Präsentationen, Schulungen und Teamarbeit im Internet

Das Web wird zum Konferenzraum

07.05.1999
MÜNCHEN (fn) - Mit Präsentationen, Schulungen, Konferenzen und Teamwork via Internet können sich Firmen sowohl teure Geschäftsreisen als auch kostspielige Hard- und Software-Ausstattung für Videokonferenzen sparen.

Statt per Auto, Flugzeug oder Zug zu einer Schulung oder Konferenz zu hetzen, sollen die Anwender Internet-basierter Kommunikationsprodukte bequem über das Internet kommunizieren. Bisher entbanden vor allem Videokonferenzsysteme, wie sie beispielsweise Picturetel oder White Pine herstellen, vom Zwang zur Geschäftsreise. Doch sie erfordern spezielle Hard- und Software, beispielsweise eine Videokamera am PC. Ferner zielen diese Lösungen auf die interaktive Echtzeitkommunikation zwischen Personen ab, während die Produkte von Herstellern wie Websentric und Realnetworks auf die Übertragung von Text, Dokumenten, Präsentationen sowie Audio- und Videodaten über das Internet spezialisiert sind.

Jüngst stellte die kalifornische Startup-Company Websentric ihr Konzept "Web-based Presentation Conferencing" vor. Nach Angaben des Anbieters benötigt der User außer einem Web-Browser von Microsoft oder Netscape ab der Version 4.x keine zusätzliche Ausstattung, um an Präsentationen und Schulungen teilzunehmen. Dabei sieht der Zuschauer nicht das Videobild des Moderators, sondern lediglich dessen Präsentation. Zusätzlich zur Slideshow lassen sich Audioinhalte sowie Web-Animationen einstreuen, die den Vortrag begleiten.

Websentrics Angebot basiert auf der Internet-Service-Plattform Presentation.net (http://www.presentation.net). Dort richtet sich der Anwender einen Arbeitsbereich ein. So bestimmt er beispielsweise, wer an einem Vortrag oder einer Schulung teilnehmen darf. Eine Paßwortabfrage beschränkt den Zugriff auf eine geschlossene Gruppe von Teilnehmern. Außerdem legt der Moderator seine Präsentationsdokumente im Arbeitsbereich ab. Entweder erzeugt er seine Vorführung mit dem kostenlosen Tool "Webpresenter", oder er läßt seine mit "Powerpoint" oder dazu kompatiblen Werkzeugen erstellten Vortragsdokumente automatisch in ein Web-basiertes Format von Presenter.net umwandeln. Darüber hinaus verarbeitet die Web-Site auch Dokumente, die in der Extensible Markup Language (XML) verfaßt worden sind.

Zur Zeit befindet sich der Dienst allerdings noch im Beta-Stadium. Am Ende des zweiten Quartals 1999 soll er dann freigeschaltet werden und steht dann auch deutschen Anwenderunternehmen zur Verfügung. Firmenkunden sind so in der Lage, Schulungen, Präsentationen und auch Konferenzen über das Internet ohne große Vorbereitungen abzuhalten. Da die Datenübertragung per Hypertext Transfer Protocol (HTTP) erfolgt, den Transportmechanismus des WWW, lassen sich Präsentationen auch über Firewalls hinweg organisieren. Denn anders als bei HTTP muß der Administrator zur Übertragung spezieller Protokolle zunächst die Sicherheitsbarriere entsprechend anpassen, was unter Umständen riskant sein kann.

Beim Vertrieb fährt Websentric zweigleisig: Firmen können sich direkt an das Unternehmen wenden und gegen Gebühr Präsentationskapazitäten einkaufen. Alternativ dazu will der Anbieter Telekommunikationsgesellschaften und Internet-Service-Provider dazu gewinnen, Presentation.net als Mehrwertdienst zu vermarkten. Dieses Geschäftsmodell hat beispielsweise die Internet-Firma Broadcast. com bereits realisiert, wenn auch nicht mit der Websentric-Technik. Neben der auf private Konsumenten zugeschnittenen Verbreitung von Audio- und Videoinhalten über das Web bietet Broad- cast.com Services für Firmenkunden an. Zum Beispiel übertragen Unternehmen ihre Jahreshauptversammlungen über diese Web-Site. Zuhörer klinken sich dabei mit der weit verbreiteten Abspielsoftware "Realplayer" des Softwareherstellers Realnetworks ein.

Spezielles Multimedia-Netz

Laut Anbieter nutzen zur Zeit etwa 60 Millionen Anwender das Tool. Realnetworks ist damit Marktführer im Bereich Streaming-Technik. Darüber hinaus betreibt das Unternehmen gemeinsam mit einigen Telekommunikationsgesellschaften und Internet-Service-Providern (ISPs) in den USA das Real Broadcast Network (RBN). Über das Netz können Firmen multimediale Inhalte mit einer garantierten Qualität übertragen. Insbesondere bei der Übertragung von Videodaten kommt es auf die ständige Verfügbarkeit einer bestimmten Bandbreite an, die im herkömmlichen Internet oft nicht gegeben ist.

Auch hiesige Firmen, beispielsweise die Deutsche Telekom sowie der Chemiekonzern Hoechst, übertrugen ihre Hauptversammlungen bereits über das Web. Allerdings mußten sie diese Events selbst auf die Beine stellen, da es Dienstleister wie Broadcast.com und Netze wie das RBN hierzulande noch nicht gibt.

Über den Realplayer lassen sich auch Präsentationen ê la Powerpoint via Internet verbreiten. Realnetworks entwickelte hierzu den "Live Classroom Presenter". Er wandelt Slides in GIF- oder JPEG-Files um und verschickt sie als kontinuierlichen Datenstrom über das Web an die mit dem Realplayer ausgestatteten Zuhörer. Darüber hinaus kann der Anwender den Sprecher in einem kleinen Videofenster betrachten. Ein Chat-Dialog erlaubt ihm ferner, während der Vorführung Fragen zu stellen.

Mit Präsentationen hat die US-Firma Instinctive Technology aus Cambridge nichts im Sinn. Sie hat sich ganz auf Teamarbeit via Internet spezialisiert. Über "E-Room" bauen Projektmitarbeiter, die an verschiedenen Orten sitzen, eine virtuelle Arbeitsumgebung auf. Die Lösung basiert auf Erweiterungsmodulen für Web-Server und Browser. Mitglieder eines Teams haben per Internet Zugriff auf den Status des Projekts sowie auf Arbeitsmaterialien. Ähnlich wie bei Websentric auch erfolgt der Datenaustausch rein über HTTP. Für die zweite Jahreshälfte hat Instinctive Technology die Version 4.0 von E-Room angekündigt. Sie wird über Verbindungsmodule zu Dokumenten-Management-Systemen verfügen. Ferner will der Hersteller sein Tool an Microsofts "Office 2000" anpassen. Auf diese Weise haben Projektmitarbeiter dann auch auf Unterlagen aus diesen Systemen Zugriff.

Bisher agiert Instinctive Technology vorwiegend auf dem US-Markt. Lediglich ein Partner in London realisiert Projekte in Europa. Dagegen sind sowohl Realnetworks als auch Websentric bereits mit einer hiesigen Niederlassungen vertreten.