Distributed Processing in Japan auf dem Vormarsch:

Das Super-Mini-Rennen hat begonnen

27.10.1978

TOKIO (ma) - Der japanische Mini-Computer-Markt scheint im Begriff zu sein frühere Vitalität wiederzugewinnen. Nach der großen Energiekrise fast zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken, hat er offensichtlich die langanhaltende Flaute überwunden und ist dabei, in eine neue Phase einzutreten. Hauptursache für den sich abzeichnenden Aufschwung: Auch beim japanischen Anwender wird Distributed Processing immer populärer. Auf einem Markt, der gegenwärtig noch weitgehend von Universalrechnern beherrscht wird, haben die Minis beste Chancen, mit Vehemenz Stück um Stück des kommerziellen DP-Sektors an sich zu reißen.

Ein ermutigendes Zeichen für die Minicomputer-Hersteller ist das von der National Tax Administration Agency errichtete Netz. Bei einem Kostenaufwand von 60 Milliarden Dollar wird das System bis 1985 fertiggestellt sein und für 506 über ganz Japan verteilte Bezirksfinanzämter zur Verfügung stehen. Nach der endgültigen Fertigstellung des Netzes werden in regionalen Büros der Steuerverwaltung sowie in bestimmten Bezirksfinanzämtern und rund 100 Superminis als "Distributed Processors" installiert sein. Das Prototyp-System ist bereits im Bau und soll in absehbarer Zeit den Experimentierbetrieb aufnehmen, wobei in dieser Phase einige kleine Städte in der Nähe von Tokyo untereinander verbunden werden.

In diesem Prototyp werden eine Anzahl von DEC PDP-11/70 als Knoten-Prozessoren eingesetzt. Sie werden mit einem NEC ACOS-Großrechner verbunden. Wie von gut unterrichteter Stelle, verlautet, war der ausschlaggebende Grund für die Verwendung der Superminis von DEC, daß so das Advanced Data Base :Management und die Timesharing-Software von DEC leicht getestet werden können. Die Entscheidung war jedoch vermutlich auch beeinflußt durch die von der japanischen Regierung - im Hinblick auf die Verwendung ausländischer Computer im Bereich der öffentlichen Hand - betriebene

Offenmarkt-Politik. Es kann außerdem davon ausgegangen werden, daß die Errichtung von minigesteuerten Netzwerken eine gewisse Signalwirkung auf den privaten Sektor ausüben wird Besonders große und fortschrittliche Industrieunternehmen sowie der Öffentlichkeit dienende

Finanzinstitutionen werden nicht umhin können die gesetzten Zeichen der Zeit zu erkennen um sie in ihrem Bereich zu realisieren.

US-Anbieter haben die Nase vorn

Führende amerikanische Minicomputer-Hersteller wie DEC, Hewlett Packard und Data General werden schon: beim Start des Supermini-Rennens in Japan die Pull-Position einnehmen. Aber auch kleinere Unternehmen wie Prime Computer und Modular Systems haben mittlerweile ebenfalls auf dem potentiell großen japanischen Minicomputer-Markt Fuß gefaßt.

Andererseits haben sich die auf die Produktion von

Mainframe-CPUs spezialisierten japanischen Computerhersteller nun endgültig entschlossen, in der bevorstehenden Auseinandersetzung mitzumischen. So hat Anfang dieses Jahres Toshiba ein Supermini-Modell mit der Bezeichnung Tosbac Series 7/70 vorgestellt. Und Nippon Electric NEC begann mit dem Vertrieb ihres NEAC MS 30/50 Minicomputers, die perfekte Gegenstücke zu den HIS Series 60 Level 6 Minis sind. Die NEAC MSs sind die ersten 2 MB (1 Megaword) Minis, die bisher in Japan hergestellt worden sind. Andere japanische Mainframe-Anbieter wie Fujitsu, Hitachi, Mitsubishi und Oki stehen noch vor ihrem Eintritt in den Markt der Superminis und machen enorme Anstrengungen, um so bald als möglich den Fuß zwischen die Tür zu bekommen.

Die nationalen japanischen Mainframe-Hersteller sehen sich jedoch bei ihrem Eintritt in die Arena der Superminis mit zwei Grundproblemen konfrontiert:

- Konflikt mit bestehenden Universalrechner-Produktlinen

-Schwierigkeiten bei der Durchführung der Unbundling-Policy.

Einer MITI-Übersicht zufolge betrugen die Minicomputer-Lieferungen in dem im Monat März endenden Fiskaljahr 1976 rund 2968 Einheiten. Gegenüber dem vorangegangenen Fiskaljahr bedeutet dies einen Rückgang um 8 Prozent. Bezogen auf die Gesamtmenge waren 34 Prozent OEM-Lieferungen, 30 Prozent gingen an Endanwender als Stand-Alone-Systeme, und die restlichen 36 Prozent gingen an Endanwender, um in andere Systeme integriert zu werden. Nach einer Schätzung des japanischen Büros der International Data Corporation konnte sowohl im Fiskaljahr 1976 als auch 1977 die hohe Zuwachsrate von über 30 Prozent gehalten werden. Dazu haben nicht zuletzt auch die in den Jahren 1974 und 1975 als Folge der Rezession zurückgehaltenen Aufträge beigetragen, die inzwischen nun doch bei den Anbietern eingegangen sind.

Zuwachsraten nicht berauschend

Für das Rechnungsjahr 1978 bis hin zum Fiskaljahr 1981 wird mit einer mäßigen, aber regelmäßigen jährlichen Steigerungsrate von etwa 21 bis 22 Prozent gerechnet. Die jährliche Gesamtmenge an ausgelieferten Minis soll bis zum Ende des Fiskaljahres 1981 die Zahl 11 000 überschreiten. Im Hinblick auf ihre Größenordnung waren mehr als 95 Prozent der im Rechnungsjahr 1975 in Japan ausgelieferten Minis Geräte traditioneller Bauweise, die direkt mit den DEC PDP-11/04 bis hin zu 11/40 konkurrieren. Superminis (vorwiegend PDP-11/70-Klasse) und Mikrominis (LSI-11/PDP-8A-Klasse), deren Lieferung in Japan Ende 1975 begann, konnten nur einen sehr geringen prozentualen Marktanteil für dieses Jahr verbuchen. Der Produkt-Mix von Superminis, traditionellen Minis und Mikrominis wird sich, so erwartet man, bis zum Fiskaljahr 1981 drastisch. Bis dahin werden nämlich die Superminis und die Mikrominis bisher von anderen gehaltene traditionelle Marktpositionen eingenommen haben. Dieser Trend entspricht einem Wechsel der Mini-Applikationen, der im selben Zeitraum stattfinden wird: Es wird geschätzt, daß die Marktanteile der kommerziellen DV und der Autotransaction-Applikation sich bis zum Fiskaljahr 1981 nahezu verdoppeln werden.