Kolumne

"Das Web ändert Verhalten?

09.12.1998

1998 war unter anderem das Jahr der E-Commerce-Studien. Kaum eine Woche verging, in der Marktforscher nicht neue Wachstumsprognosen für das Online-Shopping vorlegten. Die große Zahl dieser Untersuchungen verleitete einige professionelle Bedenkenträger zu der Aussage, daß das Geschäft der Auguren mit der Unsicherheit der Anwender bisher lukrativer gewesen sein dürfte als das der Online-Anbieter selbst.

Doch trotz dieser Unkenrufe sollte kein Unternehmensstratege glauben, seine Organisation bräuchte sich um den Internet-Handel nicht zu kümmern. Denn die eigentliche Gefahr liegt (noch) nicht in den ohne Online-Auftritt verlorenen Umsätzen, sondern in der sich abzeichnenden grundlegenden Veränderung des Käuferverhaltens, und zwar sowohl dem der Unternehmens- als auch der Privatkunden. Dabei geht es vor allem um Angebots- und Preistransparenz.

Schon heute wimmelt das Web von Agenturen, die sich anheischig machen, ein bestimmtes Produkt zum niedrigsten Preis zu finden. So gibt es Search-Sites, die einen automatischen Preisvergleich zwischen diversen Anbietern anstellen. Der Interessent gibt einen Höchstpreis beispielsweise für seinen Wunsch-PC an und kann aus der angezeigten Liste direkt bestellen. Natürlich existieren solche Services auch für Versicherungen, Reisen und Dinge des täglichen Bedarfs. Darüber hinaus bedienen sich Unternehmen in letzter Zeit auch Auktions-Sites, über die sie ganze Projekte ausschreiben.

Ob ein Interessent online kauft oder es vorzieht, sich das Produkt zunächst im Laden anzuschauen beziehungsweise den Vertriebsbeauftragten zu einer Präsentation einzuladen, spielt nicht die entscheidende Rolle. Viel wichtiger ist, daß der Verkäufer auf einen weitaus informierteren Kunden trifft, der sich bereits vorher bequem im Internet schlau gemacht hat über Kosten, Services, Garantieleistungen, Lieferfristen etc. Das hat mehrere Konsequenzen: Wer nicht ausführlich im Web informiert, bei dem wird erst gar nicht angefragt - und die Lieferanten, deren Preise sich national stark unterscheiden (Software- und Hardware-Anbieter beispielsweise), müssen sich auf unangenehme Fragen vorbereiten.

So oder so: E-Commerce verändert Märkte und Nachfrageverhalten. Wer sich darauf nicht einstellt, hat schon verloren.