Wiener BWK löst Organisationsprobleme mit Software aus Düsseldorf:

Dateisystem kontrolliert Gewerbetreibende

16.10.1981

WIEN - Vor über sieben Jahren startete die Österreichische Bundeswirtschaftskammer in Wien (BWK) den Versuch, ihren immensen Datenbestand "in den Griff" zu bekommen. Hauptproblem dabei war, auf Datensätze variabler Länge mit ständig wechselnden Abfragekriterien selektiv zuzugreifen. Wie die Wiener dies mit dem Dateipflege- und Dateizugriffs-System "Easytrieve" der Düsseldorfer Pansophic Systems GmbH lösten, beschreibt DV-Unternehmensberater Peter R. Wurr.

Jeder, der in Österreich eine Gewerbeberechtigung ausübt, ist automatisch Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft. Das sind rund 250 000 natürliche und juristische Personen. Da ihnen meist mehrere Gewerbeberechtigungen erteilt wurden, ist die tatsächliche Zahl der Datensätze um ein Mehrfaches höher.

Das Österreichische Handelskammer-System ist regional gegliedert für jedes der neun Bundesländer besteht eine Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft. Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft mit dem Sitz in Wien koordiniert die regionalen und fachlichen Interessen und pflegt die internationalen Kontakte. Die Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft üben Aufgaben der Mitgliederbetreuung auf Landesebene aus. Mit ihren Wirtschaftsförderungsinstituten unterhalten sie einen der größten Berufsbildungsapparate in Österreich. Die Bezirksstellen schließlich sind für die mitgliedernahe Betreuung zuständig.

Hauptaufgabe Information

Die BWK unterhält Datenbanken zu Auskunftszwecken vielfältiger Art: Mitgliedsdaten, Exportdaten, Lehrlingsdaten, Funktionärsdaten. An das in Wien installierte Zentralsystem IBM 3031 sind die Landeskammern und weltweit die Außenhandelskammern mit Online-Terminals angeschlossen. Als TP-Steuerprogramm wird CICS verwendet. Für Dateiabfragen und -Auswertungen ist zusätzlich das Dateipflege- und Dateizugriffs-System Easytrieve im Einsatz. Inzwischen laufen rund 8000 Jobs im Monat mit dieser Pansophic-Entwicklung. Hinzu kommen periodische Auswertungen. Allein bis zu 150 Anfragen täglich beziehen sich auf die selektive Zusammenstellung von Adressen und Listen einzelner Benutzergruppen.

Beobachtet man eine Anfrage am Bildschirm, wird deutlich, welche Rolle das Dateipflege- und Dateizugriffs-System bei den Wienern spielt. Ein Beispiel:

Der Sachbearbeiter in der Landeskammer Wien möchte wissen, wie viele Gewerbetreibende im 3. Wiener Bezirk älter als fünfzig Jahre sind. Er formuliert seine Anfrage so: IF BEZ = 3 AND ALTER 50

Das System teilt ihm mit, welche Nummer seine Anfrage hat, und nimmt sie in den Jobstrom auf. Die Anfragen werden chronologisch nach Eingang und ohne Prioritätenzuordnung bearbeitet. Die Nachricht für den Sachbearbeiter lautet beispielsweise: "Ihre Anforderung erbrachte 350 Fundstellen."

Nun kann er entscheiden, was damit weiter geschehen soll. Er kann den Job abbrechen, Adressen oder sonstige Daten auf seinem Terminaldrucker ausdrucken oder dem Rechner mitteilen, daß er einen Ausdruck vom zentralen Schnelldrucker möchte.

Bei alledem arbeitet der Sachbearbeiter völlig selbständig und ohne Hilfe der zentralen EDV. "Das geht nur", kommentiert Helmut Klinger, Projektleiter bei der BWK, "weil man bei Easytrieve mit derartig einfachen Anfragen so viel erreichen kann. Ohne das System hätten wir große Probleme, unsere Dateien in dieser Form auszuwerten. Niemand bei uns kann sich vorstellen, was passieren wurde, wenn wir den Benutzer mit formatierten Masken konfrontieren müßten."

Es begann fast zufällig

Zurück zum Jahr 1973. Damals war man gerade dabei, die Mitglieder-Datenbank aufzubauen, allein vom Erfassungsaufwand her ein Projekt für mehrere Jahre. Denn neben dem Firmennamen und der Anschrift mußte der Wortlaut jeder einzelnen Gewerbegenehmigung für jedes Mitglied aufgenommen werden. Vom einfachen Begriff "Bar" bis hin zum Text von 1200 Zeichen. Dazu wurde das variable Speichersystem UDB eingesetzt, mit den Möglichkeiten des direkten Zugriffs und des echten Löschens nicht mehr benötigter Daten. Schwierig wurde es, als die laufenden Auswertungen der Mitgliederdaten festgelegt wurden. Klar war, daß selektiv auf einzelne und Gruppen von Daten zugegriffen werden mußte.

Erinnert sich BWK-Chef Klinger: "Von seiten des Herstellers kam da keine Hilfestellung. Vielmehr half uns der Zufall. Die Landeskammer Kärnten schickte uns einen Prospekt, Easytrieve - selektive Möglichkeiten der Datei-Auswertung." Die Wiener sprachen mit der damaligen Vertriebsfirma und erreichten kurzfristig eine Probeinstallation. In deren Verlauf wurde ein Unterprogramm geschrieben, um Easytrieve und UDB verträglich zu machen. Beim Durchlesen der enormen Datenbestände er gab sich zwangsläufig ein unbefriedigendes Zeitverhalten des Gesamtsystems. Deshalb wurde eine Parallel-Datenbank aufgebaut, die nur die Merkmale aus der Hauptdatenbank enthält, die für schnelle Abfragen von Interesse sind, ohne dabei die Selektionsmöglichkeiten zu beschränken.

Jetzt war der Weg geebnet, um bei freier Formulierung der Abfragen variabel lange Daten auswählen und ausdrucken zu können. Zunächst wurden die Mitarbeiter der Landeskammern angelernt. Ihnen wurde kein DV-Wissen, sondern eine Serie von Grundbeispielen geboten, die zeigten, wie man ihre Aufgaben lösen und Abfragen formulieren kann. Diese Art der benutzernahen Schulung bewirkte, daß die Mitarbeiter die Arbeitsabläufe schnell gelernt und sofort angenommen haben. Nach der Einschulung folgte eine kurze Zeit der "Telefonseelsorge", dann war das Verfahren allgemein eingeführt.

Nach der Bewährung bei den Mitgliederdaten wurde das Dateipflege- und Dateizugriffs-System sukzessive bei allen Anwendungen eingesetzt. CICS wird von 7.00 bis 18.00 Uhr gefahren. Auch die Außenhandelsanfragen laufen online. Um die Einschränkungen für die Mitarbeiter in Ländern mit starkem Zeitversatz abzubauen, sollen demnächst erweiterte TP-Zeiten mit einem zweiten System angeboten werden.