Datenverarbeiter kennen oft eigene Berufsbezeichnung nicht

08.03.1991

Dr. Werner Dostal Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg

In dieser Ausgabe beginnt eine Serie über Computerberufe, wie sie in der Volkszählung 1987 registriert worden sind. Dazu bedarf es einer Begründung, denn Berufsstrukturen sind zwar interessant, doch ob sie in dieser Detailliertheit noch einen Zuwachs an Erkenntnis bringen, sollte doch hinterfragt werden.

Sie war immer recht umstritten, die 87er Volkszählung. Sie war aber besonders für die Computerberufe wichtig, da seit 1970 die Binnenstruktur der DV-Beschäftigten in Deutschland nicht mehr erfaßt worden war. So durfte man recht gespannt sein auf die, Ergebnisse.

Doch wie so oft bei statistischen Kraftakten, Waren die Ergebnisse von einer langweiligen Normalität. Eine große Vielfalt der Computerberufe findet sich vor allem bei den Exoten. Viele Berufsbezeichnungen sind aufgetreten, die in der Bundesrepublik nur von einigen wenigen Personen angegeben wurden.

Demgegenüber gibt es Berufe mit hoher Besetzung, die gleichzeitig die traditionellen Berufe ausmachen, wie Programmierer, Operator, EDV-Organisator, Systemanalytiker und Organisationsprogrammierer. Also sind auch in der Computerbranche die Berufe aus der Frühzeit der Computerei immer noch dominant. Neue Berufe wie Software-Entwickler oder Informatiker, spielen erst im Mittelfeld weit abgeschlagen eine Rolle.

Daneben ist ein Viertel der Datenverarbeiter nicht bereit oder fähig, den ausgeübten Beruf detailliert anzugeben. Die Befragten nennen sich lapidar "EDV-Fachmann/frau" oder "Datenverarbeiter/in".

Warum sind die Auskünfte der Datenverarbeiter so wenig differenziert? Warum geben sie so alte (manchmal nichtssagende) Berufsbezeichnungen an, wenn sie danach gefragt werden?

Dazu gibt es einige Antworten:

1. Die Tradition der Computerberufe ist immer noch nicht ausreichend für ein stabiles Selbstverständnis. Andere Berufe sind meist traditionsbeladen, haben eine lange Geschichte und transportieren nicht nur Tätigkeiten und Qualifikationen, sondern auch Prestige, Einordnung in Werteskalen, sozialen Status und Selbstverständnis. Die Computerberufe haben in ihrer etwa 30jährigen Geschichte dies noch nicht geschafft. Offenbar reicht diese Zeit nicht aus, eine differenzierende Haltung bezüglich des eigenen Berufes aufzubauen.

2. Computerfachleute stoßen in ihrer Umgebung auf Unverständnis, wenn sie ihren Beruf erläutern sollen. Wer kennt schon die Details von Tätigkeiten beispielsweise im Rechenzentrum? Dann wird eher eine recht pauschale Angabe gemacht, wie "Datenverarbeiter" oder "Operator". So erspart man sich langatmige Erläuterungen.

3. Manche Computerfachleute sind mittlerweile frustriert von der Zumutung, alle paar Jahre eine neue Berufsbezeichnung führen zu sollen. Sie ziehen sich ganz bewußt auf traditionelle oder nichtssagende Bezeichnungen zurück. Damit dokumentieren sie, daß das Gerede von der ständigen Veränderung übertrieben ist.

4. Viele Computerfachleute haben sich soweit spezialisiert, daß sie für diese Spezialisierung keinen Namen finden. Warum auch? So nennt sich der eine "Unix-Spezialist", ein anderer "DB-Spezialist". Hier ist zwar

der Arbeitsgegenstand klar, eine richtige Berufsbezeichnung hat sich daraus nicht entwickelt. Werden sie nach ihrem Beruf gefragt, nennen sie sich "DV-Spezialist" oder nur "Datenverarbeiter".

5. Vielleicht sind die Computerfachleute auch so datenschutzbewußt, daß sie eine genaue Angabe nicht machen wollten. Vielleicht waren sie grundsätzlich gegen eine Volkszählung eingestellt und haben sich deshalb so unscharf geäußert.

Sicher gibt es eine große Zahl weiterer Argumente, mit denen die Ergebnisse dieser Großzählung begründet werden können. Grundsätzlich sollten die Datenverarbeiter mehr Bewußtsein ihren Beruf und ihre gesellschaftliche Position entwickeln.

Dabei sind nicht nur die Hochqualifizierten angesprochen - diese finden ihre berufliche Heimat oft im Kreise ihrer Ausbildungskollegen, wie die Informatiker, die sich in der Gesellschaft für Informatik organisieren -, sondern vor allem jene, die die Basis bilden und sich mit keiner berufsständichen Vereinigung identifizieren.

Diese DV-Spezialisten haben ihren Computerberuf im zweiten Anlauf erreicht, haben sich meist mit hoher Eigeninitiative in dieses Berufsfeld hinaufgearbeitet und können stolz darauf sein. Gerade sie müßten auch bei der Wahl ihrer Berufsbezeichnung etwas anspruchsvoller sein.

Dann empfiehlt es sich, nicht als Programmierer, sondern als Software-Entwickler aufzutreten. Zu begründen ist dies durchaus, denn meist haben sich die Aufgaben auch entsprechend verbreitert.

Es wird offenbar noch eine Zeitlang dauern, bis auch die Fachleute in der DV ihr Selbstverständnis weiterentwickelt haben und bereit sind, differenzierte Berufsbezeichnungen zu führen. Der massive Ausbau der Grundausbildungen kann hier zu mehr Selbstbewußtsein führen. Allerdings wird das zur Folge haben, daß - wie in anderen Berufen - die Ausbildungsabschlußbezeichnungen zu Berufsbezeichnungen werden, was die Übersicht über das Berufsfeld eher verschleiert.

Trotz aller Kritik an diesen Ergebnissen kann es aber schon eine große Hilfe sein, wenn jetzt bekannt ist, wie das Berufsfeld strukturiert ist. Für die Zukunft sollte allerdings angestrebt werden, in kürzeren Zeitabständen Informationen über den bunten Strauß der Computerberufe zu erarbeiten. Nur so lassen sich repräsentative Entwicklungstrends herausarbeiten. Der zeitliche Abstand von 1970 zu 1987 war dazu einfach zu groß.