"Datennetze müssen zuverlässiger werden"

23.05.2005
Mit Professor Ingolf Ruge, Sprecher des Kongresses Bayern Online International, sprach CW-Redakteur Wolfgang Herrmann.

CW: Der diesjährige Bayern-Online-Kongress steht unter dem Motto: "Internet 2010 - Dabei sein, wenn Zukunft entsteht". Welche Veränderungen erwarten Sie innerhalb der nächsten fünf Jahre?

Ruge: Das Internet wird immer mehr mit dem weltweiten Telefonnetz verschmelzen. Dieses Netz ist standardisiert, bietet eine hervorragende Qualität und wird teilweise sogar noch ausgebaut. Die Konvergenz von Daten- und Sprachnetzen wird also weiter voranschreiten.

CW: Für die Netzbetreiber fallen dabei enorme Kosten an, die nur schwer aufzubringen sind. Behindert das nicht die Entwicklung?

Ruge: Um die Investitionen für die neuen Netze in Grenzen zu halten, werden die Betreiber immer mehr Komponenten aus der klassischen Computertechnik verwenden. Diese Bauteile sind preiswert, allerdings muss man höllisch aufpassen, dass Sicherheit und Qualität nicht darunter leiden. In der IT-Welt sind diese Aspekte längst nicht so selbstverständlich wie bei Telefonnetzen. Es wird in Zukunft also darum gehen, die Netze zuverlässiger zu machen, zugleich aber die Investitions- und Betriebskosten zu drücken. Dadurch sinken letztlich auch die Tarife für die Nutzer.

CW: Die konvergenten Netze bringen auch erhöhte Sicherheitsrisiken mit sich. Nehmen die Anbieter diese Bedrohung ernst genug?

Ruge: Netzbetreiber wie auch ITK-Ausrüster arbeiten weltweit mit großer Intensität an diesem Thema. Daneben müssen die Systeme aber auch zuverlässiger werden. Das jetzige Sprachnetz fällt in 30 Jahren nur eine Stunde aus. Daran müssen sich die neuen Netze messen lassen, auch wenn dies aus heutiger Sicht kaum erreichbar scheint.

CW: Welchen Maßstab legen Sie in puncto Sicherheit an?

Ruge: Unternehmen und andere Organisationen müssen auf sichere Weise, sei es verschlüsselt oder unverschlüsselt, mit ihren Adressaten kommunizieren können. Egal ob es um Web-Shopping oder Online-Auktionen geht, die Benutzer müssen das Gefühl haben, dass ihre persönlichen Daten geschützt sind. Zum anderen muss sichergestellt sein, dass niemand von außen in ein Unternehmensnetz eindringen kann. Das Thema Intrusion Detection wird deshalb weiter an Bedeutung gewinnen. Obwohl die dazu verfügbaren Verfahren in den letzten Jahren wirksamer geworden sind, verzeichnen wir erschreckend viele Attacken.

CW: Können Sie konkrete Zahlen nennen?

Ruge: Jedes Jahr registrieren Firmen weltweit rund 200 000 Angriffe auf ihre internen Netze, Tendenz stark steigend. Dabei handelt es sich nicht nur um den klassischen Hacker, sondern auch um ernste Bedrohungen wie beispielsweise Wirtschaftsspionage.

CW: Tun die Nutzer genug, um die Risiken einzudämmen?

Ruge: Ja. Es gibt inzwischen häufig ganze Abteilungen, die daran arbeiten. Sicherheitsaspekte spielen zunehmend auch in Outsourcing-Entscheidungen eine Rolle. Viele Unternehmen überlegen sich, ob es sinnvoll ist, hochkarätige Sicherheitsspezialisten und Verantwortliche für den Netzbetrieb im eigenen Haus zu beschäftigen. Ein externer Dienstleister kann diese Aufgaben oft besser und billiger erledigen.

CW: Wie steht es um die Sicherheit in IT-Projekten der öffentlichen Hand? Die geplante elektronische Gesundheitskarte ist deswegen in die Kritik geraten.

Ruge: Die Befürchtungen von Datenschützern und Patienten sind berechtigt. Auch die Informationen im Zusammenhang mit der Gesundheitskarte, beispielsweise die elektronische Patientenakte, fließen ja über das Netz. Hier besteht noch Handlungsbedarf.

CW: Welche Rolle spielen Breitbandtechniken für die künftige Entwicklung?

Ruge: Der immer schnellere Zugang zu dem ungeheuren Wissen im Internet ist ein weiterer Trend. Er wird die Verbreitung und Nutzung der Netze vorantreiben und die Akzeptanz auch unter bislang skeptischen Anwendern steigern.

CW: Was verstehen Sie konkret unter einem schnellen Netzzugang?

Ruge: Für einen Privatanwender sind Übertragungsgeschwindigkeiten von 1 Mbit/s und mehr, die er mit Techniken wie xDSL erreicht, schon relativ schnell. Solche Übertragungsraten waren vor einigen Jahrzehnten unvorstellbar.

CW: Wie lange wird es dauern, bis Breitbandanschlüsse in Deutschland flächendeckend genutzt werden?

Ruge: Eine hundertprozentige Abdeckung ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. In den nächsten zehn bis 15 Jahren wird man sicher noch die vorhandene Netzinfrastruktur verwenden und für höhere Übertragungsraten erweitern. u