Forscher untersuchen Entwicklungsumgebungen unter Unix (Teil 3 und Schluss)

Das Unix-Werkzeug Uniface erhielt die beste Bewertung

12.02.1993

Wie in den beiden Tests zuvor ging es darum, den Leistungsumfang der Entwicklungsumgebung zu untersuchen, indem ein Projekt- Management-Informationssystem mit 135 Funktionspunkten praxisorientiert erstellt wurde. Der Benchmark-Test war so konzipiert, dass der vollstaendige Werdegang einer Software- Entwicklung unter Normalbedingungen demonstriert werden konnte.

Der Test fand beim Hersteller unter Aufsicht des Untersuchungsteams im Stammsitz der Firma Uniface in Amsterdam statt. Dazu stellte der Anbieter eine Entwicklergruppe auf, die mit Hilfe ihrer Entwicklungsplattform die Testaufgabe loeste. Das Team bestand aus zwei Fuehrungskraeften mit drei- beziehungsweise fuenfjaehriger Produkterfahrung.

In dem dreitaegigen Test wurde ein Informationssystem erarbeitet, das saemtliche Anforderungen bis in das letzte Detail erfuellte und in einigen Faellen die Aufgabenstellung sogar erheblich uebertraf. Die Vollstaendigkeit der Leistung kann daher mit der Note "ausgezeichnet" bewertet werden.

Die beiden Teammitglieder benoetigten insgesamt 32 Stunden und 10 Minuten (dazu kommen zehn Stunden Vorbereitung), um die vollstaendige Loesung zu erstellen. Der Test selbst war nach 19 Stunden und 40 Minuten abgeschlossen. Stellt man die Vollstaendigkeit der erbrachten Loesung in Rechnung, so muss auch die Entwicklungsgeschwindigkeit als "ausgezeichnet" beurteilt werden.

Interessant und wohl auch richtungsweisend war die Integration der Softwarewerkzeuge. Sie musste nicht mehr eigens bewerkstelligt werden, da Uniface von Beginn an eine konzeptionelle Beschreibung des Benchmark-Tests ermoeglichte. Diese konnte dann direkt intern und extern abgebildet werden. Es gibt nur ein Werkzeug, das alle Stadien der Entwicklung unterstuetzt. Leider war die konzeptionelle Beschreibung nur in Textform und nicht auch grafisch moeglich. Dennoch haben wir der Integration der Werkzeuge das Praedikat "sehr gut" verliehen.

Mit interaktiven Hilfsfunktionen und einer effektiven Menuesteuerung ist auch ein ungeuebter Benutzer in der Lage, selbstaendig Abfragen und Berichte zu erstellen sowie auf die Produktionsdaten zuzugreifen. Die Endbenutzerunterstuetzung war daher ohne Frage "ausgezeichnet".

Bei dem kompakten und recht knappen Quelltext ist eine umfangreiche Dokumentation nicht noetig. Einige Aufgaben erstellt Uniface implizit. Zusaetzliche Dokumentation ist allerdings nur in Textform moeglich, da das Werkzeug grafische Darstellungen nicht unterstuetzt. Die Dokumentation ist durch die Struktur und Praesentation der Loesung "sehr gut".

Bei einer ausgezeichneten Entwicklungsgeschwindigkeit, verbunden mit einem sehr guten Integrationsgrad und einer ebenfalls hervorrragenden Dokumentationshilfe, ist es nicht verwunderlich, dass auch die Wartung sehr effektiv unterstuetzt wird. Mit nur 45 Minuten war die Wartungszeit die kuerzeste in allen Benchmarks dieser und auch der vorhergehenden Grosssystem-Testserie. Die Wartungsgeschwindigkeit haben wir daher "ausgezeichnet" eingeschaetzt.

Rundum zeigte sich Uniface als ein modernes und ausgereiftes Entwicklungssystem aus einem Guss mit sehr guten bis ausgezeichneten Eigenschaften. Konsequent und ohne den Ballast von umstaendlichen Altwerkzeugen erlaubt es ohne grossen Aufwand, hochwertige anspruchsvolle Anwendungssysteme zu erstellen (siehe Abbildung).

Die einzelnen Phasen von der Analyse bis zur Wartung wurden mit Noten zwischen sehr gut (1) und mangelhaft (5) bewertet.

Analyse und Entwurf: 2

In der Vorbereitungsphase zum Benchmark-Test wurde ein Grobkonzept entworfen, um den Loesungsansatz festzulegen. Zu Beginn des dreitaegigen Benchmark-Tests legten die Entwickler in zwoelf Stunden und 30 Minuten die Entitaeten fest und definierten sie in einem Entity-Relationship-Modell. Dieses Modell zeigte sich spaeter in der Wartungsphase als flexibel genug, um erhebliche Aenderungen moeglich zu machen. Eine Staerke des Systems liegt in der Unterstuetzung eines konzeptionellen Schemas.

Negativ faellt die fehlende grafische Darstellung des Entwurfs ins Gewicht.

Datenbankerstellung: 1

Hier liessen sich automatisch und in nur 55 Minuten die vorher definierten Entitaeten intern in der Datenbank abbilden. Zusaetzliche, vorher festgelegte Datenelemente (Domains) wurden eingerichtet, so dass sich die Effizienz der Applikation steigern liess. Das konzeptionelle Datenmodell kann automatisch in einer Vielzahl von Datenbanksystemen generiert werden. Eine Schwaeche liegt darin, dass eine kuenstliche Entitaet geschaffen werden musste, um das Datenmodell zu realisieren.

Einfache Transaktionen: 1

Einfache Masken liessen sich binnen drei Stunden und 55 Minuten automatisiert generieren. Hierzu war lediglich die Wahl der gewuenschten Tabellenfelder erforderlich. Um den generierten Masken die gesamte Funktionalitaet zu verleihen, wurden noch zusaetzliche Validierungsroutinen implementiert, soweit das System diese nicht zur Verfuegung stellte. Im Vergleich zu anderen Produkten waren dazu nur sehr wenige Befehle erforderlich. Das System wies eine Vielzahl intelligenter Systemhilfen auf, darunter die automatische Scroll- Generierung. Bei ASCII-Terminals gibt es allerdings keinen Hinweis auf die Moeglichkeit zum Scrollen.

Komplexe Transaktionen: 2

Die Anforderungen fuer die komplexen Transaktionen konnten die Benutzer durch die effektive Unterstuetzung der Entwicklungsumgebung sehr schnell erfuellen. Der Zeitbedarf fuer diese Phase lag bei drei Stunden und 45 Minuten, war also erstaunlich gering. Auch bei komplexer Logik stehen intelligente Systemhilfen zur Verfuegung. Schwaeche: Auf ein globales Datenlexikon kann nicht immer zugegriffen werden.

Abfragen und einfache Berichte: 1

Zur Gestaltung der einfachen Benutzerabfragen nutzte das Team nicht den zum Produkt gehoerende Reportgenerator, sondern erstellte die Abfragen direkt ueber Bildschirmmasken. Bei der Umsetzung in einer Stunde und fuenf Minuten waren keinerlei Schwierigkeiten zu erkennen. Ein Staerke des Systems liegt in der Unterstuetzung der Prototyp-Entwicklung.

Komplexe Berichte: 2

Der komplexe Bericht wurde in fuenf Stunden und 15 Minuten fertiggestellt, so dass also doch ein etwas groesserer Aufwand erforderlich war, um alle Anforderungen des Benchmark-Tests zu implementieren. Letztlich wurden aber alle Einzelheiten beruecksichtigt. Auch bei komplexer Logik wird die Prototyp- Entwicklung unterstuetzt. Leider war ein direkter Zugriff auf das Datenlexikon nicht immer moeglich.

Schnittstelle: 2

Uniface kann Dbase-III-Plus-Daten direkt einlesen. Hierzu muss es sich allerdings um eine indizierte Dbase-Datenbank handeln - nur so ist eine korrekte Verarbeitung unter Uniface gewaehrleistet. Die Entwickler erstellten die Wartungslogik getrennt von der Online- Version. Die vollstaendige Loesung erarbeiteten sie innerhalb von vier Stunden sehr schnell. Eine Staerke liegt also in der Moeglichkeit, direkt auf PC-Daten zuzugreifen. Dieser Zugang ist allerdings auf spezielle Datenstrukturen beschraenkt.

Wartung: 1

Die nachtraeglich geforderten Systemaenderungen konnten in der erstaunlich kurzen Zeit von nur 45 Minuten durchgefuehrt werden, da sie bereits weitgehend in dem Konzept angelegt waren und so nur vervollstaendigt werden mussten. Prinzipiell erfolgt die Wartung ueber die Konzeptebene. Die Dokumentation bleibt immer vollstaendig.

*Eberhard Rudolph ist Professor fuer Informationssysteme an der Fachhochschule Bremerhaven. Er beaufsichtigte den Benchmark-Test gemeinsam mit den Studenten Dieter Kern und Detlef Witte.

Systemumgebung

Folgende Hardware- und Softwareplattformen kamen zum Einsatz:

- Sun-Sparcstation,

- Sunos 4.1.2 als Betriebssystem,

- Uniface 5.2.d als Entwicklungsumgebung,

- Poly-Server als Client- Server-Software,

- C-Isam 4.0 als relationale Datenbankumgebung,

- ein ASCII-Terminal,

- ein 486-PC,

- Windows 3.1,

- Dbase III Plus,

- MS-DOS 5.0.

Abb: Uniface schnitt von den drei untersuchten Entwicklungsumgebungen am besten ab.