Hersteller versperrt Upgrade-Pfade von der Vorgängerversion

Das Warten auf Suns Ultrasparc III hat ein Ende

06.10.2000
MÜNCHEN (CW) - Sun Microsystems stellte vergangene Woche, mehr als zweieinhalb Jahre nach der ersten Ankündigung, die jüngste Generation seiner Server-Prozessoren vor. Der ehemals unter dem Codenamen "Cheetah" gehandelte "Ultrasparc III" soll die Basis für das künftige Geschäft darstellen. Sun-Kunden könnte das CPU-Upgrade aufgrund mangelnder Kompatibilität zur Vorgängerarchitektur jedoch teuer zu stehen kommen.

"Immer wieder bekommen wir zu hören, wir seien mit unserem Produkt spät dran", wundert sich Ed Zander, President und Chief Operating Officer (COO) von Sun, auf der anlässlich der Produktfreigabe in New York abgehaltetenen Pressekonferenz. In Bezug auf die eigene Roadmap habe sich Sun zwar verspätet, generell halte er den Zeitpunkt für die Markteinführung der neuen Produkte jedoch eher für früh, verteidigt sich der Manager. Dass die Sun-Kunden diese Sicht teilen, steht jedoch in Zweifel.

Ende 1997 hatte das Unternehmen den Ultrasparc III erstmals angekündigt, der dann eigentlich Ende vergangenen Jahres hätte debütieren sollen. Aufgrund technischer Probleme musste der Termin jedoch etliche Male verschoben werden. Dennoch dürfte sich das Warten nach Ansicht von Analysten gelohnt haben: So geht eine von der Gartner Group im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie davon aus, dass Systeme mit der neuen CPU zwischen 75 und 100 Prozent mehr Leistung erbringen dürften als Suns bisherige Maschinen. Diese Vorschusslorberen, die allein aufgrund technischer Daten erteilt wurden, müssen sich die Ultrasparc-III-Server allerdings erst noch verdienen.

Der neue 64-Bit-Prozessor arbeitet mit 29 Millionen Transis-toren, 64 KB Daten- und 32 KB Befehls-Cache auf Level 1 sowie 8 MB Level-2-Cache. Der Chip kann über den Systembus 2,4 GB/s transportieren. Der Datendurchsatz zwischen CPU und Hauptspeicher liegt bei 4,8 GB/s, zwischen Prozessor und Level2-Cache bei 8 GB/s. Der ab so-fort verfügbare Chip, der von Texas Instruments gefertigt wird, arbeitet anfänglich mit Taktraten von 600 und 750 Megahertz, eine schnellere 900-Megahertz-Ausführung mit Kupferleitern soll im Dezember dieses Jahres auf den Markt kommen.

Der Ultrasparc III benötigt die leicht modifizierte, an die Leistungsmerkmale des neuen Prozessors angepasste Version 8 der hauseigenen Unix-Variante Solaris.

Nach Angaben von Sun Deutschland laufen bestehende Solaris-Applikationen auch unter der jüngsten Version des Sun-Betriebssystems. Ein Upgrade sei also unproblematisch. "Die Softwarekompatibilität zu älteren Versionen ist ja der Vorteil der Solaris-Plattform", betont Sun-Sprecher Carsten Müller.

Hardwareseitig dürften Kunden beim Umstieg auf Ultrasparc III jedoch nicht ganz so glimpflich davonkommen: Bisherige Ultrasparc-II-Maschinen lassen sich nämlich nicht per Board-Upgrade mit der Nachfolger-CPU aufrüsten. Das bedeutet, dass bei einem Umstieg auf die aktuellste CPU-Generation die komplette Hardware ausgetauscht werden muss.

Kein Board-Upgrade möglichNach Suns etwas seltsam anmutender Roadmap-Gepflogenheit sind nur jeweils die mit geraden Zahlen benannten Versionen zum Vorgängerprozessor kompatibel. Demnach werde sich erst der "Ultrasparc IV", der mit 1,8 Gigahertz im Lauf der nächsten 18 bis 24 Monate erscheinen soll (ursprünglich war er für Dezember 2000 geplant), wieder mit dem Ultrasparc-III-Board vertragen. Beim "Ultasparc V" jedoch, dessen Markteinführung für die zweite Jahreshälfte 2003 ins Auge gefasst ist, wird sich die Sun-Gemeinde dann voraussichtlich wieder mit einem ähnlichen Kompatibilitätsproblem konfrontiert sehen.

Konkrete Gedanken über eine Upgrade-Hilfe gerade für Internet-Unternehmen, die eine höhere Server-Leistung besonders dringend brauchen dürften, hat sich der Weltmarktführer scheinbar noch nicht gemacht - auch wenn man die Anwender natürlich nicht im Regen stehen lassen wolle, wie Sun-Sprecher Müller versichert. Allerdings befinde man sich mit dem Ultrasparc-II-Modell auch nicht in einer Sackgasse. So werde der Vorgänger des neuen CPU-Stars ebenfalls weiterentwickelt. Erst kürzlich habe man wieder eine neue Ultrasparc-II-Variante für Embedded-Applikationen vorgestellt. Sun-Kunden müssten sich demnach nicht unmittelbar von Ultrasparc-II-Produkten lösen, selbst wenn der Neuling momentan das Maß der Dinge sei. Wie die Embedded-Version des Ultrasparc II Anwender mit Highend-Servern zufrieden stellen soll, bleibt allerdings schleierhaft.

Innige Beziehung zum Hersteller von Nutzen"Für Upgrade-Interessenten gibt es durchaus flexible Möglichkeiten des Aufrüstens", versichert Müller. Wie diese genau aussehen, kann Sun derzeit jedoch nicht beschreiben. Diese Möglichkeiten seien nicht als generelles Angebot anzusehen, so Müller, es handle sich dabei eher um individuelle Vereinbarungen, die von Faktoren wie der Art der Kundenbeziehungen, der Wartungsverträge sowie der Einsatzdauer der Ultrasparc-II-Server abhingen. Wohl dem, der in weiser Voraussicht bereits frühzeitig am Aufbau einer innigen Beziehung zu seinem Hersteller gebastelt hat.

Die Mehrleistung des Ultrasparc III kommt vorerst nur im Lowend des Sun-Portfolios zum Einsatz. Nach Meinung von Analysten ist dies ein durchaus logischer Ansatz bei der Einführung eines neuen Chipdesigns: Man fängt mit den kleineren Systemen an, bevor man sich zu den komplexeren Highend-Modellen vorarbeitet. Zunächst bringt der kalifornische Hersteller demnach Workstations und kleinere Server auf Basis des neuen Chips heraus. Erstes Ultrasparc-III-Produkt im Workstation-Bereich ist die "Sun Blade 1000" (bisher "Excalibur"), die in vier Ausführungen erhältlich ist. Das Lowend-Modell mit 600-Megahertz-CPU soll auf keiner Preisliste erscheinen, sondern ausschließlich auf dem Auktionsweg über Ebay erhältlich sein. Laut firmennahen Quellen hat Sun bereits seit einiger Zeit auf experimenteller Basis Lowend-Server wie "Enterprise-3500"-Produkte über Ebay versteigert. Unter dem Motto "Dynamic Pricing" will der Server-Hersteller damit zum einen die Aufmerksamkeit für seine neuen Produkte erhöhen, zum anderen via Feldforschung ermitteln, welche Preise der Markt akzeptiert. Fünf Exemplare der Sun Blades, die die Kalifornier anlässlich des Debüts der neuen Maschinen mit Signatur von Suns Chief Executive Officer (CEO) Scott McNealy über das Web-Auktionshaus versteigern wollen, sollen den Stein wohl ins Rollen bringen.

Als zweite Sun Blade 1000 ist eine Uniprozessor-Ausführung mit 750 Megahertz für knapp 10000 Dollar erhältlich. Das analoge Zwei-Wege-System schlägt mit knapp 20000 Dollar zu Buche. Zu diesem Preis soll dann auch eine ab Dezember erhältliche Ein-Wege-Maschine mit 900 Megahertz zu haben sein.

Kippt man die Workstation auf die Seite und packt sie in ein Rack-Gehäuse, so erhält man im Wesentlichen den ersten Ultrasparc-III-Server "Sun Fire 280" (Bauhöhe 4U). Die Maschine lässt sich derzeit mit maximal zwei CPUs bestücken und kann bis zu 8 GB Haupt- und 72 GB Plattenspeicher verwalten. Eine 900-Megahertz-Ausführung ist offiziell noch nicht vorgesehen. Anfänglich gibt es die Sun Fire nur in Kombination mit dem 327 GB fassenden "Storedge-T3"-Array für insgesamt knapp 90000 Dollar. Ab Ende des Jahres soll die Maschine zum Einstiegspreis von rund 10000 Dollar auch "pur" erhältlich sein. Ob das erzwungene Bundle aus Server und Plattensubsystem Käufer anlockt, wird sich zeigen. Die dahinterstehende Sun-Strategie bleibt jedenfalls im Dunkeln. Böse Zungen behaupten, Sun versuche damit, den Verkauf seiner Speichersysteme anzukurbeln.

Münden soll die Ultrasparc-III-Entwicklung letztlich im Nachfolger der bisherigen, mit 64 CPUs bestückten "Ultra Enterprise 10000". Der 128-Wege-Koloss "Starcat" soll allerdings erst "in sechs bis neun Monaten" auf den Markt kommen. Viele Dotcom-Kunden, denen momentan der Ansturm des Weihnachtsgeschäfts ins virtuelle Haus steht, fühlen sich mit diesem Zeitplan im Stich gelassen. Erste Workgroup- ("Daktari") und Midrange-Server ("Serengeti") mit Ultrasparc III sollen allerdings schon vorher Marktreife erlangen.

Konkurrent Hewlett-Packard, der vor zwei Wochen sein Highend-Unix-System "Superdome" angekündigt hat (siehe COMPUTERWOCHE 38/00, Seite 43), lacht sich angesichts des Verfügbarkeitstermins der Starcat-Systeme ins Fäustchen. "Das ist großartig für uns", freut sich Marketing Director Mark Hudson. HP liefert die ersten Superdomes allerdings auch nicht vor Ende dieses Jahres aus. Ebenfalls zu spät für das Weihnachtsgeschäft.

Solaris wurde in der Version 8 vor allem mit besseren Verfügbarkeits- und Administrations-Funktionen ausgestattet. Zu den neuen Features gehören IP Network Multipathing, also die Möglichkeit, ein System über mehrere Netzwerkkarten anzuschließen, feste IP-Adressen für mobile Geräte sowie WBEM-Management (Web-based Enterprise Management). Zudem wurde die neue Version im Desktop-Bereich um die Unterstützung für Firewire-Peripherie und um Treiber für Wechselmedien (Zip, Jaz), CD-Brenner und DVD-Laufwerke erweitert.

"Capacity on Demand" auch für die NeuenNach dem Prinzip "Systemleistung nach Bedarf", sprich der schrittweisen Freischaltung ungenutzter CPUs, will Sun - ähnlich wie es HP für die Superdome-Server angekündigt hat - sein "Capacity-on-Demand"-Angebot (COD) auch auf die neuen Server ausweiten. Bis es so weit ist, werden laut Sun Deutschland jedoch noch zwei bis drei Monate ins Land gehen. Das flexible Herunterfahren etwa nur zeitweise benötigter Rechnerkapazität hingegen, wie es Rivale HP inzwischen bietet, ist bei Sun zunächst nicht vorgesehen. Allerdings arbeite man an einem in dieser Hinsicht flexibleren Model, erklärt Sun-Sprecher Müller.

Für ihre strategische Ausrichtung hat die McNealy-Company, die sich von Beginn an den Slogan "Das Netz ist der Computer" auf die Fahnen geschrieben hatte, ein neues Schlagwort gefunden: Hardware, Software und Serviceangebote sollen sich künftig nach dem "Net Effect" richten, sprich den Auswirkungen der globalen Vernetzung. Was Sun damit meint, ist ungefähr so klar wie die "Visionen" der Konkurrenz, die ebenso den Anspruch für sich erhebt, die allein seligmachenden IT-Strategien der Zukunft ersonnen zu haben.

Die wichtigste Veränderung der IT-Landschaft stellt laut Sun-Chefentwickler Greg Papadopoulos der Paradigmenwechsel bei der Anwendungsentwicklung dar: Während früher ein Softwareanbieter versuchte, in C oder C++ eine einzelne Applikation für eine Fensterumgebung (sei es nun Windows, Mac-OS oder Unix) zu schreiben und dann an Millionen Kunden zu verkaufen, gehe es heute um mehrschichtige (multi-tier) Anwendungen, die auf Datenbank-, Application- und Web-Server residieren und Anwendern als Service zur Verfügung gestellt werden.

Doch selbst wenn Sun mit seinen neuen Produkten eine sinnvolle Richtung eingeschlagen hat: Ein Problem lässt sich gegenwärtig nicht wegleugnen. Der Hersteller steht unter Zugzwang, endlich den Typ von Unternehmens-Server auf den Markt zu bringen, der mit den gigantischen Datenbanken und Anwendungen der New Economy zurechtkommt. Schließlich hat die McNealy-Company wie auch ihre Wettbewerber mit ihren Versprechen und Visionen die so genannte Neue Wirtschaft - und nicht zu vergessen die eigenen Einnahmen - ordentlich aufgebläht.