Microsoft und Ashton-Tate starten gemeinsames Software-Projekt:

Datenbank-Standard für PC-LANs angestrebt

29.01.1988

MÜNCHEN (ch) - Ashton-Tate und Microsoft haben die gemeinsame Entwicklung und Vermarktung einer Datenbank-Management-Software für PC-Netzwerke bekanntgegeben. Das Produkt, genannt SQL Server, soll Mainframe-ähnliche Datenbankdienste für derartige LANs bereitstellen.

Das Abkommen wurde von beiden Unternehmen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz als Basis für eine langfristige strategische Zusammenarbeit bezeichnet. Mit dem Produkt wollen die beiden Softwarehäuser einen Standard für den Bereich PC-orientierter Datenbanken setzen. Der SQL Server soll als offene Entwicklungsplattform auch Third-Party-Entwicklern zur Verfügung gestellt werden.

Die zu entwickelnde Software fußt auf einem Konzept der kalifornischen Sybase Inc., eines Spezialunternehmens für Datenbanktechnologie. Sybase hatte in der Vergangenheit bereits ein ähnliches Produkt für Minicomputer angeboten. Der SQL Server folgt dem "Client-Server"-Ansatz, was bedeutet, daß sich die Funktionen auf ein dem Benutzer zugängliches "Front-End" und ein Massenspeicher-orientiertes "Back-End" aufteilen. Während ersteres auf dem individuellen Arbeitsplatzrechner des Benutzers residiert und für die Anwendersoftware zuständig ist, übernimmt das letztere alle Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Speicherung von und dem Zugriff auf Daten stehen.

Eine Folge dieses Ansatzes ist es nach Angaben der beiden Software-Riesen, daß die Mechanismen zur Sicherstellung der Datenintegrität und zur Bearbeitung der Transaktionen zentral auf dem Server vorgehalten werden. Bisher waren solche Programmteile Bestandteil der dezentralen Anwendersoftware. Daraus resultieren Mainframe-ähnliche Leistungsmerkmale wie etwa Multi-User-Fähigkeit (bis 40 Benutzer), die Möglichkeit zur Einrichtung verteilter Datenbanken und eine gewisse Transaktionsfähigkeit .

Das neue Softwareprodukt erlaubt die Installation vorkompilierter SQL-Abfragen, was zusammen mit einem konfigurierbaren Cache die Zugriffsgeschwindigkeit auf Datenbanken drastisch erhöhen soll. Auch sei es möglich, Updates und Backups ohne Unterbrechung des laufenden Betriebes durchzuführen.

Bisherige Anwendungen des in der PC-Welt wohl meistverbreiteten Datenbankkonzepts, Dbase voh Ashton-Tate, sind dem Anbieter zufolge voll verträglich mit dem SQL Server. Künftige Versionen der Datenbanksoftware sollen mit dem Server-Programm ausgeliefert werden, ohne daß allerdings der Anwender gezwungen sein soll, davon auch Gebrauch zu machen. Das Produkt läuft auf Netzwerk-Servern unter OS/2, auf den Workstations kann wahlweise OS/2 oder MS-DOS installiert sein. SQL Server soll in der zweiten Jahreshälfte 1988 am Markt erscheinen; eine deutsche Version ist für das Frühjahr 1989 terminiert. Über den Preis wurde bisher nur bekannt, daß er in den USA "zwischen 1500 und 3000 Dollar" liegen soll.

Strategisch bedeutet die Ankündigung nach Ansicht von Experten für Microsoft "einen Brückenkopf in der Datenbank-Welt". Damit, so meint etwa das britische Fachblatt Computergram, nehme Microsoft eine entsprechende geplante Ankündigung von IBM vorweg. Dies, so das Blatt weiter, zeige, daß der Mikrocomputer-Zwerg Microsoft einen recht kessen Umgang mit seinem OS/2-Vertragspartner, dem Branchenelefanten IBM, pflege.

Begrüßt wurde die Ankündigung aus den Reihen der PC-Berater. Wie zu vernehmen war, wird die Aktion als hilfreich in der Begründung eines Standards gesetzt - dies um so mehr, als weitere namhafte Softwareschmieden nach eigenem Bekunden den SQL Server als Entwicklungsbasis für eigene Produkte nutzen wollen, darunter Borland und Symantec. Auffallend ist das Fehlen von Lotus als "dem anderen" großen PC-Software-Lieferanten. Einen "Feuersturm des Wettbewerbs" erwartet denn auch ein Marktbeobachter nun von dieser Seite. Lotus hatte schon früher seine eigenen Pläne zur Entwicklung eines Datenbank-Managers auf Server-Basis bekanntgegeben, der mit IBMs Mainframe-Produkt DB2 kompatibel sein soll.