Neue Beschichtungen führen zu höheren Speicherkapazitäten

Das Zeitalter der Diskette ist noch lange nicht vorbei

14.09.1990

*Erny Hildebrand ist freie Fachjournalistin in Düsseldorf.

Trotz immer schnelleren und leistungsfähigeren Festplatten und CD-ROMs hat die gute alte Diskette noch eine Zukunft Aber auch sie wird immer kleiner und bekommt immer mehr Speicherkapazität.

"Hersteller, die nicht in der Lage sind, zum Beispiel eine 3-Zoll-Diskette mit einer Speicherkapazität von 30 MB zu produzieren, werden langfristig kaum noch eine Chance im hart umkämpften Sektor professioneller DV besitzen", meint etwas provokativ Michael Hahnemann vom Diskettenhersteller 3M. Das Unternehmen führte im Juni 1990 in Deutschland neue 3-Zoll-Disketten mit einer Speicherkapazität von 4 MB ein.

Die Verdoppelung der Kapazität auf netto 2,88 MB gegen. über den bisher üblichen 1,44 MB bei formatierten High-Density-Disketten ist in erster Linie ein Ergebnis der verbesserten Beschichtung der Datenträger mit Barium-Ferrit. Die Partikel liegen nicht mehr in Form mikroskopisch kleiner Nadeln vor, sondern besitzen die Gestalt winziger Plättchen. Dies ermöglicht eine höhere Packungsdichte der Magnetpartikel, verringert die Modulation und sorgt für eine gleichmäßige Signalwiedergabe.

"Die Speicherkapazität von konventionell beschichteten Disketten ist ausgereizt", glaubt Karl-Heinz Ewald von Maxell Europe. Auch sein Unternehmen setzt auf Barium-Ferrit oder Cobalt-Gamma-Ferrit als Beschichtungsmittel. Ewald zu den Ergebnissen: "Mit solchen Beschichtungen läßt sich ohne weiteres eine Schreibdichte von 35000 Bit per Inch erreichen. Ausgedrückt in unformatierter Speicherkapazität bedeutet dies 4 MB." Barium-Ferrit-Beschichtung - so Produkt-Manager Fischer vom Diskettenhersteller Boeder - könnte der "Standard der Zukunft" werden: "Aber die Durchsetzung eines neuen Diskettenmediums ist nicht nur von den Erwartungen der PC-, Laufwerk- und Softwareproduzenten abhängig, sondern auch von der Akzeptanz des Endverbrauchers."

Die Hersteller haben noch weitergehende Überlegungen. "Bei Verwendung von Metall-Magnetpartikeln würde sich auch die Spurdichte erhöhen lassen. Bei 240 Spuren pro Seite und einer Schreibdichte von 36 700 Bit per Inch erzielt man 12,5 MB", berichtet Maxell-Manager Ewald und fährt gleich fort: "Disketten mit 4 und 12,5 MB Speicherkapazität sind bereits fester Bestandteil unserer Produktion in Japan." Auch für die BASF in Ludwigshafen sind 3-Zoll-Disketten mit Speicherkapazitäten von 4 oder mehr als 10 MB keine Zukunftsmusik mehr. BASF-Sprecher Wilfried Sauer: "Für diese Disketten-Generation sind neue, extrem feinteilige und hochkoerzitive Magnetpigmente erforderlich. Bei einer Speicherkapazität von 4 MB werden die Disketten mit einer Barium-Ferrit-Beschichtung und bei einer Speicherkapazität von mehr als 10 MB mit einer Metallpigment-Beschichtung versehen sein." 3M kündigt gar für das Ende der 90er Jahre "voraussichtlich Disketten mit einer Speicherkapazität von 30 MB an".

30 oder 40 MB machbar" aber nicht sinnvoll

Höhere Speicherkapazitäten hängen immer von drei wesentlichen Grundvoraussetzungen ab: höhere Spurzahlen, höhere Schreibdichten und der Koerzitivkraft des Beschichtungsmaterials. Die Koerzivität einer Magnetschicht wird in Oerstedt angegeben und sagt etwas über ihre Magnetisierbarkeit aus. Je höher dieser Wert ist, desto enger lassen sich die einzelnen Bits zusammenpacken, ohne daß man Signalverluste befürchten muß. Heute sind für Disketten Beschichtungen aus Kobaltmodifiziertem Eisenoxid mit einer Koerzivität von 700 bis 750 Oerstedt üblich. Die neue Diskettengeneration mit ihren Barium-Ferrit-Schichten hat eine Koerzivität von 700 bis 950 Oerstedt. Für BASF-Sprecher Sauer stellt sich aber die Frage nach dem Sinn immer größerer Speicherkapazitäten, wenn Disketten ein preiswertes Speichermedium für den Datentransport bleiben sollen: "30 oder 40 MB sind zwar technisch machbar aber nicht sinnvoll, weil sie zu teuer werden."

Die Diskettenhersteller rechnen für das Ende dieses Jahres oder spätestens für 1991 mit den ersten Laufwerken, die ihre neuen 4-MB-Datenträger beschreiben und lesen können. "Wir sind auf diese Entwicklung vorbereitet und werden mit der Einführung dieser neuen Laufwerke auch entsprechende Disketten anbieten", verkündet BASF-Sprecher Sauer. "Das ist natürlich auch abhängig von der Entscheidung der großen Computerhersteller - hier federführend IBM -, wann Computer mit entsprechenden Laufwerken angeboten werden. Wir haben die entsprechenden Disketten bereits zur Marktreife entwickelt", heißt es bei 3M. Und Ewald rechnet fest mit dem Einsatz der 4-MB-Disketten in der kommenden PC-Generation: "Zeitlich gesehen könnten sie Ende dieses Jahres beziehungsweise Anfang kommen. den Jahres Anwendung finden."

4-MB-Disketten im nächsten Jahr

Toshiba hat bereits entsprechende Laufwerke entwickelt, PD-211 und PD 212. Sie werden allerdings bislang nur als Ergänzung zu bestehenden Systemen im Markt angeboten und noch nicht von Computerherstellern integriert. Dies soll sich aber in den nächsten Monaten ändern, Toshiba-Sales-Manager Gordon Logan rechnet mit einer Integration spätestens im nächsten Jahr. Auch Panasonic will ab Ende des Jahres 4-MB-Laufwerke anbieten. Von der Firma Brier Technology sind bereits 3-Zoll-Laufwerke mit einer Kapazität von 25 MB auf dem Markt. Sie verbrauchen weniger Strom als Festplatten, sind verblüffend klein und bieten sich deshalb für die Verwendung in Laptops an.

5-Zoll-Disketten - bei ihrer Einführung auch als Mini-Disketten bezeichnet - haben unterdessen bald ausgedient. Im vergangenen Jahr hatten noch etwas mehr als die Hälfte der weltweit produzierten 110 Millionen Disketten diese Größe. In diesem Jahr lag erstmals die 3-Zoll-Diskette vorn. "Durch den fast ausschließlichen Einsatz von 3-Zoll-Laufwerken in neuen PCs schätzen wir für dieses Jahr einen Überhang von zirka 16 Prozent zugunsten des kleineren Formats. Für 1991 rechnen wir sogar mit einem Überhang von 55 bis 60 Prozent 11 gegenüber der 5-Zoll-Diskette", heißt es bei Maxell. Obwohl von der Speicherkapazität her auch die 5-Zoll-Disketten eine Zukunft haben könnten. "Bis zu 10 MB lassen sich auf einer einzigen Diskette unterbringen", meint 3M-Sprecher Hahnemann. Allerdings: "Die Zukunft dieser Diskettenfamilie wird vor allem durch die Laufwerksdesigner bedroht. Ihren Bestrebungen zur Minimierung der Drive-Abmessungen läuft das relativ große 5-Zoll-Format eher zuwider. Die wachsende Komplexität verlangt kleine Abmessungen aller Komponenten. Die 3-Zoll-Medien besitzen daher schon bauartbedingt Vorteile und sind als das marktführendes Format anzusehen." Das bestätigen auch die Laufwerkproduzenten.

Der Trend könnte eher zu noch kleineren Disketten gehen. 2-Zoll-Disketten werden heute schon in Laptops ("Matsushita-Format") und bei Still-Video-Anwendungen ("Sony-Format") eingesetzt. Die Still-Video-Floppydisk läßt sich zwar grundsätzlich auch als Datadisk einsetzen, es gibt dabei jedoch noch Probleme in der Schnittstellen-Definition.

Gute Chancen für 2-Zoll-Disketten

Boeder-Produkt-Manager Fischer sieht für die nächste Zeit keinen Durchbruch dieses Formats: "Nicht zuletzt die Tatsache, daß es 3-Zoll-Laufwerke gibt, die sehr flach, in großer Stückzahl und damit sehr billig angeboten werden, verhindert die Penetration des 2-Zoll-Diskettenlaufwerks in das Angebot der PC-Hersteller." Beim japanischen Hersteller Fuji ist man da optimistischer: "Sobald die Frage der Hardwarekosten geklärt ist, kann auch die Diskette im 2-Zoll-Format mit guten Chancen für die Zukunft rechnen. Der Vertrieb in größeren Stückzahlen ist bis dahin nicht möglich."

"Für uns ist die Miniaturisierung bei Diskettenformaten von großer Bedeutung. Das heißt, wenn die Hardware kleinere Diskettenformate notwendig macht, wie zum Beispiel Laptops oder Handy-Terminals, werden wir solche Formate produzieren", heißt es dagegen bei Maxell Europe. Fritz Lohwasser von Verbatim rechnet mit dem Durchbruch der kleineren Diskettenformate bis in drei Jahren.

Standard bei Fotoapparaten

Allerdings gibt es für diese Größen noch keine Standards. "Die Hardwarehersteller tun sich auf diesem Gebiet schwer, weshalb auch der Standard auf sich warten läßt. In einem anderen Bereich, bei den Foto-Kameras, scheint sich dagegen das 2-Zoll-Format als Industriestandard durchzusetzen", meint Maxell-Manager Ewald. Bei NEC in Japan arbeitet man mit -noch kleineren Abmessungen. "Dort gibt es Überlegungen für 1,8- oder 1,9-Zoll-Disketten", weiß NEC-Vertriebsleiter Jochen Scheppke zu berichten.

Standardisierungprobleme gibt es auch auf einem anderen zukunftsträchtigen Gebiet. Mit den sogenannten "Floptical-Disketten" lassen sich Speicherkapazitäten von 20 MB erreichen. Im Labortest soll es sogar bereits Datenträger mit einer Speicherkapazität von 100 MB geben. Bei den Flopticals wird der Diskettensektor, auf dem geschrieben oder gelesen werden soll, von einem Laserstrahl abgetastet. Wenn die gesuchte Stelle auf diese Art und Weise gefunden wurde, übernimmt der magnetische Schreib- und Lesekopf die weitere Arbeit. Mit Hilfe des Laserstrahls kann die Positionierung des Magnetkopfes auf der Diskettenoberfläche wesentlich genauer erfolgen. Dadurch läßt sich gegenüber herkömmlichen Disketten eine Verzehnfachung der Spurdichte erreichen. Der Laufwerkhersteller Insite Peripherals, der die Floptical-Disk 1988 erstmals vorstellte, hat damit auf Anhieb die Rekordmarke von 20,8 MB formatierter Kapazität auf einer 3-Zoll-Diskette erreicht. Die optischen Servospuren werden in einer speziellen Prägetechnik aufgebracht. Im Gegensatz zu Verfahren mit magnetischer Servospur muß das Medium nicht völlig fehlerfrei sein, ein versehentliches Überschreiben ist bei der optischen Servospur ausgeschlossen. Aufgezeichnet werden die Daten auf den Flopticals mit einer Bit-Dichte von 24 145 Bit per Inch und einer Spurdichte von 1250 Spuren per Inch.

Die Diskettenhersteller Verbatim und Xidex bieten inzwischen Flopticals an, das Stück für zirka 20 Mark. Die ersten Laptops mit den dazu passenden Laufwerken werden für Ende dieses Jahres erwartet. Verbatim will Anfang nächsten Jahres sowohl Floptical-Laufwerke als auch die notwendigen Disketten in Deutschland auf den Markt bringen.

Flopticals für Backup

Neben dem Einsatz in Laptops könnte eine Zukunft für die Flopticals beim Backup von Festplatten liegen. Mit zwei der neuen Disketten läßt sich so eine Sicherheitskopie von einer 40-MB-Platte machen. Auch die Anbieter umfangreicher Softwarepakete, die heute ja mitunter schon 20 Disketten umfassen, können das neue Speichermedium nutzen. Fritz Lohwasser von Verbatim schätzt: "Der Bedarf an hoher Speicherkapazität wird weiter zunehmen. Integrierte Softwarepakete tragen dazu ebenso bei wie umfangreiche CAD-Programme auf PC-Basis. Hinzu kommt, daß moderne Software das Entstehen großer Dateien geradezu herausfordert." Allerdings fehlt bei den Flopticals noch jedweder Standard. Die derzeit vorgestellten Systeme sind miteinander nicht kompatibel. Außerdem gibt es Schwierigkeiten beim Lesen und Beschreiben der alten 720-KB- und 1,44-MB-Formate.

Insite Peripherals hat inzwischen allerdings ein Floptical-Laufwerk mit Schreib- und Lesefähigkeit für die alten Disketten angekündigt. Konkurrent NEC, der seit einiger Zeit ein 12,5-MB-Floptical-Laufwerk anbietet, hat es bisher nur zur Lesefähigkeit gängiger Disketten gebracht. Dafür setzt das Unternehmen in Japan das neue Laufwerk bereits in einem eigenen PC ein. Heinz-Jürgen Jonschig, NEC-Vertriebs-Manager in München: "Labormuster sind fast nie ein Problem. Wir wollen damit demonstrieren, daß das neue Laufwerk in Serie problemlos produzierbar ist".