Datenerfassung - nur ein Grenzbereich des OCR

29.10.1976

Sighart Rotter Präsidiumsmitglied EUROCRA European OCR Association Gervais-Danone AG München

Für OCR (Optical Character Reading) trifft die vereinfachende und oft zitierte deutsche Übersetzung "optische Beleglesung" schon lange nicht mehr zu. Die Entwicklung, der Hard- und Software in den letzten Jahren hat das Leistungs- und Anwendungsspektrum beachtlich erweitert. Seiten- und Belegleser, leistungsfähige Systeme für einzeiliges Lesen und Sortieren, Spezialmaschinen für Journalstreifen und Etiketten, Scanner und Handleser kennzeichnen die Entwicklung der Hardware. Die Software beschränkt sich nicht mehr allein auf das Lesen und Erkennen von Maschinen-, Handschrift, Markierung und Balkencode in den verschiedensten Darstellungsformen, sondern beschäftigt sich mit recht erfolgversprechenden Entwicklungen, wie dem Lesen von Landkarten oder, Netzwerken. Die verfügbare Hard- und Software gestattet dem Anwender neue Gebiete im Vorfeld des Computers zu erschließen. Der mit extremen Geschwindigkeiten arbeitende und steuerbare Lesestrahl ist ein entscheidendes Element jener Technologien, die uns in der Vergangenheit und hoch stärker in der Zukunft helfen werden, die Massenprobleme dieser Gesellschaft zu lösen.

Ohne OCR gäbe es keine GEZ in seiner heutigen Form, und nur mit OCR sind die wirtschaftlichen Lösungen im Rahmen der Sozialversicherung zur Bewältigung der Papierflut denkbar, wie sie derzeit vom Bundesarbeitsministerium vorbereitet werden.

Fast alle großen Datenbanken für die Zwecke der Information, Dokumentation und Kommunikation sind ohne OCR weder zu realisieren noch wirtschaftlich zu unterhalten.

Der Anspruch von OCR gegenüber anderen Methoden der Datenerfassung ist also, umfassender und absoluter.

Es ist sicherlich auch richtig, in unserer dreigeteilten Computerwelt OCR der Datenerfassung zuzuordnen. Nicht deutlich genug kann jedoch festgestellt werden, daß OCR nur in einem ganz schmalen Grenzbereich mit den heute auf dem Markt befindlichen Datenerfassungssystemen und -methoden konkurriert.

Wenn man die Sprach- und Direkteingabe ausklammert,

dann kann OCR - bei minimalen Anforderungen an die Qualität - jedes "geschriebene Wort" - lesen. Treffen diese Bedingungen zu, dann liegt OCR vor jeder mit manueller Tätigkeit verbundenen anderen Datenerfassungsmethode. OCR beschäftigt sich mit Ursprungsdaten. Es ist keine Frage, daß diese Art der Datenerfassung beachtliche Kostenvorteile gegenüber den vorgenannten Erfassungsmethoden bringt. Als Faustregel gilt ein Satz von 50 Prozent Kosteneinsparung. Hinzu kommen weitere Vorteile einer OCR-Anwendung, die beschrieben sind durch die Stichworte: Engpaß Datenerfassung, Zeitgewinn = Zinsgewinn, Kostenschere Personal-/Hardwarekosten.

Und trotzdem...

Dieser Satz hat viele Fortsetzungen und Antworten. Soweit sie auf den Bereich der Seiten- und Beleglesesysteme bezogen sind gäbe eine Auswertung einer Katalog von recht aktuellen Problemen mit denen der Anwender konfrontiert wird. Diese Probleme haben ihre Wurzel in der ungenügenden Verbreitung von Wissen und Know-how über OCR. Diese Verbreitung wird erschwert durch nicht ausreichende Schulungsmöglichkeiten, fehlende Fachliteratur, unzureichende Informationsmöglichkeiten, oft nicht ausreichende Unterstützung der Anwender durch die Hardware-Hersteller und durch fehlende Marktübersicht für Hardware. Aus der Sicht des Anwenders wirkt weiterhin störend, daß die Größen- und Leistungsklassen der verschiedenen Lesesysteme zu große Sprünge machen. Es fehlen Systeme mit modularem Aufbau, die sich den Wünschen des Anwenders, bezüglich Leistung und Kosten, besser anpassen können.

Schließlich kam hinzu, daß neben vielen recht erfolgreichen OCR-Installationen die Häufung von Fehlschlägen zu einer kritischen Einstellung der Anwender gegenüber OCR geführt hat.

Diese Situation hat vor einigen Jahren zur Gründung von EUROCRA - EUROPEAN OCR ASSOCIATION - geführt. In ihr sind Mitglieder, Anwender und Hersteller aus 11 europäischen Ländern vertreten, die sich zum Ziel gesetzt haben, OCR in seiner ganzen Breite zu fördern und vorwiegend den Anwender unterstützen zu wollen.

EUROCRA hat sich vorgestellt in einer Reihe von internationalen Kongressen in Amsterdam, Frankfurt und London. Eine Tagung von 10 profilierten OCR-Managern in der Bundesrepublik im Hause der GMD Anfang September 76 hatte unter anderem zum Ergebnis, die Datenerfassung und deren Methoden zu untersuchen und die nationalen Aktivitäten für OCR zu verstärken. Dieses Gremium wird seine Arbeit fortsetzen in der Erkenntnis, daß auf diesem Sektor mehr für Grundlagen- und Methodenforschung getan werden muß.

EUROCRA strebt bei der Lösung dieser Fragen - speziell auf dem Sektor OCR - eine enge Zusammenarbeit mit der GMD an. Weitere Initiativen haben dazu geführt daß der Marktführer für OCR- und selbstdurchschreibende Papiere, Wiggins Teape, eine recht erfolgreiche Seminarreihe gestartet hat und ab Dezember 1976 OCR - Ausbildungsseminare durchführen wird.