Industrie 4.0 ist Chance und Risiko zugleich

"Das Wettrennen um Betriebsdaten und Plattformen ist in vollem Gang"

20.01.2015
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

PLM-Erfahrung hilft Konzernen wie Siemens

CW: Wer wird die Plattformen kontrollieren? Die großen Industriekonzerne wie Siemens oder Bosch? Oder die IT-Hersteller und Cloud-Provider?

Frank Riemensperger: Konzerne wie Siemens und Bosch sind hierfür gut aufgestellt. Sie haben ja schon langjährige Erfahrung, Siemens beispielsweise im Bereich des Produktdaten- und Product Life Cycle-Management (PDM/PLM). Aber auch andere haben gute Chancen. Device Insights aus München beispielsweise ist ein hochinteressantes Startup.

Die bieten eine vollständige Internet-of-Things-Plattform an. Rund um eine kleine Middleware und eine große Library mit API-Adaptern für physische Maschinen ist eine Plattform entstanden, an die jetzt alle Maschinen angeschlossen werden können. Dazu haben sie noch eine Analytik-Engine und eine Visualisierungskomponente. der Anbieter geht damit auf Mittelständler zu und bringt die gesamte Plattform dort in nur drei Monaten live. Diese sind dann in der Lage, Maschinendaten zu sammeln, zu analysieren und Services wie Predictive Maintenance anzubieten.

CW: Welche Rolle spielt der CIO in der Industrie-4.0-Welt?

Frank Riemensperger: Alle Abteilungen kaufen heute Technologien ein. Aber diese zuverlässig und sicher zu betreiben, ist nochmal etwas ganz anderes. Die Qualitätsanforderungen eines sicheren Betriebs müssen auch in Zukunft unbedingt gewährleistet sein. Die dafür nötigen Qualifikationen finden Sie nur im CIO-Office. Der CIO wird eine normierende, strukturierende Rolle wahrnehmen.

CIOS haben eine normierende, strukturierende Rolle

CW: Das klingt ein bisschen langweilig. Wird der CIO nicht die treibende Kraft im Digitalisierungsprozess?

Frank Riemensperger: Man kann den CIO-Job in unendlich vielen Kategorien vermessen. Eine die wir benutzen, ist Infrastructure, Integration, Intelligence und Innovation. Die Infrastrukturseite war immer Thema des CIO, aber sie wird gerade durch die Cloud-Anbieter massiv angegriffen. Wenn aber die Infrastruktur bei den Anbietern liegt, dann geht es vor allem um Integration. Wie kann ich Prozesse und Daten in einer Infrastruktur organisieren, die hybrid ist? Die ERP-Themen sind meist abgeschlossen, doch jetzt kommt die hybride Welt mit enormen Integrationsaufgaben. Die dritte Achse, alles was mit Intelligence zu tun hat, Big Data und Analytics vor allem, das macht kein CIO alleine. Da muss er sich immer einen Partner aus dem Fachbereich suchen.

Auf der Infrastructure-Seite machen heute alle dasselbe, hier wird zentralisiert. Auf der Integrationsseite wird es diffiziler, die Prozessintegration hat eine größere Varianz - aber auch das ist über die Unternehmen hinweg vergleichbar. Individuell und unternehmensspezifisch wird es beim Thema Analytics. Hier findet man sehr viele unterschiedliche Herangehensweisen. Und vollständig individuell wird es bei der Innovation. CIOs werden sich noch weiter in die Welten Intelligence und Innovation bewegen. Dort spielt die Musik. In welchem Tempo man hier vorangeht, hängt natürlich ganz stark von der Branche ab.

Um letztlich in der "Smart Service Welt", einer Welt, in der nicht mehr Produkte, sondern Services verkauft werden, einen entscheidenden Beitrag zu Formulierung und Realisierung der digitalen Unternehmens- und Überlebensstrategie im digitalen Wettbewerb zu leisten, kann sich der CIO als "Chief Digital Architect" neu positionieren. Er ist es ja gewohnt, in Architekturen zu denken, komplexe Technologien zu bündeln und zu konfigurieren, Verfahren sicher in Betrieb zu nehmen und über Jahre und Jahrzehnte im Betrieb zu halten. Der digitale Wettbewerb wird auch über zukunftsweisende digitale Architekturen entschieden. Das ist die Chance für den CIO. Hier kann er seine Kernkompetenzen voll ausspielen.

Diese vier "I" fordern den CIO

Accenture-Chef Riemensperger sieht den IT-Manager unter folgenden vier Aspekten in der Pflicht, wobei die beiden letzten Punkte an Bedeutung zunehmen:

Die vier I

Die IT-Infrastruktur war immer ein Kernthema für den CIO. Es wird aber durch den Cloud-Trend an Bedeutung verlieren.
Die Integration auf System- und Prozessebene bleibt eine Herausforderung. Hybrid-Cloud-Umgebungen werden IT-Abteilungen beschäftigen.
Business Intelligence und Analytics sind wettbewerbsrelevante Technologien. CIOs werden daran gemessen werden, wie sie mit dem Rohstoff Daten umgehen.
In Zusammenarbeit mit den Fachbereichen müssen sich CIOs Gedanken machen, mit welchen intelligenten Produkten und Services der künftige Unternehmenserfolg sichergestellt werden kann.