Die kleinen Wettbewerber der Telekom sind in Nöten

Debitel-Übernahme läutet Marktkonsolidierung ein

16.07.1999
MÜNCHEN (CW) - Die seit längerem erwartete Bereinigung im deutschen TK-Markt hat begonnen - allerdings anders, als allgemein erwartet. Die Swisscom AG übernimmt mehrheitlich die Debitel AG, obwohl dem Stuttgarter Mobilfunk-Provider bis zuletzt selbst Akquisitionspläne nachgesagt wurden. Für die Debitel-Muttergesellschaften Daimler-Chrysler Services (Debis) und Metro bedeutet dies im Prinzip den Rückzug aus dem TK-Geschäft. Eine weitere Konsolidierung des Marktes scheint nur eine Frage der Zeit.

Kaum sechs Monate ist es her, als Debitel-Vorstandschef Joachim Dreyer im Zuge des Börsengangs seiner Company mit einer entsprechenden "Wachstumsstory" aufwartete. Von einer Reihe von Akquisitionen war da die Rede und vor allem davon, durch Zukäufe im Festnetz auf täglich 15 Millionen und mehr vermittelte Gesprächsminuten zu wachsen. Jetzt mußte Dreyer gute Miene zum bösen Spiel machen: Durch den neuen Mehrheitsgesellschafter Swisscom biete sich den eigenen Aktionären eine "große Chance"; man habe jetzt Zugang zu "innovativen Produkten und zum Festnetz", erklärte der Frontmann des Mobilfunk-Providers in Zürich bei der Bekanntgabe des Mergers vor der Presse. Für umgerechnet 3,2 Milliarden Mark übernimmt der Schweizer Carrier 58 Prozent der Debitel-Anteile. Akzeptieren die freien Aktionäre (rund 22 Prozent) die Swisscom-Offerte von 32 Euro je Anteilschein, erhöht sich der Kaufpreis auf 4,2 Miliarden Mark. Die bisherigen Hauptaktionäre Daimler-Chrysler Services (Debis) und Metro trennen sich im Gegenzug von 32,4 beziehungsweise 25,8 Prozent ihrer Anteile. Beide Ex-Mutterkonzerne wollen zunächst noch rund zehn Prozent des Debitel-Kapitals behalten. Daimler-Chrysler hat jedoch bereits angekündigt, seinen Restanteil binnen zwei Jahren ebenfalls an Swisscom zu veräußern; vom Kölner Handelsriesen wird ein ähnlicher Schritt erwartet.

Daß sich in Zürich beide Seiten als "Wunschkandidaten" feierten, ist nach Auffassung von Experten berechtigt. Denn trotz der Tatsache, daß der nach der Otelo-Übernahme durch Mannesmann Arcor zweite spektakuläre Deal im deutschen TK-Markt die meisten Branchenbeobachter überraschte, kommen hier die vielzitierten Synergieeffekte zum Tragen: Die fast ausschließlich im (europäischen) Mobilfunkgeschäft tätige Debitel bekommt Zugang zum Festnetz-Know-how von Swisscom, die Eidgenossen ihrerseits profitieren von den Stärken der Daimler-Metro-Tochter in Sachen Kundenbindung sowie Dienstleistungen und verbessern ihr Standing im Mobilfunk. Ein Szenario also, von dem viele der Debitel-Konkurrenten derzeit träumen, denn im Kampf der Telekom-Wettbewerber untereinander ist längst ein Hauen und Stechen im Gang. Die anstehenden Investitionen seien "zu hoch" gewesen, lautete denn auch die lapidare Begründung von Debis für den Verkauf der eigenen "TK-Perle" (zuletzt 2,9 Milliarden Mark Umsatz, 2,3 Millionen Kunden). Anders formuliert: Die zu erwartende Rendite war den Daimler-Chrysler-Managern um Debis-Chef Klaus Mangold zu gering gewesen.

Noch Anfang dieses Jahres wurden die Verantwortlichen von Telepassport, Talkline, Teldafax & Co. als die "jungen Wilden" der deutschen TK-Szene gefeiert. Erst recht der umtriebige Mobilcom-Chef Gerhard Schmid, der mit seinem Unternehmen zeitweise sogar etablierte Namen unter den neuen Wettbewerbern wie Arcor und Otelo im Regen hinter sich gelassen hatte. Doch seit die Telekom im Januar ihre Tarife für Ferngespräche um bis zu 50 Prozent gesenkt hat, sind die Margen knapp geworden. Vor allem im launischen Call-by-Call-Geschäft, wo jegliche sichere Planungsgrundlage fehlt. Bei immer noch sinkenden Minutenpreisen wird dort längst um jeden Pfennig bei den internen Kosten gefeilscht - unabhängig davon, daß nach jüngsten Erhebungen der Regulierungsbehörde die Telekom-Konkurrenten ihren Marktanteil im Festnetz im ersten Halbjahr 1999 auf 14 Prozent steigern konnten. Viele der Newcomer wirtschaften derzeit jedoch unter der Rentabilitätsgrenze und kämpfen ums nackte Überleben.

Ferngespräche über angemietete Telekom-Leitung zu Billigtarifen anzubieten war seit Anfang 1998 das Erfolgsgeheimnis vieler Senkrechtstarter im deutschen TK-Markt gewesen. Doch die "Kinder der Revolution" werden nun, wie der Bonner Berater und Szenekenner Bernd Jäger betont, "selbst gefressen". Angesichts des schon erreichten niedrigen Preisniveaus, aber auch verstärkter Marketing-Bemühungen des Ex-Monopolisten Telekom ist diese Business-Strategie nicht mehr wirtschaftlich. Alternative Geschäftszweige wie das lukrativere Preselection-Verfahren und/oder eine nennenswerte Zahl von Firmenkunden sind aber bei den meisten der kleinen Telekom-Herausforderer Fehlanzeige. Schwarze Zahlen könnten nur noch Gesellschaften mit eigenem Netz sowie einem Gesprächsvolumen von mindestens 15 Millionen Minuten pro Tag erzielen, meinen jedoch Experten wie Jäger.

Zwang zur Größe scheint also offenkundig, erst recht, wenn man den technisch und finanziell aufwendigen Markteintritt ins Ortsnetzgeschaft finanzieren will. Eine Ausgangssitiution, in der, wie Arcor-Marketing-Vorstand Elmar Hülsmann es formuliert, derzeit wieder einmal "jeder mit jedem" spricht. Seine Company hat sich Mitte April durch den Otelo-Kauf vom Rest der Wettbewerber abgesetzt und ist nun zum einzig großen Konkurrenten der Telekom aufgestiegen. Ein Deal übrigens, den auch Gerhard Schmid gerne gemacht hätte. Seit Wochen wird der Chef der im norddeutschen Schleswig ansässigen Telefongesellschaft nicht müde zu behaupten, er habe kein Interesse "am Kauf zusätzlicher Gesprächsminuten". Doch genau das, und die Investition in eigene Netzinfrastruktur, muß seine Devise sein. Derzeit scheint Mobilcom in einer ausweglosen Situation: Zu groß und zu teuer, um gekauft zu werden, zu klein und damit (ohne weitere Kapitalerhöhung) nicht finanzkräftig genug, um selbst eine spektakuläre Übernahme zu stemmen.

Vor einigen Wochen formulierte Schmid deshalb eine Art Ausweichstrategie. "Die Zukunft der Telefongesellschaften ist das Internet", hieß es auf einer Pressekonferenz des Unternehmens, in der der Wandel der Mobilcom AG zum großen Player im Web-Business proklamiert wurde. Mittlerweile ließ der Mobilcom-Chef seinen Worten weitere Taten folgen und kündigte den Aufbau eines eigenen integrierten Sprach-Daten-Netzes an. Kein geringerer als der Router- und IP-Gigant Cisco Systems soll den Mobilcom-Technikern dabei helfen. Doch die Marktmacht der Telekom ist hier erdrückend; viele der Newcomer fangen im Cyberspace bei Null an.

Kein Wunder also, daß entsprechendes Branchengeflüster in den vergangenen Wochen Hochkonjunktur hatte. Immer wieder wird Mobilcom eine Liaison mit Viag Interkom vorhergesagt, umgekehrt könnte aber auch Arcor - sollte der Kurs der Mobilcom-Aktie fallen und damit der Preis stimmen - Appettit auf eine Übernahme von Gerhard Schmids Company haben. Geraume Zeit wurde auch über eine Fusion von Debitel und Teldafax spekuliert, doch das ist nun bekanntlich obsolet. Teldafax wurde und wird wiederum ein Techtelmechtel mit Mobilcom nachgesagt, und beim Elmshorner Anbieter Talkline, einer Tochter des dänischen Netzbetreibers Tele Danmark, hat man nach dem Rausschmiß von Geschäftsführer Dirk Reupke und monatelangen Querelen mit der Muttergesellschaft ohnehin andere Sorgen. Die in Erfurt ansässige Telepassport Service GmbH schließlich hat ihren ursprünglich für Juli vorgesehenen Börsengang bis auf weiteres verschoben.

Immer mehr Marktkenner befürchten deshalb für den deutschen TK-Markt eine Entwicklung hin zu einem Oligopol, bei dem letztlich nur eine Handvoll Anbieter übrigbleiben werden.