Kein Wort über Btx in der Eröffnungsrede Schwarz-Schillings zur Telematica, aber:

DBP geht in Sachen ISDN langsam ins Detail

27.06.1986

STUTTGART (CW) - Während das Thema Btx die Telematica vor zwei Jahren beherrschte, konzentrierte sich das Interesse vieler Besucher bei der diesjährigen Stuttgarter Fachmesse auf Hörfunk und Kabelfernsehen. Für die DV-Fachwelt dürfte der Kongreßteil "Integrierte Telekommunikation" der Hauptgrund für die Anreise in die baden-württembergische Hauptstadt gewesen sein: Die Veranstaltungen zum Thema ISDN und Datenkommunikation zumindest waren gut besucht.

Die Digitalisierung des Telefonnetzes als Basis für die weitere Entwicklung der Individualkommunikationsnetze schreite zügig voran, sagte der Postminister Schwarz-Schilling bei der Eröffnungsrede. Derzeit seien bereits 16 digitale Vermittlungsstellen in Betrieb. Bis Ende des Jahres sollen es 50 Vermittlungsstellen mit 330 000 digitalen Fernleitungsanschlüssen beziehungsweise 150 000 Teilnehmeranschlüssen sein. Auch von der ökonomischen Seite her hätten sich die Erwartungen erfüllt: Zwei Jahre nach der Systemeinführung seien die Preise für digitale Fernvermittlungsstellen auf 30 bis 40 Prozent der herkömmlichen Technik gefallen und für die Ortsvermittlungstechnik stände eine Senkung der Preise unter die der elektromechanischen Systeme bevor.

In einer Reihe von Vorträgen referierten Mitarbeiter des Fernmeldetechnischen Zentralamtes und des Bundespostministeriums über das diensteintegrierende Netz der DBP und gaben die neuesten Daten bekannt. Die Kongreßteilnehmer erhielten unter anderem Einblick in den Ausbau des ISDN-Netzes der DBP in den Jahren 1988 bis 1993, den Teilnehmeranschluß bei 64 KBit je Sekunde, das ISDN-Pilotprojekt sowie die Implementierung von ISDN-Leistungsmerkmalen in die bestehende digitale Infrastruktur der DBP.

Das ISDN-Teilnetz 1989 wird aus 104 Teilnehmervermittlungsstellen (TVSt) in 69 Ortsnetzen (ON) und 62 Fernvermittlungsstellen (FVSt) mit in der Regel je einer Vermittlungseinheit (ISDN) bestehen. Diese Angaben machte Reiner Kostka, Mitarbeiter beim FTZ, in seinem Vortrag. Das Teilnehmeranschlußpotential dieser Ortsnetze werde 1994 zirka 40 Prozent oder 11 Millionen des gesamten Hauptanschlußbestandes umfassen. Dieses Potential werde sich durch den Regelausbau des Netzes bis 1993 auf 55 Prozent oder 17 Millionen erhöhen.

In seinem Referat über den Ausbau des ISDN-Netzes erläuterte Kostka auch Realisierungsmöglichkeiten der Fremdanschaltung von ISDN-Teilnehmern im gemischten Netz EMD/DIV (Edelmetall-Drehwähltechnik/Digitale Vermittlungstechnik).

Aufgrund der gültigen Ausbauplanung im Bereich der Vermittlungstechnik sollen laut Peter Kahl, ebenfalls FTZ-Mitarbeiter, 1989 zirka 123 neue Orts- und Fernvermittlungsstellen eingerichtet werden. Für das Ende des Jahres 1989 rechnet die DBP mit einer Kapazität von etwa 60 000 bis 70 000 ISDN-Teilnehmern.

Nach den derzeit gültigen Strukturplänen sollen alle FVSt etwa im Jahr 2000 und alle Teilnehmervermittlungsstellen etwa im Jahr 2020 digitalisiert sein. Fünf Jahre nach Einführung des ISDN, also 1993, werde in etwa 180 der insgesamt 500 Fernvermittlungsstellen und in rund 600 der insgesamt 6200 Teilnehmervermittlungsstellen digitale Vermittlungstechnik zur Anschaltung von ISDN-Teilnehmern anzutreffen sein.

Im einzelnen sieht das ISDN-Dienstekonzept nach den Ausführungen von Karl Heinz Rosenbrock (DPB) folgende Einführungszeitpunkte der 64-KBit/s-Dienste vor:

- ab 1988: Fernsprechen bisheriger Bandbreite, Datenübermittlung (leitungsvermittelt), Teletex, Telefax, Bildschirmtext (bisheriger Standard), Zugang zu Datex-P;

- ab 1990: Fernsprechen mit 7 KHz Bandbreite, Datenkommunikation, Fernwirken*,

Bilddienste*, Text- und Bildübermittlung* (Textfax), Sprache- und Bildübermittlung* (Bildfernsprechen);

- 1991 bis 1993: Datenübermittlung (paketorientiert);

- 1993: Bildschirmtext* (neuer Standard).

(Bei den mit einem * versehenen Diensten handele es sich bei den Terminangaben um derzeitige Zielvorstellungen, deren Verwirklichung durch entsprechende Untersuchungen noch zu untermauern sein werde).

Des weiteren ging Rosenbrock auf das Thema Endgeräte im ISDN ein. So habe die DBP drei verschiedene Endgeräteanpassungen für die So Schnittstelle des ISDN-Basisanschlusses vorgesehen:

- TA (a/b) zum Anschluß von Faksimile-Geräten oder von Datenendeinrichtungen mit Modems;

- TA X.21 für das Anschalten von Endgeräten des Datex-L-Netzes;

- die Entwicklung einer Endgeräteanpassung TA X.25 für das Anschalten von Endgeräten des Datex-P-Netzes ist geplant.

Mit den Maßnahmen, die bis zur Inbetriebnahme der ersten Serienvermittlungsstellen mit ISDN-Leistungsmerkmalen ergriffen werden, beschäftigte sich der Beitrag des FTZ-Mitarbeiters Jürgen Haag. Eine Folge von Projekten, die aufeinander aufbauen, soll das Gelingen der ISDN-Einführung sicherstellen. Eine wesentliche Rolle spiele dabei die Kennzeichengabe. So sei die Zentralkanalzeichengabe (ZZK) unabdingbare Voraussetzung für die Diensteintegration. Ab August dieses Jahres beginnt der Testbetrieb der ZZK Nr. 7 vom CCITT.

Das Kernstück der Vorbereitung der ISDN-Einführung sind nach den Worten Haags die fünf Stufen des ISDN-Pilotprojektes, das Ende dieses Jahres gestartet wird.

Die Basis des Pilotprojektes Stufe 1 bis 4 bilden die beiden ISDN-Ortsvermittlungsstellen Stuttgart-Gablenberg (System 12) und Mannheim-Luisenpark (EWSD).

Die einzelnen Stufen haben folgende Erprobungen zum Inhalt:

Stufe 1:

Digitale Ortsvermittlungsstellen mit ISDN-Leistungsmerkmalen im Inselbetrieb. Basisanschlußmultiplexgerät und Basisanschlußkonzentrator sowie Endgeräte Terminaladapter und Netzabschluß der beiden Systemhersteller Siemens und SEL. Die Stufe 1 sei wesentliche Voraussetzung für das Gelingen des Wirkbetriebes. In der Ausbaustufe 1 wären ISDN-Verbindungen im Inselbetrieb möglich. Die Verbindung zur analogen Fernsprechumgebung sei jedoch bereits sichergestellt.

Stufe 2 bis 4:

Im wesentlichen Erprobung von Endgeräten, Nebenstellenanlagen und Terminaladaptern der anderen am Pilotprojekt beteiligten Hersteller in Zusammenarbeit mit den digitalen Ortsvermittlungsstellen der Stufe 1.

Die Stufe 5 des Pilotprojekts diene laut Haag der Erprobung der Zusammenarbeit der ISDN-Inseln miteinander, das heißt, im wesentlichen der Zentralkanalzeichengabe. In diesem Erprobungsabschnitt komme erstmals der Anwenderteil für ISDN (ISD-NUP) des ZGS Nr. 7 zum Einsatz. Damit der Fortgang der Erprobungen in den Stufen 2 und 4 nicht die Teststufe 5 behindere, würde für dieses System getrennt eine weitere ISDN-Ortsvermittlungsstelle am selben Ort aufgebaut. Außerdem komme noch digitale Fernvermittlungsstelle in Heilbronn (System 12) und Bruchsal (EWSD) mit ZGS Nr. 7 Komponenten für MTP und ISDNUP (ISDN User Part) hinzu.

Angaben zur Einbindung der heutigen Datenübermittlungsdienste in ISDN machte Ministerialrat Jürgen Bohm (DBP). Aus seinem Vortrag war zu erfahren, daß die leitungsvermittelte Datenübertragung sofort nach Bereitstellung der ersten Vermittlungsstellen in ISDN-Technik angeboten werden soll. Von Anfang an solle auch der Zugang zum Datex-P-Netz von einem Basisanschluß aus möglich sein. Das Datex-P-Netz werde parallel zum ISDN ausgebaut.

Zum Thema Breitband-ISDN erläuterte Peter Kahl vom FTZ, die DBP habe beschlossen, Ende 1987 das "Breitband-Vorläufernetz" einzuführen. Dieses gelte als Nachfolge beziehungsweise Substitut für das Videokonferenz- und das Bildfernsprech-Versuchsnetz. Es soll demnach die Möglichkeit der Teilnehmerselbstwahl und des Aufbaus von reservierten Verbindungen bereitstellen. In Abhängigkeit vom Fortschritt der internationalen Standardisierung dieses Netzes würde die Serieneinführung ab 1991 möglich werden.

Allerdings, so räumte Friedrich-Heinz Wichards vom Bundespostministerium ein, sei es mehr als unwahrscheinlich, daß alle Dienste der Breitband-Individualkommunikation bis etwa 1992 als voll durchstandardisierte Dienste weltweit oder auch nur europaweit angeboten werden könnten.

(Der Kongreßband "Integrierte Telekommunikation" kann über den Buchhandel oder direkt beim Verlag Reinhard Fischer in München für 65 Mark bezogen werden.)