Interview

"Das Web ist unglaublich nützlich"

03.07.1998

Gore: Die Regierung glaubt auch weiterhin an ein ausgewogenes Vorgehen - sie befürwortet das Wachstum eines sicheren elektronischen Handels sowie den Schutz der öffentlichen und nationalen Sicherheit. Sie will ferner auch weiterhin die technologische Führerschaft der US-Industrie fördern. Keine vernünftige Politik kann diese Ziele ignorieren. Die Herausforderung besteht lediglich darin, einen Weg zu finden, der alledem gerecht wird. In den vergangenen anderthalb Jahren sind erhebliche und ermutigende Fortschritte gemacht worden, indem man von industrieweit anerkannten, vom Markt angenommenen Lösungen ausging. Dies gilt insbesondere auf dem Gebiet der Codierung und Decodierung von Schlüsseln für gespeicherte Daten. Allerdings ist die US-Regierung nicht auf eine einzige Technologielösung fixiert. Wir halten es für das beste, in den kommenden Monaten einen vertrauensvollen Dialog zwischen der Industrie und der Legislative aufrechtzuerhalten. Dieser soll kooperative Lösungen hervorbringen, anstatt daß gesetzliche Kontrolle ausgeübt wird.

CW: Was halten Sie davon, den Handel im Internet zu besteuern? Sollten solche Abgaben auch auf im WWW agierende Versandhäuser Anwendung finden?

Gore: Im Repräsentantenhaus und im Senat gibt es zu diesem Thema konkurrierende Gesetzesvorschläge. Aus diesem Grund ist es für mich schwer, mich zu einer möglichen künftigen Gesetzgebung zu äußern. Meine persönliche Meinung und die des Präsidenten ist, es sollte ein Moratorium für Steuern geben, die aus im Internet getätigten Geschäften resultieren. Solch ein zeitlich begrenzter Aufschub sollte auch für Steuern auf Gewinne gelten, die über den E-Commerce erwirtschaftet werden. Inkonsistente und doppelte Steuerverpflichtungen, die aus 30000 unterschiedlichen staatlichen und lokalen Steuerrechtsprechungen herrühren und die die Entwicklung des Internet behindern, sind nicht wünschenswert. Allerdings können wir es auch nicht zulassen, das Internet zum Steuerparadies aufzubauen und so die Kassen unserer Staaten und Städte zu leeren. Die sind auf das Geld angewiesen, um unsere Kinder zu erziehen und unsere Straßen sicher zu machen. Wir brauchen unbedingt eine Kommission, die die Langzeitauswirkungen des E-Commerce zu ergründen sucht und die ein politisches Rahmenwerk entwirft, das gleichermaßen einfach und gerecht ist und es dem Internet erlaubt zu blühen.

CW: Was würden Sie als Präsident tun, um Forschung und Entwicklung im privaten Industriesegment zu unterstützen? Um die Entstehung neuer Produkte zu fördern, die das Potential haben, marktbeherrschend zu sein? Die Steuervergünstigungen für Forschung und Entwicklung haben wesentlich zum Boom von US-amerikanischen High-Tech-Unternehmen beigetragen. Würde Ihre Administration solche staatlichen Initiativen weiter unterstützen?

Gore: Präsident Clinton und ich haben Forschung und Entwicklung immer sehr befürwortet. Ich habe schon früher in diesem Jahr bekanntgegeben, daß die Regierung eine Verlängerung der jetzigen Abgabenregelung in ihr Budget eingerechnet hat, und ich persönlich würde sie gerne dauerhaft einrichten. Unternehmen könnten dann solche Vergünstigungen besser einplanen.

CW: Wie stehen Sie zu Ausländern, die in ihrem Fachberuf hochspezialisierte Kenntnisse besitzen und in den USA arbeiten wollen?

Gore: Sie sprechen von Spezialisten, die bei uns mit dem H-1B-Visum arbeiten könnten. Wir wollen die Zahl solcher Visa erhöhen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, daß gleichzeitig amerikanische Arbeitskräfte geschützt und Menschen in den entsprechenden Tätigkeitsfeldern verstärkt ausgebildet werden.

CW: Wie oft benutzen Sie selbst das Web?

Gore: Für mich ist das Web unglaublich nützlich. Ich verwende es, um für Reden zu recherchieren, um Finanzmärkte zu beobachten, neueste Meldungen zu verfolgen, mit meinen Mitarbeitern zu kommunizieren - oder einfach, um herauszufinden, welches Wetter an den Orten herrscht, die ich besuche.