Big Data und Autos

Datenberge auf vier Rädern

07.09.2012
Von Tobias Wendehost
Telematiksysteme und immer mehr Computerchips verschärfen das Problem der Datenmassen für die Automobilindustrie. Um die Informationen schneller zu analysieren, kann die Industrie das Watson-System von IBM nutzen.
Watson mischt jetzt auch in der Automobilindustrie mit.
Watson mischt jetzt auch in der Automobilindustrie mit.
Foto: IBM

Während im gesamten Jahr 2011 noch rund 20 Gigabyte Informationen an die BMW Group übermittelt wurden, sind es nun täglich 30 Gigabyte technische Daten", beschreibt Axel Deicke, Geschäftsführer von Auto Service Engineering bei BMW, das Problem, mit dem er sich heute konfrontiert sieht. Dafür sind nicht allein die neuen Telematiksysteme verantwortlich, sondern eine Vielzahl an Computerchips und Elektrokomponenten, aus denen moderne Autos bestehen. Fast jedes Einzelteil ist mittlerweiler ein kleiner Rechner, der Daten zu seinem Einsatz, Verschleiß oder zu Fehlern liefert. Big Data also, die von Fahrzeugentwicklern und Kundenservice ausgewertet werden möchten.

Big Data im Automotive-Bereich

Dabei sprudeln die Daten für die Automobilindustrie aus zahlreichen Quellen: Allein 2011 wurden weltweit rund 30 Milliarden RFID-Tags verbaut - viele davon in der Automobilbranche. Hinzu kommen mehr als 100 Millionen verkaufte Geräte mit GPS-Ausstattung und nicht zuletzt die unüberschaubare Masse an potenziell wertvollen Informationen aus Social-Media-Netzen und Autoforen. Die Herausforderung besteht nicht nur in der Datenmenge, die auf die Industrie zurollt. Informationen von Notfall- und Telematiksystemen drängen auf eine schnelle Auswertung, da man die Ergebnisse möglichst in Echtzeit benötigt.

Im Video erklärt Jürgen Hill, was aktuelle Telematik-Systeme auf dem Kasten haben.

Komplexe Sprachanalyse

Herkömmliche Analysemethoden und Strategien für das Informations-Management reichen aber meist nicht mehr aus, diesen Berg an Daten sinnvoll auszuwerten. Vor allem Informationen in Form von Sprache, wie sie bei Notrufsystemen oder Kundengesprächen entstehen, lassen sich nicht effizient und schnell nutzen. Ein System, das sich mit diesem Problem beschäftigt, ist der Watson-Rechner von IBM. Das System kann laut Hersteller neben strukturierten auch polystrukturierte Daten, wie sie im natürlichen Sprachgebrauch vorkommen, verarbeiten. So sei der Rechner in der Lage, Sinn und Zusammenhang auch aus indirekten, kontextabhängigen, doppeldeutigen und unscharfen sprachlichen Angaben zu ziehen. Das Computersystem nutzt hierfür seine interne Datenbasis und berechnet Antworten anhand von Hypothesen sowie Wahrscheinlichkeiten, die es wiederum in Form von Sprache ausgibt. Zudem sei Watson in der Lage, Verhalten und Feedback der Nutzer zu analysieren und für zukünftige Fragen zu speichern.

Für die Automobilindustrie birgt der Rechner ein beträchtliches Potenzial. So könnte er Ingenieure und Designer dabei unterstützen, Antworten auf Fragen nach technischen Spezifikationen sowie Best Practices zu finden.

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Informationen entwickeln sich mehr und mehr zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Für die Verantwortlichen wird es daher in Zukunft vor allem darauf ankommen, aus den immer weiter wachsenden Datenbergen die wichtigen Informationen zu gewinnen, um die richtigen Geschäftsentscheidungen zu treffen. Damit dies gelingt, brauchen Unternehmen geeignete Werkzeuge und die passende Infrastruktur.

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Hilfe für Ingenieure und Designer

Das System kann auch helfen, Versuchsdaten auszuwerten, den Werkstattmeistern bei komplexen Diagnose- und Wartungsarbeiten assistieren oder dem Fahrer bei Bedarf Fragen zur Bedienung des Fahrzeugs beantworten. Schließlich besteht noch die Möglichkeit, Sales- und Marketing-Abläufe zu unterstützen, beispielsweise durch die Analyse von Kunden-Feedback, Presseberichten und Social-Media-Inhalten.

In den USA hat Watson seine Feuertaufe in der Automobilindustrie bereits hinter sich. Mit Hilfe von IBMs Such- und Analyseplattform "Content Analytics" und von Textanalyse erkannte er einen Konstruktionsfehler an einer Fahrzeugbaureihe. Dazu wurde das System mit rund 210.000 Fehlerberichten der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) gefüttert. Die Dokumente beschreiben Defekte an Automobilteilen und wurden von den Besitzern an die NHTSA übermittelt. Dabei waren die Fehlerbeschreibungen frei formuliert, also unstrukturiert.

Watsons Feuertaufe

Das Analyseziel bestand darin, unbekannte Problemfälle zu erkennen. Durch die Textanalyse ließ sich der Automobilhersteller mit den meisten Problemfällen identifizieren. Die weitere Auswertung führte zu dem Ergebnis, dass "Vorderradaufhängungen" statistisch signifikant oft in den Fehlerbeschreibungen auftraten. Schließlich zeigte die Abweichungsanalyse über einen längeren Zeitraum hinweg, dass die Fälle erst ab einem bestimmten Zeitabschnitt zunahmen. Besonders häufig wurden Begriffe wie "fracture" (aufreißen), "flatten" (plätten), "shred" (zerreißen) und "break" (brechen) im Zusammenhang mit dem ermittelten Hersteller und der Vorderradaufhängung genannt. In der Folge konnte der Fehler weiter eingegrenzt und entsprechende Maßnahmen bei der Entwicklung und in den Werkstätten angestoßen werden, um den Schwachpunkt zu beheben.

Das Beispiel zeigt, was Systeme wie Watson der Automobilbranche bieten, wenn sie zu effizienteren Prozessen beitragen. In der Praxis könnten das weniger Rückrufaktionen sein, geänderte Werkstattabläufe oder andere Dienstleistungen für Kunden.