Data Warehouse überwacht Prozesse

11.08.2006
Von Christian Kirschniak 
In Zukunft wird das Data Warehouse die Effizienz von Geschäftsprozessen messen. Unternehmen können diese ihrerseits über ein Cockpit steuern.
Um Prozesse bewerten und steuern zu können, müssen Analyse & Reporting künftig enger eingebunden sein.
Um Prozesse bewerten und steuern zu können, müssen Analyse & Reporting künftig enger eingebunden sein.

Müssen Geschäftsprozesse zeitnah und detailliert betrachtet werden, reichen konsolidierte, archivierte Daten wie sie klassische Anwendungen für Business Intelligence (BI) nutzen, nicht mehr aus. Nur mit spezifischen Einzelinformationen in Echtzeit ist eine tages-, stunden- oder im Bedarfsfall sogar minutenaktuelle Analyse möglich. Die Echtzeitkomponente schafft die Voraussetzung dafür, dass der Prozessverantwortliche die Eingangsparameter des Verfahrens verändern und so den gesamten Prozess optimieren kann. Dazu muss die in BI-Infrastrukturen existierende Trennung der dispositiven Daten von der operativen Ebene möglichst aufgehoben sein.

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Wie aktuell die Daten im einzelnen Fall tatsächlich sein müssen, hängt vom Geschäftsprozess ab. Neben der Aktualität spielen die Menge, Vollständigkeit und die Validität der Kennzahlen eine entscheidende Rolle. Für die Kontrolle von Geschäftsprozessen braucht der Verantwortliche keine aggregierten Informationen aus dem Data Warehouse, sondern relevante Originaldaten. Dies können beispielsweise Durchlaufzeiten in einem Fertigungsprozess sein oder auch die Länge der Wartezeit, die ein Kunde beim Anruf im Call-Center auf sich nehmen muss. Je nach Geschäftsprozess ist eine größere Anzahl von Daten notwendig, die permanent zu pflegen sind. Das erfordert eine hohe Performance des gesamten Data-Warehouse-Systems. Gelingt eine solche Datenerhebung als Basis für die Steuerung von Geschäftsabläufen, befindet sich das Unternehmen auf dem Weg zu einem echten Corporate Performance Management.

Monitoring von Prozessen durch BI-Services

Das Monitoring und die gezielte Steuerung von Geschäftsprozessen sollte keine monolithische BI-Applikation übernehmen, sondern spezialisierte BI-Services. Mit diesen lassen sich spezifische Geschäftsprozesse unterstützen. Prinzipiell können Unternehmen zwar für jeden Geschäftsprozess einen BI-Service entwickeln. Sinnvoller ist es jedoch, sich auf die Kernprozesse zu konzentrieren, die Effizienzgewinn versprechen. Lieferketten beispielsweise könnten in vielen Fällen effizienter ablaufen, ließen sich einzelne Prozesse automatisiert optimieren.

Prozessauswahl

Besonders geeignet für das BI-Monitoring sind hoch automatisierte Prozesse, die zudem sehr datenintensiv sind. Die Freischaltung eines Kartenvertrags durch einen Mobilfunkanbieter ist ein typisches Beispiel. Sämtliche Vorgänge von der Kreditwürdigkeitsprüfung bis hin zur Freischaltung lassen sich in einem Performance-Management-Service (BI-Service) abbilden. Dies können Antwortzeiten externer Server zur Solvenzprüfung sein oder auch die internen Durchlaufzeiten beim Mobilfunkanbieter. Aber auch Prozesse in der Finanzbranche, der Prozessindustrie oder im Handel werden zunehmend automatisiert und lassen sich deshalb für ein BI-Monitoring modellieren. Diese Branchen nutzen meist schon BI-Tools für die klassische Unternehmenssteuerung.

Aufbau von BI-Services

Um BI-Services zu entwickeln, gilt es zunächst den Geschäftsprozess in einzelne Elemente zu zerlegen, die für den gesamten Ablauf relevant sind. Dann folgt der analytische Teil: Die Verantwortlichen untersuchen die beteiligten Prozess-Schritte darauf, ob sich relevante Kennzahlen beziehungsweise Monitorelemente herausbilden lassen. Diese Daten müssen im BI-Service kontrollierbar und für die Steuerung und gegebenenfalls auch für die Veränderung von Geschäftsprozessen relevant sein. Sind diese Informationen dann in einem Datenmodell verankert, lassen sich daraus relevante BI-Services aufbauen. Dabei sollte das Unternehmen berücksichtigen, dass Geschäftsprozesse sich verändern und auch der BI-Service angepasst werden muss.

Deutlich einfacher ist der Aufbau von BI-Services deshalb im Rahmen von Service-orientierten Architekturen (SOA). Denn durch die in einer SOA vorhandenen standardisierten Schnittstellen lassen sich die Services, die die einzelnen Prozessteile unterstützen, einfacher miteinander verbinden. Mit einem unternehmensweiten Metadaten-Management lassen sich so Prozesse auf der BI-Ebene darstellen. Das zentrale SOA-Repository sorgt auch dafür, dass BI-Services schneller an neue betriebliche Abläufe anpassbar sind. Manuelle Änderungen an Schnittstellen sollten dadurch nicht mehr notwendig sein.

Think big - start small

Wenn Unternehmen anfangen, BI-Services auf Prozessen aufzusetzen, sind sie bereits ein gutes Stück in Richtung Business-Performance-Management gegangen. Für eine absolute Transparenz wäre aber jeder relevante Ablauf mit einer BI-Service-Infrastruktur abzubilden. Die Aggregation der daraus gewonnenen Kennzahlen könnte dann in die klassischen BI-Sektoren wie die strategische Unternehmenssteuerung einfließen. Wichtig ist allerdings, dass die Unternehmensführung diesen Ansatz unterstützt, besser noch selbst vorantreibt.

Man sollte zunächst ein oder zwei Kernprozesse prüfen, ob sie sich für ein BPM eignen. Folgende Fragen helfen dabei:

• Bringt das Performance-Management bei einem ausgewählten Prozess ausreichend Effizienzgewinn, um - im Sinne einer klassischen RoI-Betrachtung (Return on Investment) - das betriebliche Ergebnis zu verbessern?

• Welchen zeitlichen Anforderungen unterliegt der Geschäftsprozess?

• Wird eine Aussage über den Ablauf in Echtzeit benötigt, oder sind Zeitverzögerungen hinnehmbar?

• Welchen Einfluss hat die Evaluation der Kennzahlen über den BI-Service auf die Performance der IT-Systeme, die diesen Prozess unterstützen?

Teilprozesse bestimmen

Im nächsten Schritt gilt es dann, den Prozess so zu modulieren, dass er sich in entsprechende Teilprozesse zerlegen lässt. Diese sollten sich dann mit entsprechenden Kennzahlen darstellen lassen. Parallel dazu ist zu prüfen, welche Voraussetzungen die vorhandene IT-Services-Landschaft - zum Beispiel eine SOA - innerhalb eines des ERP-Systeme oder des operativen Systems mitbringt. Sind hier bereits Strukturen vorgegeben, nach denen sich Prozesse unterteilen lassen? Gibt es Subprozesse, auf die bereits BI-Services aufgesetzt wurden? Mit diesem Ansatz lässt sich auch die Trennung von operativen und dispositiven Daten leichter überwinden.

Damit das ehrgeizige Projekt nicht an der Technik scheitert, müssen die Verantwortlichen die Performance ihrer IT-Landschaft im Auge behalten. Hierzu benötigen sie Daten und Informationen, die valide sind und auf die alle Beteiligten zugreifen können. Die Basis dafür muss letztlich ein unternehmensweites Data Warehouse bilden. Da bei einem BI-Monitoring auch grundsätzlich mit Kopien der Originaldaten und nicht nur mit aggregierten Daten gearbeitet wird, benötigt das Unternehmen einen solchen zentralen Daten-Hub, der die Daten mit der nötigen Verfügbarkeit und Performanz dem Performance-Managment und anderen dispositiven Anwendungen zur Verfügung stellt. Um eine hohe Systemverfügbarkeit zu gewährleisten, sind die zugrunde liegenden IT-Systeme redundant auszulegen. Das ist natürlich auch eine Kostenfrage, die eine Kosten-Nutzen-Betrachtung vorab bewerten muss.

Geschäftsprozess vom Cockpit aus steuern

Ein zentrales Dashboard ist ideal, um betriebliche Abläufe zu überwachen. Große Mengen verteilter Informationen laufen hier verdichtet zusammen. Fällt ein Prozess in der Lieferkette oder eine Maschine aus, springt die zugehörige Anzeige auf rot oder der Zuständige wird per SMS, Email, Paging benachrichtigt. Das einfachste wäre, wenn der Mitarbeiter an der Konsole jetzt in den Prozess aktiv eingreifen könnte, um alternative Abläufe zu eröffnen oder die Fehlerquelle zu schließen. Das Monitoring wäre in diesem Fall direkt mit den operativen Prozessen verbunden - der Idealzustand. In der Praxis beginnt man hingegen mit kleineren, klar abgegrenzten Prozesse und Management-Portal-Lösungen. In diesem Portal wird dem Prozessverantwortlichen ein personalisiertes Management-Cockpit für seinen Prozesse angeboten. Er kann damit beispielsweise seinen Lieferprozess nicht nur kontrollieren, sondern auch direkt eingreifen, wobei die Korrektur im besten Fall automatisiert abläuft.

Zukunftsmusik

Noch ist es Zukunftsmusik, mit Hilfe eines Corporate Data Warehouse direkten Aufschluss über die Effizienz von Geschäftsprozessen gewinnen zu können und diese zudem aus dem Cockpit heraus auch noch zu steuern. Tatsächlich müssen sich die meisten Unternehmen zunächst einmal um eine konsistente Datenqualität und die Modellierung ihrer Prozesse bemühen, um entsprechende operative Kennzahlen erheben und auch pflegen zu können. (as)