Zunehmende Zahl von Anwendern ist zu berücksichtigen

Das Verkabelungssystem muß von Topologien unabhängig sein

19.06.1992

Der Neubau von Bürogebäuden erfordert, sofern sie im weiteren oder engeren Sinn in die Kategorie Intelligent Building eingeordnet werden wollen, eine genaue Planung der Verkabelungs- und, Anschlußstruktur. Wolfgang Riegelmayer* skizziert am Beispiel des Granit verarbeitenden Unternehmens Destag die Realisierung eines solchen Konzeptes bei der Planung eines neuen Zentralgebäudes.

Mit einem Verkabelungskonzept wird ein flächendeckender Netzverbund an Zubringer-, Sammel- und Teilstrecken für alle funktions- und abteilungsübergreifenden Informationsarten (Sprache, Daten, Text, Bild) geschaffen. Dabei kann es sowohl zur Zellenbildung mit intelligenten Übergängen (Bridges, Routers, Gateways) als auch durch eine Zusammenfassung oder Verdichtung (Multiplexing) zu Hochgeschwindigkeitsstraßen kommen. Auf Kabelbündel sollte man also möglichst verzichten.

Raum für Unvorhersehbares

Die Tatsache, daß die Lebensdauer der Kabel länger ist als die der Endgeräte, bedeutet auch, daß voraussichtlich weder eine einheitliche Technik noch modernste High-Tech eingesetzt wird. Vielmehr ist von einem bewährten strukturellen Ansatz auszugehen, der genügend Raum für, Ausnahmen und Unvorhersehbares zuläßt.

Speziallösungen können also grundsätzlich mit in die Planung einbezogen werden. Es ist sogar ein auf Querverbindungen basierendes Overlay-Netzwerk oder ein Subnetz integrierbar. Ferner kann die Trennung von Fernmelde- und Datennetzkabel sinnvoll sein. Standards müssen anerkannt und kostengünstig sein.

Fernsteuerung der Komponenten

Ebenso sind bei der Konzeption die Aspekte der Stromversorgung einschließlich Notspeisung (USV) für alle aktiven Komponenten der Linientechnik sowie Gesichtspunkte des Netz-Managements zu beachten. Komponenten sollten zum Beispiel aus der Ferne ansteuerbar sein, wozu sie jedoch "intelligent" sein müssen.

Ausgehend von den Eigenschaften der Übertragungsmedien Glasfaser, Koax oder Telefondraht und deren sinnvollen Einsatzmöglichkeiten ist eine hierarchische Strukturierung in mindestens drei Versorgungsbereiche vorzunehmen. Grund: Jedem Vorteil kann ein Nachteil entgegengestellt werden. So sind Lichtwellenleiter zwar stör- und abhörsicher, aber wegen schlechter Biegbarkeit aufwendig zu verlegen, geschweige denn verlustfrei anzuschließen. Hauptkriterien der Eignung sind beispielsweise: überbrückbare Entfernung, Kapazität als aufzunehmende Bandbreite, elektromagnetische Verträglichkeit.

Obwohl sich das Kommunikationsaufkommen recht ungleichmäßig im Raum verteilt, lassen sich bei Verwaltungsgebäuden mehrere mit passenden Kabeln auszustattende Bereiche bestimmen: der primäre Bereich zwischen den Gebäuden, also Campus, Kabel für den ganzen Gebäudekomplex, der sekundäre sogenannte Steigbereich, also von Stockwerk zu Stockwerk, der tertiäre pro Stockwerk und eventuell auch noch der quartiäre als Geräteanschluß. Bei LANs wird der Sekundärbereich oft mittels sogenannter Backbones und der Primärbereich durch Extensions erschlossen.

Je nach vorhandenen oder schaffbaren Durchbrüchen und Führungsmöglichkeiten für Kabel werden Verbindungspunkte definiert, die dann die Kopplungselemente zwischen den Verkabelungsarten - und so auch Trennstellen - aufnehmen. Pro Bereich sind bei großflächiger Versorgung oder für einzelne Arbeitsgruppen auch mehrere Wire Centers möglich.

Am Installationsort in der Nähe dieser Punkte finden sich dann die Konzentrations- und Verteileinrichtungen als Einschübe und Baugruppen für Kabinetts beziehungsweise Chassis-Schränke. Aber auch Vermittlungseinrichtungen, verstärkende Elemente (Amplifier, Repeater), Filter, Wandler und Zusatzeinrichtungen wie Ersatzgeräte und Umschalter sind zu nennen. In separaten Betriebsräumen sollten Kopfstellen komplett untergebracht werden.

Die logische Netzstruktur mit ihren Verbindungen als Übertragungsstrecken, teilnehmenden Stationen und Knoten als Punkten mit spezifischen Funktionen wie zum Beispiel der Vermittlung macht die sogenannte Netzwerk-Topologie aus. Dabei ist wichtig, daß ein Verkabelungssystem Topologieneutral ist.

Stromversorgung bei Spannungsausfällen

Die im Abbau und der Verarbeitung von Granit international tätige Holding Destag, Lautertal, mit in- und ausländischen Tochterunternehmen hat bei der Konzeption einer neuen Firmenzentrale die Funktionalität wie kurze Wege, ergonomische Ausgestaltung der Arbeitsräume und auch Ästhetik aus Repräsentationsgründen von Anfang an in die Bauplanung einbezogen. Darüber hinaus galt es, möglichst großzügig allgemeine Versorgungselemente wie Kabelkanäle, Zugrohre, Durchbrüche und Aufstellorte zum Beispiel für Stromleitungen und Anschlüsse vorzusehen.

Schäden durch sogenannte Überspannungen wie Blitzeinschlag oder elektrische Gerätedefekte entstehen zwar selten, sind dann aber meist groß. Aus diesem Grund wurden alle elektronischen Geräte, vom Fax über den Drucker bis zum Rechner über Spezialsteckdosen gesichert. Auch die Nachrichtenleitungen, insbesondere des LANs, erhielten an vorgeplanten Stellen sogenannte Überspannungsableitungen.

Am schwierigsten gestaltete sich die Lösung der Notstromversorgung für den Fall eines Spannungsausfalls im öffentlichen Netz, weil jeder Hersteller - auch pro Produktlinie - eigene Konzepte und Schnittstellen hat, so daß für TK-Anlage, Alarmanlage, LAN-Server, Verstärkungseinheiten etc. keine einheitliche und kostengünstige Versorgung gewählt werden konnte.

Den "Übergabe-"Punkt zum öffentlichen Fernmeldenetz bildet ein ("End-") Verteilerkasten. Mit der Einführung zukünftiger PCM-Strecken beziehungsweise ISDN kann dieser eigentlich entfallen, da es direkt über eine Netzabschlußeinrichtung (NT) in die Nebenstellen- beziehungsweise TK-Anlage geht. Da die Endleitung bei allen Telkom-Diensten privat sein muß, das heißt, genauso wie die Endstellen-Leitungen zum Innenleitungssystem gehört, werden die (Gebäude-)Hauptverteiler und die anderen Zwischen- beziehungsweise Nebenverteiler als Rangierfelder zur Führung auch anderer Strecken als Telefon beibehalten. Dienstzugangspunkte nach außen, zum Beispiel zum Datex-P mit Netzabschlußeinrichtungen als Datenfernschaltgerät, werden so - in Absprache mit der Telekom - im Inhouse verlegbar.

LWL-Verkabelung für die TK-Anlage wird spätestens dann notwendig sein, wenn die Anschlußleitung zum nächsten ISDN-Netzknoten der Telekom mehr als einen Kilometer oder, mit Zwischenregenerator, drei Kilometer mißt. Die Rede ist von ISDN, wobei inhouse erweiterte Nutzmerkmale für Nebenstellen untereinander eine eher untergeordnete Rolle spielen; hier ist der DV-Server für wesentliche Aufgaben leistungsstärker und komfortabler. Mit ISDN wird die Zahl der Belegungen pro Stunde steigen, während die mittlere Belegungsdauer - zumindest bei einigen Diensten - sinken dürfte. Die Verkehrsbelastung wird insgesamt aber nur geringfügig zunehmen.

Im Büro wurde die Endgerätetechnik mit Schnittstellen und die Anzahl der Nebenstellenanschlüsse ebenfalls großzügig gewählt, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Ein erweiterter Nummernblock für die Durchwahl ermöglicht als Subadressierung dezidiertere Dienstekennung für ankommende Rufe wie zum benutzten Modulationsverfahren und Signalisierung.

Bei der Planung der LANs und WANs wurde besonders auf Einhaltung von Normen und Standards geachtet, so daß eine Kostenexplosion trotz größtmöglichem Gestaltungsfreiraum zukünftiger Anwendungen vermindert werden kann. Auch galt es, einen Bruch mit bereits bestehenden Stand-alone-Lösungen der Büroautomation wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation etc. zu vermeiden.

Bei der Einführung innovativer Produkte ist auf die Kompetenz des Herstellers zu achten und eventuell ein weiterer hinzuzuziehen. So geschah es auch bei der Installation des Netzwerk-Betriebssystems, da die kundenspezifische Anpassung und Organisation aufwendig und der spätere Umgang sehr erklärungsbedürftig sind. Da der zu erwartende Datenverkehr dem Filetransfer sehr ähnlich ist, wurde Ethernet, genauer gesagt Cheapernet, gewählt. Ferner ist die Verkabelung einschließlich aktiver Komponenten weniger aufwendig; zusätzliche Betreuung im Betrieb ist nicht notwendig.

Um genügend Flexibilität für spätere Umzüge und weitere Anwender zu haben, wurde arbeitsplatznahe Anschalttechnik gewählt. Daher ist nunmehr ein LAN-Anschluß an beliebiger Stelle - auch für Mitarbeiter von unterwegs mit Laptop oder Notebook - von jedem Anschluß im Gebäude aus möglich. Auf diese Weise wurden auch die alten PCs mit eingebunden.

So kommt sowohl für Sprache, Daten und andere Informationsarten die gleiche Anschlußtechnik alle drei Meter, mindestens jedoch zweimal pro (möglichem) Arbeitsplatz zum Einsatz.

Verknüpfung zwischen Server und TK-Anlage

Auch die Hardware für den Server, der beliebig aufstellbar ist und die gemeinsam nutzbaren Daten und Programme bereithält, wird im Gegensatz zur bisherigen Installation frei wählbar. Bei dieser Gelegenheit wurden natürlich auch die DV-Ausstattungen sämtlicher Arbeitsplätze überdacht.

Es ist geplant, eine Verknüpfung zwischen Server und TK-Anlage dergestalt herzustellen, daß ein "Pool" von Zugängen zu unterschiedlichen Netzen und Diensten der Telekom bereitgehalten wird. In Abhängigkeit davon, was mit wem wie kommunizieren soll, kann jeder entsprechende Netzausgang von jedem Arbeitsplatz aus angewählt werden.

Beispiele hierzu sind: Dateiübertragung per Modem über Telefonnetz, etwa zu Auslandstöchtern, elektronischer Briefwechsel und Anfragen per Telex, Datenbankabfragen zu technisch-wissenschaftlichen Zwecken über Datex-P, Börsen- und Wechselkurs-Notierungen über Btx, Allgemeininformationen über Videotext etc. Zuvor werden noch automatische Terminkoordinierungs- und Erinnerungssysteme installiert. Allerdings zeichnet sich derzeit noch nicht ab, welches Produkt zum Einsatz kommt. Der Schritt der Zukunft wird sein, über objektorientierte Verarbeitungsformen die kaufmännischen Kennzahlen und Informationen über einen internationalen Netzverbund hinweg auszutauschen - ohne die "Intelligenz" dazwischen zu bemerken.