John Diebold über Zukunftsperspektiven neuer Technologien:

Das weltweit verkabelte Dorf rückt näher

27.08.1982

WASHINGTON, D. C. (cmd) - Beim Einsatz von Automationstechniken wird in Zukunft nicht so sehr die Automatisierung vorhandener Tätigkeiten im Mittelpunkt stehen als vielmehr das Aufspüren neuer Geschäftstätigkeiten. Dies zu entwickeln ist nach Meinung von John Diebold. dem Chef und Inhaber des gleichnamigen internationalen Beratungsunternehmens, vor allem eine "unternehmerische Aufgabe des Topmanagements".

Auf der diesjährigen Hauptversammlung der "World Future Society" in Washington zog Diebold ein Resümee der erkennbaren Konsequenzen der Automation und beschäftigte sich mit Zukunftsperspektiven. Seiner Meinung nach wird die Automation zu den wichtigsten Wettbewerbsfaktoren jedes Industriestaates gehören. Mit Blick auf die möglichen Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation meinte er, es sei vor allem notwendig, Übergangsmechanismen für den Wechsel von "untergehenden" zu "aufgehenden" Berufen zu schaffen. Gerade das Bemühen, sterbende Branchen künstlich am Leben zu erhalten, bedrohe die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft.

Der Durchschnittsbürger wird nach Auffassung Diebolds im Alltag zunehmend automatischen Systemen begegnen und damit umgehen: 50 gehöre der Tischcomputer bald zur allgemein geforderten Ausrüstung des Collegestudenten. Die Möglichkeit, interaktive Videosysteme zur Regelung des Zahlungsverkehrs zu nutzen, ändere Einkaufsgewohnheiten und in der Folge auch sämtliche Marketing- und Vertriebsgewohnheiten im Einzelhandel und im Bank- und Kreditwesen.

Weiter würden medizinische Diagnosen und Routineüberwachungen bei Patienten mit größerer Qualität und geringerer Fehlerhäufigkeit von automatischen Systemen vorgenommen. Durch das Zusammenwirken von Computergrafik, Videotechnik und umfassender Datenbanksysteme werde schließlich auch das Bildungsangebot wesentlich interessanter und ermögliche verfeinerte Lehrprogramme.

Angesichts der rasanten technologischen Entwicklung sieht Diebold bald noch benutzerfreundlichere Systeme mit weit höherem Integrationsgrad als heute verfügbar, Die dezentrale Daten- und Textverarbeitung mit vielen Terminals unter Einbeziehung von Grafik und Spracherkennung stelle nur einen ersten Schritt auf diesem Wege dar.

Die Konsequenzen, die die Automation für das Wirtschaftsleben bringe, beschreibt Diebold in sechs Punkten. Erstens seien für die Herstellung der meisten Produkte mehr Kapitalinvestitionen erforderlich. Durch den daraus resultierenden höheren Fixkostenanteil vergrößere sich das unternehmerische Risiko.

Zweitens werde der raschere Übergang von einem Produkt auf das andere und damit ein Mehr an Flexibilität notwendig. Zum dritten steige sowohl im Büro als auch in der Fertigung der Kapitaleinsatz pro Arbeitsplatz. Viertens verkürze sich auf jeder organisatorischen Ebene des Unternehmens die Reaktionszeit.

Fünftens erfordere die Zahl von Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten eine detailliertere Einsatz- und Investitionsplanung in der Fertigung. Sechstens schließlich werde die Möglichkeit, Produkte mit höherer Qualität und in kürzerer Zeit anzubieten, auch das Bevorratungskonzept ändern.

Im Hinblick auf die technischen Zukunftsperspektiven rechnet Diebold damit, daß noch vor Ende dieses Jahrzehnts Maschinen in Serie gehen, die auf jede benötigte menschliche Sprache reagieren. Insgesamt sieht er das weltweit verkabelte Dorf mit allen soziologischen Konsequenzen Realität werden.