Datev-Anschluß mit Magnetplattensystem:Qualifizierter Rechnerverbund für Steuerberater

04.09.1981

Achim B. aus Filderstadt bei Stuttgart war der erste bundesrepublikanische Steuerberater, der für ein Mehrplatz-Magnetplattensystem (MAI 730) einen Datev-Anschluß realisierte. Dieser qualifizierte Rechnerverbund versetzte ihn und inzwischen weitere 14 Anwender in die Lage, sowohl die Vorteile eines Großrechenzentrums als auch die eines eigenen Computers zu nutzen.

Die DV-Arbeitsteilung zwischen eigenem Rechner und Großrechenzentrum kann individuell organisiert werden. Normalerweise verläuft der Trennstrich so, daß die "stapelfähigen" Massendaten im Großrechenzentrum verarbeitet werden und der eigene Computer primär für Dialoganwendungen sowie für die Kanzleiverwaltung genutzt wird. Damit unterscheidet sich die dem qualifizierten Rechnerverbund zugrunde liegende DV-Konzeption von der bisherigen "Entweder-Oder-Philosophie" beziehungsweise einer Verbundlösung mit Kleinrechnern. Bei der Arbeitsteilung im "Verbund" mit einem Großrechenzentrum kommt die hauseigene Hardware nicht über die Rolle von intelligenten Datenerfassungs- und -endgeräten hinaus, die nur sehr beschränkt Basisdatenverarbeitung betreiben können. Auf der anderen Seite stehen die "Stand-alone"-Anwender, die auch die Massendaten selbst verarbeiten.

Die Leistungsexplosion bei den Magnetplattensystemen ermöglicht flächendeckende hauseigene DV-Lösungen. Auch das Angebot an Standardsoftware für Steuerberater ist entsprechend gewachsen. Es sind also in erster Linie wirtschaftliche Überlegungen, die dem Rechnerverbund das Wort reden. Leo Schleupen, Chef des gleichnamigen Softwarehauses, das die einschlägigen MAI-Programme produziert, erläuterte der CW, warum MAI die hard- und softwareseitigen Voraussetzungen für den Datev-Anschluß geschaffen hat: "Bei Steuerberatern mit einem eigenen Computer beansprucht vor allem die Vollausdruck-Finanzbuchhaltung viel Systemzeit für den Output. Das reduziert den Gesamtdurchsatz. Wenn trotzdem die Massendaten "inhouse" verarbeitet werden sollen, muß die Anlage entsprechend ausgelegt werden. Ein Großrechenzentrum hat da einfach Kostenvorteile."

Dieser Ansicht ist auch Achim B. Er läßt seit Ende 1975, dem Zeitpunkt, wo er sich selbständig machte, bei der Datev datenverarbeiten. Trotzdem schaffte er sich im Sommer 1979 ein Magnetplattensystem von MAI an. Er hatte dafür mehrere Gründe:

1. Der interaktive Aspekt:

Steuerbevollmächtigter B., der schon seit rund zwölf Jahren die DV-Szene beobachtet, glaubt, daß der interaktive Dialog nur mit einem System an der "kurzen Leine" möglich ist. Die klassische Anwendung dafür sei der Bilanzdialog. Hier ermögliche der eigene Computer ein ungestörtes, an keine Restriktionen (Termine, Leitungen etc.) gebundenes Arbeiten. Dagegen sei der Bilanzdialog eines Großrechenzentrums kein echter Dialog, sondern nur ein "stepweises" Verfahren.

2. Die Kanzleiorganisation:

Hier steht der schwäbische Steuerberater auf dem Standpunkt, daß sie computerunterstützt am kostengünstigsten wegen der starken anwenderindividuellen Komponente und aufgrund des begrenzten Datenvolumens im eigenen Hause erledigt werden kann. Darüber hinaus sei der Umweg über die Datenfernverarbeitung hier einfach zu zeitaufwendig. Eine ähnliche Ausgangslage ergebe sich bei der Fristenüberwachung.

3. Die Datenerfassung:

Die Kanzlei von Achim B. ist rasch gewachsen und damit auch das Datenvolumen. So kam es, daß der Filderstädter Steuerberater sich ein intelligentes Terminal nach dem anderen für die Datenerfassung zulegen, mußte (zum Schluß insgesamt vier, wobei zwei online für die Datenübertragung angeschlossen waren). Jedes für sich war ein Einzelplatz. Es wäre immer schwieriger geworden, die Erfassungsarbeit zu koordinieren und flexibel zu verteilen. Seit dieser Aufgabenbereich mit Hilfe der MAI 730 bearbeitet wird, können die Möglichkeiten des Multiprogrammings für die Organisation der Datenerfassung genutzt werden. Das sichert eine größere Flexibilität auf diesem Sektor. Hinzu kommt, daß der größere organisatorische Spielraum des Magnetplattensystems mehr programmtechnische Unterstützung der Datenerfassung bringt, was wiederum die Fehlerrate reduziert.

4. Die Konzentrator-Funktion:

In einer Kanzlei mit mehreren Erfassungsplätzen kann ein System wie die MAI 730 die Funktion eines Konzentrators übernehmen, um Leitungskosten zu sparen, aber auch für eine bessere Überwachung des Datentransfers und eine hochkarätigere Datensicherung. Nach Ansicht von Leo Schleupen, dessen Unternehmen für MAI auch den Datev-Anschluß programmiert hat, lohnt sich der Einsatz eines Magnetplattensystems allein schon als Konzentrator und intelligentes Terminalsystem ab etwa vier Erfassungsplätzen.

5. Neue Anwendungen:

Hauseigener Computer und DFÜ-Controller setzen den Anwender in die Lage, nicht nur mit einem Großrechenzentrum Daten auszutauschen, sondern mit jedem DFÜ-fähigen Datenendgerät. So denkt Achim B. auch daran, in absehbarer Zeit einen Online-Datentransfer mit seinen Mandanten zu realisieren, wobei sein eigener Computer praktisch die Rolle des Rechenzentrums in der üblichen Verbundlösung übernimmt. Weitere DFÜ-Partner können Banken und das Finanzamt sein. Es ist beispielsweise auch vorstellbar, daß im Zahlungsverkehr dadurch viel Papier (Überweisungen) eingespart wird und ein Geldtransfer praktisch erst in der Hauptanschlußübersicht in konzentrierter Form wieder zu "Papier" gebracht wird. B. denkt noch einen Schritt weiter und an neue interne und externe Kommunikationssysteme (Electronic Mail, Bildschirmtext etc.), bei denen sein Computer koordinierende und steuernde Funktionen übernehmen könnte.

6. Textverarbeitung:

Bald realisieren möchte Achim B. Applikationen auf dem Sektor der Textverarbeitung mit Zugriff auf DV-Dateien. Das ist für den Filderstädter Steuerberater nur mit einem hauseigenen System machbar, wozu er noch einen Ganzseiten-Bildschirm mit Schönschreibdrucker bestellen möchte (Dataword II).

7. Programmpflege:

Alle von der Leo Schleupen Systemanalyse GmbH für MAI-Computer geschriebenen Steuerberater-Programme werden maschinell gepflegt. Die stand-alone arbeitenden Anwender bekommen eine Wartungsplatte, mit deren Hilfe sie das Updating selbst vornehmen können sollen. Schwachstelle dieses Verfahrens ist der Datenträger, da Magnetplatten allgemein physikalisch anfällig sind. Verfügt der Anwender dagegen an seinem System über einen DFÜ-Controller, so kann das Softwarehaus die Programmpflege über Telefonleitung durchführen. Bei einigen der 14 bisherigen Steuerberater mit Datev-Anschluß wird dieses Verfahren bereits praktiziert.

Achim B. ist nicht nur der erste Anwender des MAI-Datev-Verbundes, er hat auch eine wichtige Rolle bei der Erstellung der erforderlichen Software gespielt. Praktisch hat B. das gesamte Projekt angestoßen. MAI ist auf die Anwenderwünsche aus den geschilderten Gründen eingegangen.

Die Datev-Software für MAI-Computer ist inzwischen komplett fertig und wird für 5000 Mark einmalige Lizenzgebühren angeboten. Wer nur auf die Rechtsdatenbank zugreifen will, bezahlt 1000 Mark. Die Software ermöglicht die komplette Nutzung der Datev-Palette. Seit 1. Januar 1981 hat B. für sein hauseigenes System die offizielle Arbeitsanwendungserkennung der Datev, die für alle MAI-Anwender gilt.

Steuerbevollmächtigter Achim B. praktiziert den Rechnerverbund mit folgender hauseigener Hardware:

- Zentraleinheit MAI 730 mit 144 KB Hauptspeicher;

- 2 Wechselplatten-Laufwerke mit je 80 MB;

- Zeilendrucker;

- DFÜ-Controller;

- 6 Bildschirmterminals, mit denen im Timesharing Multitasking, Public Programming und Ghost-Verarbeitung betrieben werden kann. Diese Konstellation sichert der B.schen DV-Organisation größtmögliche Flexibilität für die eigenen und die DFÜ-Anwendungen. Sechs Datensichtgeräte für sechs Mitarbeiter zeigen, welcher Stellenwert der elektronischen Datenverarbeitung in der Kanzlei Achim B. eingeräumt wird. Der Anwender hat für seine Mandantenzahl (rund 350) ein relativ großes System, das ihm ermöglicht, auch "Spezialitäten" zu fahren. Der qualifizierte Rechnerverbund mit der Datev ist mit der Schleupenschen Software schon mit dem kleinsten MAI-System (Modell 200) möglich.

Die DV-Arbeitsteilung im Rahmen der Konzeption des qualifizierten Rechnerverbundes kann vom Anwender selbst definiert werden, wobei es bereits bei den bisherigen 14 Usern einige Differenzierungen gibt. Im Falle Achim B. sieht sie folgendermaßen aus:

DFÜ-Anwendungen

- Hinübertragung Datev (Tag);

- Hinübertragung Datev (Nacht);

- Rückübertragung Datev (Tag und Nacht)

- Sämtliche Datev-Dialoge (einschließlich automatischem Restart);

- Ausdruck und automatisches Aufsetzen auf interne Programme der rückübertragenen Daten.

Eine typische Anwendung für die letztgenannte Variante ist die Hauptabschlußübersicht. Sie wird vom Großrechner an den hauseigenen Computer überspielt und dort automatisch für die Bilanzierung aufbereitet. Es werden folgende Datev-Programme genutzt: Fibu, Kost, BWA, Opos, Lohn, LSV/GewSt., ASP, Lexinform, Plan, Fina.

In-Haus-Anwendungen mit Datev-Anschlußmöglichkeit

- Bilanz mit und ohne Bericht;

- Fibu (on- und offline, Dialog);

- Lefa mit Kanzlei-Kalkulation (Kanzleiverwaltung);

- Materialwirtschaft (Fakturation, Artikelbewegung, permanente Inventur, Vertreterabrechnung etc.).

In-Haus-Anwendungen

ohne Datev-Anschluß

- Lohn;

- Anlagenbuchhaltung;

- Hausverwaltung;

- Terminüberwachung;

- Vereinsabrechnung.

Interner MAI-Monitor

- Programmwartung (remote);

- Datenaustausch unter MAI-Anlagen sowie mit Fremdperipherie.

Sämtliche Im-Haus-Anwendungen stammen aus dem Steuerberater-Standardpaket der Leo Schleupen-Systemanalyse GmbH, ebenso die DFÜ-Software. Die Applikationen werden von MAI vertrieben.

Vorstehende Aufstellung zeigt die im Rahmen des qualifizierten Rechnerverbundes typische Aufgabenteilung: Hierl (Rechenzentrum) Stapelverarbeitung, dort (MAI 730) Dialoganwendungen plus Kanzleiverwaltung.