Online-Kongreß: Vielstimmiger Auftakt der Diskussion über die Liberalisierung der Bundespost

Das Vermittlungsmonopol steht zur Disposition

13.02.1987

HAMBURG - Zum Politischen und fachlichen Forum für die anstehende Diskussion über die "Liberalisierung" der Bundespost gelang der diesjährige Online-Kongreß In Hamburg. im Vorfeld der von der Regierungskommission Fernmeldewesen noch im Frühjahr zu erwartenden Vorschläge für eine Post-Neuordnung landen sich Telekommunikations-Experten aus den unterschiedlichsten Lagern zusammen, um "das Fell des Bären zu verteilen" - allerdings bevor er erlegt ist".

Die Frage "Telekommunikation in Europa: Quo vadis?', gleichzeitig das Motto des ordnungspolitischen Teils der Veranstaltung, förderte ein Konglomerat an Vorschlägen, Meinungen und Kritikpunkten am Ist-Zustand der bundesrepublikanischen Telekommunikationslandschaft zutage, das weder auf einen baldigen Konsens der Techniker, geschweige denn einen der zahlreichen Interessenvertreter aus Politik und Wirtschaft hoffen läßt.

Zum Beispiel erscheint die kritische Auseinandersetzung von Vertretern einer liberalen Wirtschaftstheorie (Carl Christian von Weizsäcken mit der bei der Bundespost üblichen Quersubventionierung dem Vorsitzenden des Postverwaltungsrates als eine reine Scheindiskussion". Peter Paterna, SPD, konstatierte "irreführende Etikettierung". Schließlich betreibe die Industrie selbst, was sie der Post streitig mache, nämlich Mischkalkulation. "Was wird, ist eine reine Machtfrage", schätzt er die politische Praxis ab.

Konkret ging es jetzt in Hamburg in erster Linie um den künftigen Markt der "Mehrwertdienste" in internationaler Terminologie der Value Added Networks/Services. Die Diskussion um den Endgeräte- und Modemmarkt scheint durch die EG-Beschlüsse des vergangenen Jahres zur Zeit an den Rand gedrängt, dürfte aber spätestens mit Vorliegen der Vorschläge der Regierungskommission wieder auf den Tisch kommen. Ein neuer Mehrwertdienste-Markt - über den von der Post bereits geduldeten hinaus - ist ohne die entsprechenden Endgeräte und deren mehr oder weniger "freie Gestaltung" undenkbar. Weshalb denn auch das Thema "Gestaltung der Kommunikationsbeziehungen" der Bürger oder auch der Firmen und ihrer Kunden untereinander breiten Raum in der Diskussion einnahm. Selbst das Grundgesetz und höchstrichterliche Rechtsprechung, das sogenannte Direktruf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, genauso wie EG-Recht spielen hierbei eine nicht zu vernachlässigende Rolle.

Relativ unstrittig scheint, daß der Bundespost das angestammte Monopol der Netzträgerschaft vorerst bleiben sollte. Nicht nur technische und rechtliche Gründe sprechen dafür. Für die Installation einträglicher Mehrwertdienste auf privatwirtschaftlicher Basis ist eine Lockerung des Agenturverbotes im Sinne einer "liberalen Handhabung der geltenden Gesetze", so die VAN-Interessenten, jedoch nicht ausreichende. Helmut Röder, Telecom-Experte der IBM, hält Gesetzesänderungen für erforderlich".

Freunde aus unterschiedlichen Lagern hat die große Gruppe derer, die das Vermittlungsmonopol der Post zur Disposition stellt. Zum Beispiel der Verband der Postbenutzer (Wilhelm Hübner fand unter diesem Generalnenner etliche Kritikpunkte, die bei einer offiziellen Öffnung dieser Postdomäne wegfallen könnten.

Aber nicht nur Übertragungs- und Vermittlungs- sowie Gestaltungsmonopol (O-Ton IBM) waren Gegenstand der Auseinandersetzungen; natürlich fehlten Hinweise auf überhöhte Gebühren respektive eine volkswirtschaftlich nicht sinnvolle Wahrnehmung der "Gebührenhoheit" der Post nicht. HfD-Anschlüsse zum Beispiel seien in der Bundesrepublik zwei- bis dreimal so teuer wie etwa unter der Ägide der liberalisierten British Telecom in England.

Aus dem Glashaus heraus forderte zum Vergnügen der Zuhörerschaft IBM-Mann Röder ein generelles "Mißtrauen Monopolen gegenüber". Und mußte sich von Kongreßmoderator Franz Arnold (SCS) belehren lassen, daß es neben den "legalen Monopolen" ja auch noch die faktischen Monopole gibt.