Das Speichermedium CD-ROM Ratiodata uebernimmt fuer TNT Rechnungs- und Mahnwesen

11.11.1994

Von Karl-Friedrich Schwarz*

Weg vom Mikrofiche oder vom Magnetband! Die CD-ROM ist ein Massenspeicher fuer Daten par excellence - wenn die Daten nachtraeglich nicht mehr geaendert werden muessen. Vor allem Berichte ueber Geschaeftsvorgaenge und Rechnungen fallen unter diese Kategorie. Einmal geschrieben und abgesegnet, werden sie normalerweise nie wieder geaendert, sondern nur noch gelesen. Sie koennen problemlos in einem CD-ROM-Archiv gespeichert werden, wie der folgende Beitrag am Beispiel der Spedition TNT zeigt.

In juengster Vergangenheit begannen die Planungen bei der TNT Express GmbH, die Frachtpapiere digital zu archivieren. Wie fuer jeden Spediteur war es fuer das Unternehmen mit Hauptsitz in Troisdorf stets eine enorme Belastung, die Frachtpapiere und Rechnungen von 28 Filialen zu verwalten. Pro Tag fallen 16 000 Frachtbriefe, 1000 Dokumente und pro Woche 20 000 Rechnungen an.

In der Vergangenheit entstanden alle codierten Daten, unter anderem saemtliche Rechnungen, in einem Rechenzentrum in England und wurden dort auch teilweise auf COM-16-Millimeter-Rollfilm archiviert. Fuer die Recherche in Deutschland verwaltete man Kopien dieser Baender in der ehemaligen TNT-Zentrale in Emmerich mit einem PC-unterstuetzten Mikrofilm-Retrieval-System.

Im Laufe der 1991 begonnenen Dezentralisierung hat die Verantwortung der 28 Niederlassungen erheblich zugenommen, insbesondere im Bereich der Administration. Jede Zweigstelle fakturiert seitdem Rechnung selbst und bearbeitet Kundenanfragen. Zusaetzlich mahnen die Dependancen seit einiger Zeit, wenn Rechnungen offenstehen. Damit ist es wichtiger geworden, auf Frachtbriefe und Ausgangsrechnungen zugreifen zu koennen.

Basis des Archivs war die zentrale Speicherung von Rechnungen auf Mikrofilm. Frachtbriefe wurden mit allen zugehoerigen Schwierigkeiten und Kosten manuell in den Niederlassungen abgelegt. Es entstanden enorme Aktenberge, und die Raeume zur Lagerung der Papiere reichten kaum aus. Hinzu kamen personal- und zeitaufwendige Arbeitsgaenge bei Nachfragen, Reklamationen, Nachkontrollen oder beim Verlust eines Dokuments. Der Zeitpunkt fuer eine Neuorganisation war gekommen, als die anderen Unternehmensbereiche ueber eine leistungsfaehige DV-Infrastruktur verfuegten.

Daher wurde das laufende Verfahren der Verfilmung ebenso wie die Papierablage in den einzelnen Depots am 1. Juli 1994 endgueltig auf das einheitliche Medium CD-ROM umgestellt. Die Ratiodata GmbH in Koeln erfasst, speichert und - wenn noetig - recherchiert alle Daten. Das automatische CD-ROM-System hat die IDL-Scan-Archiv GmbH, Ahrensburg, installiert.

TNT wollte das CD-Archiv nicht in Eigenregie fuehren

TNT-Geschaeftsfuehrer Werner Schmittke ist zufriedem mit dem Dienstleister: "Outsourcing ist im Verstaendnis von TNT nicht nur ein Modewort, sondern ein Konzept, das vielfach mit Erfolg umgesetzt wurde. Zum einen erreichten wir Kostenreduzierungen - besonders bei der Archivierung -, und zum anderen koennen wir heute unseren Kunden einen wesentlich besseren Service bieten. Es ging uns ja nicht bloss darum, einfacher zu archivieren und Platz zu sparen. Das CD-ROM-Archiv ist technisch komplex und stellt hohe Ansprueche an das Know-how der Mitarbeiter. Ohne Ratiodata haetten wir Kompromisse bei der Einfuehrung dieser Technik machen muessen."

Ratiodata fuehrt heute die komplette Erfassung sowie Archivierung fuer TNT durch und stellt die Informationen allen deutschen Depots fuer die Recherche zur Verfuegung. Erleichternd wirkte sich aus, dass das Unternehmen bereits seit laengerem den kompletten Rechnungsdruck fuer TNT durchfuehrt.

Ratiodata selbst arbeitet seit 20 Jahren mit Mikrofilmarchiven. Doch diese Technik konnte die Anforderungen des Kunden TNT nicht erfuellen. "Eine schnelle Recherche bei einem Bestand von taeglich 8000 Rechnungen und 16000 Frachtbriefen laesst sich nur mit einem digitalen Medium bewerkstelligen", erlaeutert Uwe Robien, der Leiter der Abteilung fuer optische Systeme bei Ratiodata. "Die CD- ROM kann in einem automatischen Archiv sehr gut mit einer Client- Server-DV verbunden werden und damit wesentlich mehr leisten als ein Mikrofilmarchiv. Ein CD-ROM-System laesst sich stueckweise ausbauen, kann an viele Rechner angeschlossen und mit fast jeder Archivsoftware gesteuert werden."

Alle 28 TNT-Depots in Deutschland schicken taeglich Papiere zur Ratiodata. Sie werden geglaettet, entklammert und nach Groesse sortiert, damit sie direkt in den Scanner laufen koennen. Zwei Kodak-S-500-Scanner mit einer Leistung von je 60 Seiten pro Minute lesen und digitalisieren saemtliche Dokumente. Die Aufloesung betraegt 200 dpi. Die Steuerung des Vorgangs uebernimmt ein Programm von ICL-Scan-Archiv, das speziell an diese Aufgaben angepasst wurde.

Die Software tastet die Dokumente nach dem Barcode ab. Er wird der Index (oder Suchbegriff) fuer den jeweiligen Frachtbrief. Das digitalisierte Dokument wird in einer Datei gespeichert, aus der es dann spaeter auf eine CD-ROM uebertragen wird. An jeden Scanner ist ein 486er PC mit einer speziellen DPU-Karte zum Lesen des Barcodes angeschlossen. Der PC hat zwei Funktionen. Zunaechst komprimiert er die Daten vom Scanner. Der Barcode wird geprueft und bei einem Fehler die Nachbearbeitung ausgeloest. Stimmen die Daten, wandert das Dokument zum Archiv-Server mit Pentium-Prozessor. Die Verbindung laeuft ueber ein Novell-Netware-Netz. Sind alle Belege gescannt, laeuft im Hintergrund auf dem Archiv-Server das Softwareprogramm "Hyparchiv" der Hamburger Firma ACS an.

Einmal pro Woche sendet TNT ueber eine ISDN-Leitung codierte Daten (zum Beispiel Ausgangsrechnungen) an den IBM-HOST von Ratiodata. Dort werden zuerst die Rechnungen zum Versand an die TNT-Kunden ausgedruckt. Danach beginnt die Uebertragung der Rechnungsdateien in das Ratiodata-CD-ROM-Archiv.

Die Rechnungsdaten werden ueber einen PC, der mit dem Host verbunden ist, in den Archiv-Server uebertragen. Hier sind bereits die digitalisierten Dokumente verfuegbar.

Bei einer Datenmenge von 600 MB beginnt auf einem CD-Rekorder (Philips 521) die CD-ROM-Erstellung. Zwischen 15 000 und 20 000 Belege finden auf einer CD-ROM Platz - zusammen mit allen dazugehoerigen Indizes und den Dokumenten-Identifikationsnummern (Doc-ID). Eine Kopie der CD-ROM bleibt bei Ratiodata als Arbeitsmedium. Eine weitere Kopie erhaelt die TNT-Zentrale und dazu noch eine Abgleichdatei der archivierten Dokumente zur Vollstaendigkeitskontrolle.

Fuer jede CD-ROM werden Schluesseldaten vergeben, bevor sie in einer Jukebox (Firma NSM - Typ CDR 100 XA) eingelagert werden. Die Jukebox mit einem Fassungsvermoegen von 100 CDs steuert ein PC- Server. Weitere Jukeboxen koennen angeschlossen werden. Bei dem derzeitigen Datenvolumen laesst sich die vereinbarte Servicezeit von 24 Stunden fuer die Erfassung und Archivierung einhalten. Nach dieser Zeitspanne koennen die TNT-Depots auf die archivierten Daten zurueckgreifen.

"Die Sicherheit ist wesentlich groesser, wenn die Dokumente auf einem System gespeichert sind", begruendet Ratiodata- Abteilungsleiter Robien die zentrale Datenhaltung. "Man findet alle Dokumente wieder und kann die Vollstaendigkeit pruefen. Wir uebernehmen eine Kontrollfunktion fuer TNT. In der Speditionszentrale und in allen Depots ist zur gleichen Zeit ein Zugriff auf die Dokumente moeglich. Vorgaenge koennen schneller bearbeitet werden, denn die zeitaufwendige Suche im Papierarchiv faellt weg."

Die Depots von TNT sind mit der Zentrale in Troisdorf ueber ein schon laenger bestehendes Wide Area Net (WAN) verknuepft. Die DV- Abteilung der TNT Express GmbH hat selbst eine Recherchesoftware entwickelt, mit der alle Anfragen gesammelt und gebuendelt an die Ratiodata geschickt werden. Erhaelt ein Depot eine Anfrage von einem Kunden zu einem bestimmten Frachtbrief oder einer Rechnung, koennen die Mitarbeiter ueber ein Recherchemenue die gewuenschten Dokumente zur Reproduktion auswaehlen.

In der Zentrale wird eine Anforderungsdatei erstellt. Sie enthaelt die Frachtbriefnummern (Barcodes) der gesuchten Dokumente und die jeweilige Faxnummer des anfragenden Depots. Die Daten werden mehrmals pro Tag von einer AS/400 an den Ratiodata-Host uebertragen. Diese Anfragen laufen in den Download-PC des CD-ROM- Archivs.

1300 Anfragen koennen pro Tag beantwortet werden

Zunaechst wird geprueft, ob das gesuchte Dokument bereits archiviert wurde. Danach wird die Anfrage ueber den Recherche-Server, der alle Anfragen verwaltet, an den Jukebox-Server weitergeleitet. Dieser ruft die gewuenschte CD auf. Ueber einen Fax-Server wird das gefundene Dokument an das Depot uebermittelt. Etwa 1200 bis 1300 Faxauftraege koennen derzeit pro Tag beantwortet werden.

Die Recherche verlaeuft fast bedienerlos. Der Operator ueberwacht lediglich den Ablauf.

Die derzeitige Archivkapazitaet ist auf ein Zwei-Jahresvolumen ausgelegt. Nach dieser Zeit erfolgt eine Reorganisation der CDs im Jukebox-Server. Fuer Anfragen zu aelteren Dokumenten kann TNT erstens seine eigene CD-ROM zur hausinternen Recherche verwenden oder zweitens bei groesseren Anfragen den Retrieval-Service von Ratiodata benutzen.

TNT konnte mit dem neuen Archiv nicht nur die Kosten reduzieren sowie Personal und Raum einsparen. Festzustellen sind zudem ein vereinfachter Belegfluss und wesentlich verringerter administrativer Aufwand durch einfachere Arbeitsprozesse und kuerzere Bearbeitungs- und Beleglaufzeiten. Dabei ist absoluter Informationsschutz gegenueber Dritten gewaehrleistet.

* Karl-Friedrich Schwarz ist freier Journalist in Muenchen.