Datenschutz: Nach wie vor Verwirrung und Unsicherheit

25.03.1977

Alle reden vom Datenschutz, und alle veranstalten Seminare: Das BDSG als Tischleindeckdich?

Im Augenblick stürzt sich alles auf dieses Thema Datenschutz und will Geld verdienen mit dem BDSG. Wir im AWV sind entsetzt, weil also tatsächlich Dinge verzapft werden, die nicht vertretbar sind. Das ist so ungeheuerlich, daß wir, die wir uns seit Jahr und Tag damit befassen, es einfach nicht verstehen können, wo Leute den Mut hernehmen, vor ein Publikum zu treten und nun so zu tun, als seien sie die Sachverständigen. In Wirklichkeit haben sie Lücken über Lücken.

- Wir glauben nicht, daß der gesamte Komplex des BDSG sich in einem Aufwasch bewältigen läßt. Wie schnell macht der AWV, der ja auch Seminar-Veranstalter ist, Anwendern diese Problemlandschaft transparent?

Wir haben Projektgruppen gegründet. Diese Projektgruppen werden von Fachleuten geführt, die seit Anbeginn praktische Erfahrungen mit dem BDSG gewonnen haben. Dennoch lassen wir uns Zeit und konzentrieren uns darauf, Schwachstellen des Gesetzes zu finden. Zum Beispiel wird der Abschnitt Datensicherung ja erst ab Beginn 1979 in Kraft sein, weshalb wir uns jetzt mit der Risikofindung und möglichen Maßnahmen in diesem Bereich beschäftigen, anstatt gleich Seminare darüber abzuhalten.

- Wenn man die aktuellen Fragen des BDSG Revue passieren läßt - da gibt es immer noch unterschiedliche Auffassungen und Darstellungen über den Datenschutzbeauftragten und seine Kompetenzen - obwohl der am 1. Juli berufen sein muß.

Dies haben wir auch festgestellt, und zwar bei dem Punkt, wie weit der Datenschutzbeauftragte Einblick auf die Felder oder Blöcke nehmen darf, in denen die einzelnen Daten stehen. Dabei kommen die Vorteile des Expertentums zum Tragen: Spontan können solche Fragen geklärt werden und spontan kann begründet werden, daß dem Datenschutzbeauftragten ein solcher Einblick nicht zu gewähren ist. Denn selbst wenn er eine noch so zuverlässige Person ist, würde hier der Datenschutz durchlöchert werden.

- Sie begrüßen die Möglichkeit der unmittelbaren Diskussion: Lassen sich denn Seminare nicht dadurch besser gestalten, daß gutes, begleitendes Schulungs-Schrifttum viele Fragen vorher abfängt?

Wir arbeiten ja nicht ohne Unterlagen. Wir arbeiten in jeder Projektgruppe an spezifischen Problemkreisen. So erstellen die Spezialisten im Arbeitskreis drei die Funktionsbeschreibung des Datenschutzbeauftragten. In der Projektgruppe eins liegt der Entwurf für die Einführung des Bundesdatenschutzgesetzes im Unternehmen vor. Und zwar mit allem Drum und Dran, was zu machen und zu beachten ist. Dies ist so eine Art Kochbuch, damit die Leute nun wirklich wissen, was sie machen sollen.

- Wissen "die Leute" trotz aller Seminar-Konkurrenz noch immer nicht, was sie machen sollen?

Sie können sich nicht vorstellen, was für eine Verwirrung und Unsicherheit nach wie vor besteht. Und zwar verursacht teilweise durch unverantwortliche Artikel. Deshalb ist ja auch der Eindruck entstanden, der Datenschutzbeauftragte müsse ein Superstar sein, bei dem, was der Mann alles wissen und können muß. Da kam doch in den Diskussionen immer wieder hoch: Das ist unmöglich, einen Mann mit so tollen Rechtskenntnissen und soviel EDV-Know-how zu finden und mit so einer organisatorischen Erfahrung. Tatsächlich ist die Verunsicherung aber provoziert worden, weil eben sehr viele Leute diesen Datenschutzbeauftragten hochstilisiert haben. In unverantwortlicher Art. So eine Lösung mit einem hochqualifizierten Spezialisten, die mag in der BASF gelten, da hat man natürlich einen Volldirektor zum Datenschutzbeauftragten bestellt. Der steht aber eben in der Hierarchie ganz oben, so daß es keine Kollisionsgefahr gibt. Aber in kleinen Betrieben, da geht diese Lösung nicht.

- Sie erklären selbst, daß es soviele offene Fragen gibt. Dennoch beschränken Sie sich auf Ein-Tages-Seminare. Reicht das?,

Wir haben deshalb nur einen Tag vorgesehen, weil es heute in vielen mittleren und kleineren Unternehmen einfach unmöglich ist, daß die Leute zwei Tage weggeschickt werden. Denn das kostet erstens viel mehr Geld und ad zwei werden die Leute im Haus benötigt. Das ist uns im AWV wiederholt vorgetragen worden und da haben wir uns gesagt, das müssen wir respektieren.

- Die Frage war: Reicht ein Ein-Tages-Seminar?

Wir sind uns klar darüber, daß der eine Tag, von der Problematik her, die zu bewältigen ist, etwas knapp ist. Möglicherweise hängen wir noch einen zweiten Tag daran. Und zwar mit Spezialisten aus unseren Arbeitskreisen. Dies ist zunächst allerdings noch eine Vorstellung von mir, daß wir dadurch bereits realisierte Lösungen schneller vermitteln könnten.

- Wenn Spezialisten und Newcomer aufeinanderprallen - besteht da nicht die Gefahr, daß die angestrebte Kommunikation nicht stattfindet - weil sich das unterschiedliche Wissensniveau nicht verbinden läßt?

Wir haben festgestellt, daß unsere Zuhörer, die wir bis jetzt eingeladen haben, alle über einen soliden Grundstock verfügen. Es kommt niemand, der von unserer Warte aus gesehen, überhaupt keine Ahnung hat.

- Selektieren Sie vorher, um eine homogene Gruppe zu erreichen?

Nein. Wir haben das zwar mal gemacht, sind aber dann gebeten worden, wir sollten doch nicht so engherzig sein. Und zwar deshalb, weil hin und wieder Teilnehmer aus der höheren Hierarchie kommen, die sich bislang noch nicht mit dem Datenschutzgesetz befaßt hatten und die sich doch auch informieren wollen. Bei denen wäre es nicht angebracht, auf intime Kenntnisse im BDSG-Komplex zu bestehen. Deshalb haben wir das wieder sein lassen, homogene Teilnehmergruppen durch gezielte Einladungen zu erreichen.

- Erweist sich die Inhomogenität der Gruppe als Nachteil?

Wir können an den Fragen, die uns gestellt werden feststellen: Die sind alle im Bild, die wissen alle Bescheid. Aber: Sie sind unsicher hinsichtlich verschiedener Probleme. Und zwar verunsichert durch Veröffentlichungen von Leuten, die mehr Unheil stiften als sie gutmachen.

- Sie sind selbst Jurist: Halten Sie denn das Gesetz in der vorliegenden Form für geglückt oder sind die nunmehr auftauchenden Definitions- und Auslegungs-Schwierigkeiten nicht doch als Folge dehnbarer, ungenauer Formulierungen zu sehen?

Man muß den Schöpfern des Gesetzes Gerechtigkeit widerfahren lassen: Hier ist absolutes Neuland betreten worden. Es gab überhaupt kein Vorbild auf der ganzen Welt, das als Beispiel hätte dienen. können. Und sicherlich sind furchtbar viele Strömungen von allen Seiten gekommen, nachdem der Referentenentwurf vorlag, so daß das Gesetz ein wahres Kompromiß-Gebilde geworden ist. Und nun sind von der einen Seite die EDV-Spezialisten und von der anderen Seite die Juristen am Werk. Die sprechen ja weiß Gott keine gemeinsame Sprache. Was ist passiert: Hat's der eine endlich verstanden, hat's der andere mißverstanden. Jetzt haben wir das Gesetz und jetzt müßten in der Übergangszeit die EDV-Leute erstmals den Juristen zuhören.

- Das gibt aber noch keine Garantie dafür, daß der EDV-Mann von der Front den Vortrag des Rechtsgelehrten als brauchbar einstuft. Da die Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten offensichtlich sind, wird er den Vortrag eher als Fachchinesisch ablehnen.

Das sehen wir auch. Wir wollen deshalb in einer zweitägigen Klausurtagung gerade diese Probleme lösen und zum Abschluß bringen. In einem Schulungsheim, völlig unbeeinflußt von draußen, sollen sich Juristen und EDV-Spezialisten zusammensetzen und diese Frage der unterschiedlichen Auslegung, der oft konträren Sinngehalte, in eine gemeinsame verständliche Sprache fassen. Das Ergebnis dieser Klausurtagung soll dann veröffentlicht werden. Jedenfalls glauben wir, daß das, was nach der Klausur herauskommt, keinen falschen Akzent trägt.

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