Durchblick für das Management

Data-Warehousing ist das Fenster zum Kunden

28.11.1997

"Wir dürsten nach Wissen und ertrinken in Informationen", beschrieb Werner Bongartz, Geschäftsführer der Debis Systemhaus GmbH, das Defizit in Unternehmen, das mit Data-Warehouse-Lösungen bekämpft wird. Sie sollen eine unternehmensweite, einheitliche, konsistente und transparente Informationsbasis schaffen. Dazu gehört mehr als ein schneller Rechner mit jeder Menge Daten. Nicht zwangsläufig bewegen sich Data-Warehouse-Lösungen in höchsten Giga- und Petabyte-Sphären, räumte Bongartz mit einem weit verbreiteten Vorurteil auf. Notwendig sind laut Joachim Zinke, Vorstandsmitglied der OBI Baumärkte AG, vor allen Dingen Applikationen, die für die Wissensbildung sorgen, etwa Data-Mining-Anwendungen.

Das Warehouse soll möglichst vielen Anwendern Auskunft auf viele verschiedene Fragen geben können. Bisher profitierte hauptsächlich das Top-Management von Informationssystemen. "Firmen und Organisationen, die ihre Mitarbeiter nicht ermächtigen, eigene Entscheidungen zu treffen, werden zu langsam und mittelfristig nicht überleben", prophezeit Karl-Heinz Land, Geschäftsführer der Microstrategy Deutschland GmbH, Köln. Der rasant wachsende Anbieter von Decision-Support-Produkten hatte etwa 500 Teilnehmer zu seiner Data-Warehouse-Konferenz nach Neuss locken können. Drogeriemarkt-Manager Harsch ergänzt: "Preisführerschaft ist nur noch mit schlanken, effizienten Prozessen möglich. Dafür benötigen wir Informationstechnologie wie das Data-Warehouse."

Die Informationen bereitzustellen oder sie nutzbar zu machen, sind jedoch zwei Paar Schuhe. Die Bedürfnisse der Endanwender, die das Warehouse letzlich befriedigen soll, wurden laut Manfred Soeffky, Geschäftsführer bei IT-Research, München, bisher schmählich vernachlässigt. Im technischen Bereich gebe es inzwischen "schöne Lösungen" für das Datendesign, das Anzapfen von Quellinformationen für die Datensammlung und -verteilung. Doch wisse etwa der Controller nicht, wie er neue Decision-Support-Objekte erzeugen kann oder wie die Basisdaten definiert sind. Es fehle an Metainformationen.

Wie sich der Abfragemarkt entwickelt, referierte Wolfgang Martin, Analyst bei der Meta Group, anhand amerikanischer Warehouse-Nutzer. Er wies jedoch darauf hin, daß die Deutschen dem amerikanischen Geschehen um 18 bis 24 Monate hinterherhinken. 1997 benutzen die US-Anwender zu rund 74 Prozent altbewährte Berichtsgeneratoren, im kommenden Jahr wird die Zahl auf rund 55 Prozent schrumpfen.

Tools für das Online Analytical Processing (Olap) auf dem Desktop verwenden dagegen nur rund 18 Prozent der Anwender, 1998 werden es 23 Prozent sein.

Rund vier Prozent der Anwender nutzen Olap derzeit in Zusammenhang mit multidimensionalen Datenbanken für die Informationsmodellierung (künftig neun Prozent), und ein operationales Olap ist nur bei drei Prozent der Anwender im Einsatz. Allerdings planen bereits zehn Prozent solcherlei Anwendungen für das kommende Jahr. Die Möglichkeiten einer aktiven Suche nach noch unbekannten Geschäftsregeln mit Hilfe von Data-Mining-Applikationen versetzt zwar viele Anwender in Erregung, bis jetzt hat allerdings nur ein Prozent der User entsprechende Ideen verwirklicht. Die Zahl soll sich 1998 auf drei Prozent erhöhen.

Berichte und Ad-hoc-Abfragen via Desktop erfordern eine vergleichsweise starke Verdichtung der Daten. OBI-Vorstand Zinke lehnt komprimierte Datenstrukturen jedoch strikt ab: "All Business is Detail." Aus rund 200000 Artikeln besteht das Angebot der Kette, vom kompletten Haus bis hin zu Dichtungsstopfen. OBI setzte 1996 in mehr als 400 Märkten und mit rund 25000 Mitarbeitern über fünf Milliarden Mark um. Zirka 1500 Lieferanten beliefern den Händler. Um sich vom Wettbewerb zu unterscheiden, setzt Zinke deshalb auf Kundenorientierung.

Beim Aufbau klotzen und nicht kleckern

Die Konsumenten wollen kein Standardbad. So bietet OBI mittlerweile etwa 3000 Duschkabinenkombinationen an. Außerdem muß jede Niederlassung möglichst zielgruppenorientiert geführt werden. Wo Frauen den Heimwerkermarkt aufsuchen, müssen beispielsweise das Grünpflanzenangebot und die Gartenartikel stimmen.

Heute noch, räumt Zinke ein, besteht die Hauptaufgabe des mittleren Managements darin, nach relevanten Informationen zu suchen.

Das OBI-Data-Warehouse soll neben den standardisierten Berichten auch aus operativen Systemen Reports liefern können, die zu einer besseren Informationsqualität beitrage.

Beim Aufbau eines "Datenlagers" muß von Anfang an "geklotzt und nicht gekleckert" werden, so Zinke. Es sei mit Investitionen von mehr als einer Million Mark zu rechnen.

Zinke kann auf leidvolle Data-Warehouse-Erfahrungen verweisen, denn das erste Projekt schlug fehl. Aus Erfahrung klug geworden, hält das OBI-Vorstandsmitglied heute eine Anforderungsanalyse für unabdingbar. Diese dürfe vor allem nicht außer acht lassen, daß jeder Nutzer eine andere Sicht auf die Daten benötige. Die Analyse sollte den Platzbedarf und das Wachstum des Warehouse berücksichtigen, in welchem zeitlichen Abstand Daten-Updates erforderlich sind, die Definition von User-Klassen, die Zugangstechnologien und Antwortzeiten. Eine einfache Abfrage wie das Erstellen einer Verkaufsübersicht für einen Artikel über eine Woche sollte nicht mehr als zehn Sekunden beanspruchen. Erreicht wurden durchschnittliche Antwortzeiten von 2,5 Sekunden.

Der Prototyp des OBI-Warehouse stand nach vier Monaten. Heute enthält es 1,4 Milliarden Datensätze, die über einen Zeitraum von 25 Monaten vorgehalten werden. Bis zu 400 Mitarbeiter können darauf zugreifen. Laut Zinke war für den Erfolg des Warehouse die klare Definition von Unternehmenszielen maßgeblich. Das One-to-one-Marketing, mit dem sich gezielt Kunden ansprechen lassen, sowie die sogenannten Drehzahlen, in denen die Umschlagshäufigkeit gemessen wird, sollten verbessert werden. Außerdem wollte OBI die Out-of-stock-Sales herunterfahren. Diese Nullverkäufe beziehen sich auf Produkte, die nicht rechtzeitig vorrätig sind, sich aber verkaufen ließen.

Seit der Einführung des Data-Warehouses seien die Umsätze um mehr als fünf Prozent gestiegen, resümiert Zinke den Erfolg des Projektes.

Warehouse-Volumina

Das Institut für Management-Informationssysteme, Ludwigshafen, befragte rund zwei Drittel von 500 Teilnehmern der Data-Warehouse-Konferenz von Microstrategie zu ihren Data-Warehouse-Projekten. Rund 28 Prozent der Befragten verfügen bereits über ein funktionierendes Warehouse, 44 Prozent planen eins, und 22 Prozent haben noch keine konkreten Absichten.