DV-Kosten/Data-Warehouse unterstützt Handelsaktivitäten von 150000 Kunden

DB-Technologie unter Windows NT muß kein Vermögen kosten

23.10.1998

Um die Qualität der Dienstleistungen zu optimieren und Funktionen zu bündeln, wurde das strategische Projekt "RHG 2000" aufgelegt, in dessen Rahmen das Informationssystem "Isys" angesiedelt ist. Wie alle anderen Aktivitäten der RHG, dient auch dieses System dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft auf dem Weltmarkt zu sichern beziehungsweise anzustreben. Und dafür spielt der Witterungsverlauf in der norddeutschen Tiefebene eine genauso wichtige Rolle wie der Wechselkurs des Dollar oder die US-Anbaustatistik für Sojabohnen; die Versorgung der Landwirte mit Saatgut oder die Pflanzenschutzberatung entscheidet in gleichem Maße über den Erfolg wie die Ammoniaknotierungen an den Börsen in Fernost.

Steuerung des Einzelhandelsgeschäfts

Die Akteure der RHG müssen also die Sprache der Landwirte so gut beherrschen wie den Börsenjargon, auf individuelle Kundenbedürfnisse eingehen können und gleichzeitig den globalen Überblick bewahren. Dafür brauchen alle Mitarbeiter die bestmögliche IT-Unterstützung, von der Führungskraft, die verdichtete Informationen für strategische Entscheidungen benötigt, bis zum Händler oder Berater, der manchmal einen einzelnen Artikel verfolgen muß.

"Es geht darum, den Schritt vom Großhändler zur Steuerung des Einzelhandelsgeschäfts DV-technisch nachzuvollziehen." So umreißt Michael Offermann, Abteilungsdirektor DV, Organisation, Controlling, die Aufgabe. Und das bei weit über 300000 Artikeln und Daten aus 29 Konzernunternehmen mit über 200 Betriebsstätten.

Und aus der Sicht des Milestone-Geschäftsführers Heinz-Dieter Dietrich bestand die Herausforderung "in der Optimierung von Geschäftsprozessen. Dazu müssen wir den Kunden, egal welche Sprache er spricht, bestmöglich verstehen. Seine Zufriedenheit soll dadurch erreicht werden, daß ohne Umwege ein paßgenaues, individuelles Paket geschnürt wird."

Ziel der Manager ist die permanente Zusammenführung aller relevanten Daten in einem Data- Warehouse, das sich aus konsequent vereinheitlichten Informationsquellen speist. Dazu gehören das in Entwicklung befindliche Warenwirtschaftssystem, die SAP-Daten aus der Finanzbuchhaltung, die Marktdaten etwa von Reuters und das Personalinformationssystem. Oberhalb der Data-Warehouse-Ebene sollen sich die Informationen in den Sparteninformationssystemen zu standardisierten Grundsichten verdichten.

Gesucht wurde eine Technologie, die dafür optimal geeignet und gleichzeitig in der Lage sein sollte, unter den heutigen Bedingungen bereits ausreichend schnell zu arbeiten, also mit nicht weniger als 40 verschiedenen Datenquellen aus praktisch jeder DV-Generation der letzten 30 Jahre und vielen spartenbezogenen DV-Verfahren.

Auf der Anwendungsseite ist eine flexible Sicht auf die Daten wichtig, denn die Informationen werden über verschiedene Abfrage- und Standard-Reporting-Tools einer breiten Auswahl von Nutzern zur Verfügung gestellt. Im Hause spricht man von einem Demokratisierungsprozeß im Hinblick auf den Zugang zu Daten: Jeder, an dessen Arbeitsplatz ein Computer steht, soll künftig die Informationen erhalten, die er benötigt.

Performance unter Windows NT

Nachdem die Entscheidung für ein Data-Warehouse gefallen war, dauerte es nur wenige Wochen, bis für die Verantwortlichen feststand, daß "Sybase Adaptive Server IQ" als Grundlage für das System dienen sollte. "Für uns war entscheidend, daß diese Technologie nicht nur auf Unix-Systemen hohe Leistungen bietet, sondern auch unter NT performant läuft", meint Offermann. Nicht nur, daß kostspieligere Hardware-Anforderungen erheblichen internen Argumentationsnotstand verursacht hätten. Diese für Data-Warehouse-Lösungen entwickelte Datenbanktechnologie gilt mit ihrer plattformübergreifenden Integrationsfähigkeit auch als Antwort auf die noch bestehende enorme Systemvielfalt in der RHG. Und unter NT bietet sie die Voraussetzungen für eine größere Homogenität und das ohne größere Investitionen.

Wo andere mit aufgeblähten IT-Budgets klotzen, muß die RHG Nord mit geringeren Mitteln also noch lange nicht kleckern. Denn mit Kreativität und der richtigen Technologie finden sich Lösungen. Das dezentrale Ackerbausystem auf Sybase "SQL Anywhere", sein neuer Name lautet "Adaptive Server Anywhere", benötigt zum Beispiel vergleichsweise wenig Speicherplatz und macht den Laptop des Außendienstlers zur leistungsstarken Datenbankmaschine.

Das bestehende Warenwirtschaftssystem setzt auf einer Oracle-Datenbank auf; aber, so Offermann, "auch hier überlegen wir, auf ein passenderes Produkt umzustellen, weil der Administrationsaufwand geringer wäre und wir dann die Daten problemlos auf lokale und mobile Systeme replizieren können."

Entwicklungsansatz spielt eine wichtige Rolle

Gebaut wird das neue Warenwirtschaftssystem mit "Power Builder", wegen der aus Sicht der RHG guten Vererbungsmechanismen, der hohen Stabilität und - auch hier bleibt das Budget im Blick - der vielen Zusatz-Tools, die keine weiteren Lizenzkosten für jeden einzelnen Arbeitsplatz nach sich ziehen. Bei rund 2000 späteren Anwendern ist dies keine Nebensache.

Überhaupt spielt der Entwicklungsansatz eine wichtige Rolle bei der Kostenstrategie der RHG Nord, wie Offermann weiter erläutert. Schließlich sind zur Betreuung der teilweise pflegeintensiven Altsysteme interne Entwicklerressourcen vorhanden, und diese Mitarbeiter kennen die Bedürfnisse der Anwender und des Unternehmens sehr genau. "Wenn wir diese Ressourcen optimal einsetzen wollen, brauchen wir nutzerfreundliche Entwicklungs-Tools und an unsere Bedürfnisse angepaßtes Training durch externe Know-how-Träger. In unserem Beratungshaus haben wir einen Partner gefunden, der unseren Learning-by-doing-Ansatz entsprechend unterstützt." So werden zwei interne Entwickler durch einen Coach angeleitet, das Data-Warehouse zu bauen.

Für den Baustoff-Fachhandel ist das System derzeit in der praktischen Erprobung. Auf der grafischen Oberfläche von Isys stellen die Nutzer die Dimensionen, Abfragekriterien und Datenarten wie mit einem Baukasten zusammen. Dimensionen können dabei zum Beispiel "Artikel", "Kunde" oder "Zeit" sein, Datenarten wären etwa "Umsatz" oder "Gewinne".

Ein Klick - und wenige Sekunden später liegen die Informationen in der gewünschten Struktur vor. Sie können in Excel importiert werden und lassen sich dann beliebig weiterverarbeiten. Standardisierte Grundauswertungen werden visualisiert und dienen als Ausgangspunkt, um höher zu verdichten, genauer ins Detail zu gehen oder quer durch die Daten zu stöbern.

Der Nutzer kann mit normalen Bürokommunikationswerkzeugen auf das Data-Warehouse zugreifen, um seine eigenen Sichten zu bilden, zum Beispiel bezogen auf Kunden, Profit Center, Artikel, Regionen etc.

Bewußt hat man auf aufwendige grafische Präsentations-Tools verzichtet, da die komplexen Sachverhalte sich ohnehin nicht auf ein Tortendiagramm reduzieren lassen.

Wichtiger ist es zum Beispiel, daß bei Monatsvergleichen über die Jahre die witterungsbedingten Verschiebungen der Pflanz- oder Erntesaison automatisch berücksichtigt und die Ergebnisse um die entsprechenden Effekte bereinigt werden.

Zwischenlagerung und Vorverdichtung

Von der Beschickungsseite her dient der "Catalog Server" des Adaptive Server IQ als Operational Data Store. Die Rohdaten gelangen zunächst in dieses "Zwischenlager", wo das System mittels Stored Procedures beispielsweise den Bruttowarengewinn ermittelt oder Aggregattabellen anlegt, bevor die aufbereiteten Informationen das Data-Warehouse betreten dürfen.

Als Besonderheit enthalten die in der Abfrageapplikation sichtbaren Dimensionstabellen gar keine Daten, sondern dienen nur als Stellvertreter. Spricht der Nutzer diesen Platzhalter an, so werden die entsprechenden SQL-Prozeduren dynamisch pro Hierarchiestufe ausgetauscht und dann ausgeführt. Änderungen in der Dimensionalität der Fakten sind also sofort wirksam und erfordern keinen Neuaufbau der Dimensionstabellen. In der gegenwärtigen Ausbaustufe enthält das Data-Warehouse zirka vier Millionen Datensätze, die rund 4 GB belegen, wobei fast jede Spalte mehrfach indiziert ist. Dadurch optimiert das nicht nur die gewünschten Antwortzeiten, sondern senkt auch die operativen Kosten des Data-Warehouse spürbar. Denn die bei dieser Datenbank verwendete Indizierungstechnik vermindert die Zahl der erforderlichen physikalischen Zugriffe auf die Platten (I/O) radikal, die in hohem Maße die Kosten beeinflussen.

Wichtig für die Entscheidung der RHG Nord war auch die Skalierbarkeit der Lösung. Man muß nicht erst das komplette System bauen, bevor die einzelnen Spartenlösungen mit der geforderten Performanz nutzbar sind. Das neue Warenwirtschaftssystem kann parallel entwickelt werden. Und auch, wenn Datamining noch kein aktuelles Thema ist, weiß Offermann doch, daß der Appetit beim Essen kommt, "und wenn unsere Nutzer erst auf den Geschmack gekommen sind, können wir diese gestiegenen Ansprüche mit der heute implementierten Technik bestens befriedigen."

ANGEKLICKT

Data-Warehouse wird häufig mit hohen Kosten assoziiert: aufwendige Hardware-Investitionen, ausufernde Projekte. Daß man auch mit kleineren Budgets ökonomische Lösungen realisieren kann, bewies die Raiffeisen Hauptgenossenschaft Nord AG mit einem Data-Warehouse unter Windows NT, und das trotz einer komplexen Unternehmens- und Leistungsstruktur sowie hoher Anforderungen und vieler späterer Nutzer. Datenbanktechnologie von Sybase und Coaching durch das System- und Beratungshaus Milestone ermöglichten die Nutzung eigener Entwicklerressourcen. Die Performance der Teilausbaustufen war während der Bauphase gewährleistet.

Das Unternehmen

Die RHG Nord ist ein Dienstleister. Sie beschäftigt mit Tochter- und Beteiligungsunternehmen knapp 3000 Mitarbeiter. Das Spektrum der Dienstleistungen reicht von der Versorgung mit Bezugsartikeln des Landwirts über die Landtechnik, den Brenn- und Baustoffhandel bis zur Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse. In vier Bundesländern werden rund 150000 Kunden betreut, davon 40000 landwirtschaftliche Betriebe.

IT-Ziele

Informationen zur Geschäftssteuerung

- Kontinuierlicher Zugriff auf Konzernkennzahlen

- Leistungsrechnung und Benchmarking

- Bessere Vertriebssteuerung (Steuer- und Regelkreis)

- Selbststeuerung durch Planung, Kontakt-Management und leistungsorientierte Bezahlung

- Besseres Lieferanten-Management

- Jeder soll die Information am Arbeitsplatz erhalten, die er für seine Tätigkeit benötigt

- Information für Verantwortungsbereiche

- Informationen beim Sachbearbeiter

- Kunde, Lieferant und Ware im "Griff" beziehungsweise im Überblick

- Standardauswertungen durch Standardsysteme

- Individualauswertungen (der Fachabteilungen mit Office-Produkten)

- Kostensenkung für Offene-Posten-Zugriffe?

Quelle: RCG

Konfiguration

Data-Warehouse:

Sybase Adaptive Server IQ unter Windows NT, 2 CPUs, 100 GB Festplatte, 1 GB RAM

Informationssysteme:

Sybase Adaptive Server Anywhere oder Online, Power Builder Tools

Mobiler Einsatz:

Notebooks mit Lotus Notes oder Adaptive Server Anywhere

Rolf Bastian ist freier Journalist in Mainz.