschen Massenvertreibers Vobis erzielen.

Wichtig fuer DECs Zukunft duerfte zudem sein, wie schnell die Alpha- Applikationsbasis fuer NT und Unix ausgebaut werden kann. Momentan sind insgesamt ueber 4000 Anwendungen fuer Alpha verfuegbar.

(wird fortgesetzt)