DDR-DV: Auf Treu und IBM-Glauben

13.07.1990

Das Kombinat Datenverarbeitung, tragende Säule der kommunalen und betrieblichen DV in der Noch-DDR, wird in seine Einzelteile zerlegt. Aus den bisher volkseigenen Datenverarbeitungszentren (DVZ) der 15 Bezirke sollen unabhängige Rechenzentren in der Unternehmensform der GmbH werden - Marktorientierung ist angesagt. Bis zum 30. September 1990 muß der Umgründungsprozeß abgeschlossen sein. Was in den DVZ derzeit passiert, kommt einer Demontage gleich. Da sie bisher für Volkseigene Betriebe gearbeitet haben, ist absehbar, daß die Kundenstruktur zusammenbricht. In dieser Situation sind Kooperationen mit westlichen Herstellern, denen es vornehmlich um die Besetzung von Vertriebsstützpunkten geht, wenig hilfreich.

Es wäre wichtig, daß die DVZ eine Strategie entwickeln, wie sie ihr zweifellos vorhandenes Anwendungs-Know-how unter den veränderten Bedingungen am wirkungsvollsten einsetzen können. Das klingt leicht und ist schwer, weil zwei Faktoren dagegenstehen: die Marketingpläne der Computerhersteller und die Karrierepläne der eigenen Mitarbeiter. Über die DV-Fachkräfte in der Noch-DDR mehr in den kommenden CW-Ausgaben; hier wollen wir uns mit den DV-Anbietern beschäftigen.

Die IBM Deutschland GmbH beweist es wieder einmal: Wasser predigen und Wein trinken, das ist die hohe Kunst der DV-Marketiers. Noch auf der CeBIT '90 hatte der Mainframe-Monopolist erklärt, der Vertrieb von IBM-Produkten in der DDR über eine eigene Sales-Organisation sei vorerst nicht beabsichtigt. Die DVZ sahen darin ein Signal, Vertriebskooperationen mit der IBM einzugehen, eröffnete sich damit doch die Chance, mit den neugegründeten Mittelstandsbetrieben in der DDR ins Geschäft zu kommen. Daß Big Blue jetzt ein Büro in der DDR eröffnet hat (Seite 1: "IBM gründet Tochter in Dresden"), trifft sie deshalb besonders hart. So naiv, das altruistische Gehabe der IBM für bare Münze zu nehmen, sind sie nicht mehr. So unabhängig, darauf pfeifen zu können, sind sie noch nicht - bleibt ein flaues Gefühl im Magen.

Da gibt es noch eine andere Sache, die den DVZ-Leitern Sorgen macht: Wer wird in den künftigen Kapitalgesellschaften das Sagen haben? Die DVZ stehen, wie alle anderen ehemaligen Volkseigenen Betriebe, unter dem Patronat der Treuhandanstalt in Ost-Berlin. Chef der Anstalt wird der einstige IBM-Manager Reiner Maria Gohlke, Vorstandsvorsitzender der Bundesbahn. In den Aufsichtsrat zieht IBM-Chef Hans-Olaf Henkel ein. Die Frage muß erlaubt sein, ob Gohlke und Henkel die Interessen der Treuhandanstalt von denen der IBM trennen können. Die Treuhand entscheidet, mit wem überlebensfähige DDR-Firmen kooperieren können. Vermutlich stehen die DVZ-Leiter bereits vor dem IBM-Büro in Dresden Schlange.