Das unspektakuläre Ende von McGraw-Hill Lifetime Learning

01.03.2002
Mitte Dezember stellte McGraw-Hill Lifetime Learning weltweit Produktion und Vertrieb aller E-Learning-Lernprogramme ein. Mit dem ehemaligen Geschäftsführer Nils Jörgensen und der Produkt-Managerin Sylvie Rumler sprach CW-Redakteurin Ingrid Weidner am Rande der Learntec in Karlsruhe.

CW: War die Schließung des kompletten E-Learning-Bereichs von McGraw-Hill Lifetime Learning für Sie absehbar? JÖRGENSEN: Wir waren alle überrascht, als der Anruf aus New York kam. Für uns war es deshalb besonders schade, weil wir gerade große Aufträge mit wichtigen Kunden abgeschlossen hatten, auf die wir monatelang hingearbeitet hatten.

Nils Jörgensen

Nach dem 11. September verschlechterte sich die Stimmung im Verlag, und alle Projekte wurden einer kritischeren Prüfung unterzogen. Aber mit der kompletten Schließung hatte niemand gerechnet.

CW: In den vergangenen Jahren investierte der Verlag viel Geld in die die Entwicklung der Lernprogramme. Was war die Ursache für die plötzliche Schließung? JÖRGENSEN: Die prognostizierten Zuwachsraten für die USA waren unrealistisch. Dazu kamen die wirtschaftliche Krisenstimmung in den Vereinigten Staaten und die unerfüllten Hoffnungen, die sich mit den gescheiterten Projekten verbindet, die ein "E" im Namen führen. Der Verlag McGraw-Hill musste insgesamt große Umsatzeinbußen hinnehmen. Allein der Markt für Computerbücher brach in einigen Ländern um fast die Hälfte ein. Bei den elektronischen Lernprogrammen schaffte es das Unternehmen nicht, den Heimatmarkt in den USA zu erobern. Dort kam der Vertrieb nie so richtig vom Fleck.

CW: Woran lag der Misserfolg auf dem nordamerikanischen Markt? JÖRGENSEN: Der E-Learning-Markt befindet sich noch in der Entwicklung. Deshalb brauchen die Unternehmen einen langen Atem und dürfen nicht sofort enorme Umsatzzahlen erwarten. Die Erwartungen an elektronische Lernprogramme waren zu hoch. Die Ereignisse im September in New York beschleunig-ten die Entscheidung, riskante Projekte erhielten keine neue Chance.

CW: Waren Ihre Produkte zu kompliziert für den US-amerikanischen Markt? RUMLER: Selbst noch so gute Lernprogramme sollten nicht versuchen, einen guten Trainer zu kopieren. Die Stärke von E-Learning-Kursen liegt woanders. Das Angebot sollte sich eher auf Minimalanforderungen konzentrieren wie beispielsweise schnell bestimmte Inhalte zur Verfügung zu stellen oder Mitarbeitern neue Wissensbausteine anzubieten.

CW: Verkauft McGraw-Hill seine E-Learning-Sparte und alle bisher entwickelten Kurse?

JÖRGENSEN: Ursprünglich war geplant, alles einzustampfen ähnlich einem Buch, das sich nicht verkauft. Erst aufgrund der entsetzten Reaktionen unserer Kunden überlegt der Verlag, die Kurse zu verkaufen. Mittlerweile gibt es jede Menge Anfragen von Interessenten, die das große Kursangebot erwerben wollen. Die Verhandlungen laufen noch.

RUMLER:

Sylvie Rumler

Allerdings haben wir die ganzen Kurse in einer eigens dafür entwickelten Programmiersprache geschrieben. Die zirka 20 Entwickler in Großbritannien, die mit diesen Programmierungen vertraut waren, müssen gehalten werden, weil es sonst für die Käufer schwierig sein dürfte, die Kurse in der ursprünglichen Form zu verwenden und vor allem weiterzuentwickeln.

CW: Wie viele Leute verloren durch die Schließung ihren Job? JÖRGENSEN: Insgesamt wurden 900 Mitarbeiter entlassen, davon zirka 166 bei McGraw Lifetime Learning. Momentan wickle ich von Basel aus den Firmenbereich ab und kümmere mich um den Abschluss der noch ausstehenden Kundenprojekte.