Interview

"Data-Warehouses gehören zur Infrastruktur"

12.11.1998
Mit Michael Saylor, President und CEO von Microstrategy, sprachen die CW-Redakteure Ulrike Litzba und Christoph Witte

CW: Die großen Anbieter von Standardsoftware wie SAP, Baan und Peoplesoft wollen mit eigenen Lösungen in den Data-Warehouse- und Olap-Markt (Olap = Online Analytical Processing) eindringen. Müssen Sie nun Umsatzeinbußen befürchten?

SAYLOR: Der Data-Warehouse-Markt wird sich verändert haben, noch bevor diese Anbieter Fuß fassen können. Zudem erweitern sie lediglich ihre existenten Systeme um Analysemöglichkeiten für die Entscheidungsunterstützung. Das ist Data-Warehousing, wie es 1994 betrieben wurde. Die Grundlage war damals eine relationale Datenbank für 100 bis 200 Benutzer. Heute entwickeln sich bereits Auswertungssysteme für Tausende, die nicht einmal mehr auf relationalen Data-Warehouses beruhen, sondern alles auswerten vom Excel-Sheet bis zum Kreditkartensystem.

CW: Vielleicht wollen die Kunden der Standardsoftwarehersteller aber auf das Data-Warehouse-Angebot ihrer Lieferanten warten?

SAYLOR: Ich denke nicht. Überhaupt haben Data-Warehouses für sich genommen keine Funktion. Die Kunden haben immer schon Anwendungen gebaut, etwa fürs Marketing oder Controlling. Data-Warehouses gehören lediglich zur Infrastruktur einer Lösung. Für Microstrategy bedeutet diese Art von Warehousing, daß es vorgefertigte Data-Pools gibt, in die wir unsere Tools einstöpseln können. Aber noch einmal: Diese Applikationen decken nur einen Teil des Marktes ab. Und dieser Markt befindet sich im Umbruch.

CW: In welche Richtung geht es denn?

SAYLOR: Einfach ausgedrückt: in Richtung E-Commerce. Allerdings wird heute unter E-Business noch der Katalogverkauf verstanden. Doch diese Art des elektronischen Geschäfts stößt bereits an ihre natürlichen Grenzen. Auf der einen Seite ist der Kundenkontakt limitiert, weil die Kunden dafür online sein müssen. Andererseits können nur Spezialisten die Kunden- und Produktdaten interpretieren. In Zukunft lassen sich mit Warehouse-Methoden Kundenprofile viel einfacher erstellen und mit Produktportfolios abgleichen. Mit Hilfe des Ergebnisses kann ein Anbieter gezielt um die Klientel werben, auf deren Profil das Warenangebot paßt. Das ist eine hundertprozentige Umkehrung dessen, was Data-Ware- housing bislang bedeutete: nämlich große Datenbanken re- trospektiv auswerten. Künftig kommt dem Warehouse eine aktive Planungs- und Vertriebsrolle zu.

CW: Wo bekommt der Anbieter all die Kundendaten her?

SAYLOR: Vom Kunden selbst.

CW: Wieso sollte jemand seine persönlichen Daten und Vorlieben weitergeben?

SAYLOR: Weil er dafür Service bekommt. Stellen Sie sich eine Fluggesellschaft vor. Sie weiß ohnehin den Namen, die Kundennummer und die E-Mail-Adresse. Darüber hinaus stellt ihr der Kunde seine Telefonnummern zur Verfügung. Warum der Kunde diese weitergibt? Weil er informiert sein möchte, falls sich sein Flug verspätet oder ausfällt. Eine Ladenkette könnte einen Kiosk aufstellen, in dem die Leute ihre 20 Lieblingsinterpreten, -gruppen oder -schauspieler angeben können. Fände ein Konzert oder eine Aufführung in der Nähe des Wohnorts statt, böte die Kette den registrierten Kunden Karten mit Preisrabatt an.

CW: Aber wer schützt vor einem Mißbrauch der Daten?

SAYLOR: Die Anbieter müssen ihren Kunden Vertrauensschutz bieten. Banken könnten jedem erzählen, wieviel jeder auf der hohen Kante hat, tun es aber nicht. Bei einem Vertrauensbruch würden die Kunden sofort ihr Geld anderweitig anlegen. Das Prinzip wird funktionieren, schlichtweg weil es für den kommerziellen Erfolg eines Unternehmens erforderlich ist.

CW: Soweit die Vision. Nun aber zurück zum Tagesgeschäft Ihres Unternehmens. Microsoft übt mit der Ankündigung eines preisgünstigen Bundlings seiner Datenbank mit Olap-Tools erheblichen Druck auf Anbieter von Data-Warehouse-Technik aus. Mit welcher Überlebensstrategie rüstet sich Microstrategy?

SAYLOR: Nicht einmal zehn Prozent unserer Kunden setzen bislang den "SQL Server" von Microsoft ein. Ein Bündel, wie es die Redmonder anbieten wollen, ist wie eine Tabellenkalkulation in Stereo und wird sich nur für kleine Anwendungen eignen. Auch in Zukunft laufen ausgefeilte Lösungen auf anderen Plattformen, die wir bedienen.