Umbau zum Software- und Servicehaus ist in vollem Gange

Datev scheitert erneut knapp an der Umsatzmilliarde

10.07.1998

Die Umsatzmilliarde ist der Datev auch 1997 verwehrt geblieben. Dennoch ist Vorstandschef Dieter Kempf überzeugt davon, daß sein Unternehmen im Jahr 2000 das schon seit einigen Jahren angepeilte Ziel schafft. "Bevor wir auf den Euro umstellen, und das wird voraussichtlich zum 1. Januar 2001 sein, werden wir die Milliarde gepackt haben", blickte er bei der Vorlage der Bilanz 1997 in Nürnberg optimistisch in die Zukunft. Und auch mit dem zurückliegenden Geschäftsjahr zeigte er sich trotz eines leichten Umsatzrückgangs auf 977,7 (Vorjahr: 989,4) Millionen Mark zufrieden. Es sei gelungen, die sich aufgrund des verstärkten PC-Einsatzes in den Steuerkanzleien ergebenden Nachfrageverschiebungen nach Rechenzentrumsprogrammen zu kompensieren.

Insgesamt sind die Einnahmen aus den RZ-Leistungen Kempf zufolge um rund 50 Millionen Mark gesunken, was den Anteil am Gesamtumsatz auf 68 Prozent reduzierte. Dies aber habe man durch verstärkte PC-Software- und Service-Erlöse ausgleichen können. "Ohne den Wegfall der Vermögenssteuer und ohne die immer noch spürbaren Nachwirkungen der vor zwei Jahren eingeführten neuen Preisstruktur bei PC-Software, sprich: Umstellung auf monatliche Lizenzgebühren, hätten wir sogar den Umsatz leicht steigern können", hob der Datev-Chef hervor.

Auch im laufenden Jahr rechnen die Nürnberger mit sinkenden Einnahmen aus ihrem angestammten RZ-Geschäft. Laut Kempf werden diese noch einmal um mehr als 72 Millionen Mark zurückgehen, was man aber ebenfalls durch höhere Software-, Service- und Beratungseinnahmen werde ausgleichen können: "Wir haben den massiven Strukturwandel vom RZ- hin zum Software- und Service-Dienstleister bislang gut gemeistert, und dies wird uns auch in den nächsten Jahren gelingen." Kempf geht davon aus, daß sich der Datev-Gesamtumsatz in drei Jahren je zur Hälfte aus RZ-Leistungen und aus Software- und Service-Aktivitäten ergeben wird. Freuen können sich auch die angeschlossenen Mitglieder, deren Zahl sich 1997 auf 36189 (Vorjahr: 35530) steigerte. Obwohl die Datev beim Geschäftsergebnis vor Steuern und Rückvergütung ebenfalls Einbußen hinnehmen mußte - nach 73 Millionen Mark im Vorjahr wurden 1997 nur noch 63 Millionen erzielt - erhalten die Mitglieder eine genossenschaftliche Rückvergütung in der neuen Rekordhöhe von 58,5 (54,3) Millionen Mark. Zusammen mit dem RZ-Bonus von 28 (33) Millionen fließen ihnen damit insgesamt 86,5 (87,5) Millionen Mark zu.

Mit Skepsis betrachtet die steuerberatende Zunft allerdings den Drang ihres Dienstleisters, nun auch die Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer für sich zu gewinnen. Schon vor zwei Jahren hatte Kempf in Aussicht gestellt, daß die Datev ihr Lösungs- und Service-Angebot angesichts der wachsenden Zahl an Sozietäten für diese drei Berufsgruppen jeweils spezifisch ausrichten würde. Einen ersten Schritt haben die Franken im Dezember 1997 getan, indem sie über einen Erwerbstreuhänder die Hamburger MCT GmbH übernommen haben. Die Softwareschmiede ist auf Lösungen für Rechtsanwälte spezialisiert und zählt mit einem Umsatz von drei Millionen Mark in Deutschland zu den fünf größten Anbietern in diesem Segement. "Den interprofessionellen Kanzleien gehört die Zukunft", betonte Kempf, "diese Kunden wollen wir erobern." In 160 Pilotkanzleien wird seit kurzem das Windows-basierende MCT-Programm "Phantasy" getestet, das mit Schnittstellen zu den Datev-Programmen ausgerüstet ist.

Auch internationale Kooperationen stehen weiter auf dem Programm der Nürnberger. Während zwischen der Datev und einem japanischen Pendant bereits ein reger Erfahrungsaustausch besteht, sollen nun ähnliche Partnerschaften auch in Tschechien und Polen aufgebaut werden. Selbst die USA hat Kempf noch nicht abgeschrieben. Dort hatte man bereits vor zwei Jahren mit ADP einen vielversprechenden Partner im Visier. Doch dann haben sich die US-Amerikaner bekanntlich für den Kauf des Datev-Wettbewerbers Taylorix entschieden.

War für die Datev die Umstellung ihrer Programme auf Windows 95 in der jüngsten Vergangenheit einer der größten Kraftakte (in der zweiten Jahreshälfte kommt dieser nun auf die angeschlossenen Steuerberater zu), so gilt nun sowohl für die Nürnberger selbst als auch für deren Mitglieder die Euro-Umstellung als nächste große Herausforderung. Zum Jahreswechsel, so Kempf, seien alle Datev-Programme Euro-fähig. Ab dem 1. Januar 1999 könnten damit alle Geschäftsvorfälle wahlweise in Mark oder in der neuen Währung abgerechnet werden. Damit die Steuerberater ihre Mandanten entsprechend beraten können, haben die Nürnberger im vergangenen Jahr zudem ein Euro-Beratungs- und -Informationsprogramm aufgelegt. Gerade von diesem Consulting-Angebot erwartet man sich einen zusätzlichen Umsatzschub. Allerdings könnten auch Engpässe auftreten, erklärte der Datev-Chef. So sei damit zu rechnen, daß ein Teil der Datev-Kunden aufgrund der Entscheidungen ihrer Mandanten plötzlich doch noch zum kommenden Jahreswechsel die Euro-Einführung vornehmen müsse. Deshalb sei werde es möglicherweise im vierten Quartal 1998 zu einem "enormen Beratungsstau" kommen.

Beate Kneuse ist freie Journalistin in München.