Stuttgart

Das Silicon Valley liegt im Schwabenland

19.03.2002
Von Katharina Leimbach

Diese Kritik hören die Wirtschaftsexperten der Region natürlich nicht gerne. Die schwäbische Mentalität ist nun einmal nicht zu ändern. Und in der Vergangenheit wurden der Fleiß und die Akribie der Einheimischen sogar als Standortvorteil gesehen: So entschied sich Hewlett-Packard 1959 beispielsweise bei der Suche nach einem geeigneten Ort für seine erste Produktionsstätte außerhalb der USA für Böblingen. Die Münchner, ebenfalls in der engeren Wahl, schossen dabei ein Eigentor, als sie Bill Hewlett fragten, was er denn bei den Schwaben wolle. Die könnten doch nichts anderes außer "schaffen". Damit war die Entscheidung gefallen.

"Hier werden die harten Nüsse in der IT geknackt", fügt WRS-Experte Schmid hinzu. Das mache schließlich auch den Reiz der Region für IT-Profis aus. Während in den Multimedia-Hochburgen Hamburg und Berlin eher an der Oberfläche gekratzt werde, erfordern die großen IT-Anwender aus der Industrie im Großraum Stuttgart - angefangen bei Daimler-Chrysler über Porsche bis hin zu Bosch - tief gehendes, anspruchsvolles IT-Know-how zur Unterstützung ihrer Geschäftsprozesse. Sie fungieren als Innovationstreiber für die IT, so Roland Berger.

Die Nähe der IT-Anbieter zur Old Economy ist somit typisch für die Region um die baden-württembergische Hauptstadt. Neben den drei großen Software- und Servicegiganten IBM, Hewlett-Packard und dem ehemaligen Debis Systemhaus (heute T-Systems) haben sich Hunderte kleinerer Softwarehäuser - vor allem mit Schwerpunkt Unternehmenssoftware - etabliert. Das Softwarezentrum Böblingen/Sindelfingen, nur einen Steinwurf von HP entfernt, beheimatet 65 kleine und mittlere Anbieter. Sie sind zum Teil neu gegründet, zum Teil alt eingesessen und zum Teil Tochterunternehmen von US-Anbietern.

Zu Letzteren gehört beispielsweise Xybernaut, spezialisiert auf Wearable PCs. Dass man auf den wachstumsträchtigen Software- und Servicemarkt setzen muss, haben das Land sowie die Städte Sindelfingen und Böblingen in den 90er Jahren erkannt. Damals verabschiedeten sich die IT-Riesen Zug um Zug von der Hardware-Produktion, und als Folge davon gingen viele Arbeitsplätze verloren: IBM gab seine Chipfabrik an Philips ab, Hewlett-Packard verkaufte seine Leiterplattenfertigung an Multek, heute eine Tochter des US-Auftragsfertigers Flextronics. Der Strukturumbruch und die Konzentration auf Software und Dienstleistungen erfordert nach Ansicht von Roland Berger jedoch noch stärkere Netzwerke, als dies das Softwarezentrum südwestlich von Stuttgart leisten kann.

Wirtschaft und Politik, so die Kritik der Unternehmensberater, sollten nicht nur stärker ihre Kräfte bündeln, sondern auch kooperieren und kommunizieren. Clusterbildung ist vom Land gefordert. Die Region hat den erhobenen Zeigefinger von Berger nicht ignoriert und flugs die Initiative FIR_st (Forum IT-Region Stuttgart, www.first.region-stuttgart.de) ins Leben gerufen, die WRS-Mann Schmid leitet und mit der Move-Back-Aktion gestartet ist. Nach dem Vorbild der erfolgreichen Initiative "Medienregion Stuttgart" soll nun ein IT-Partnernetzwerk für die Stadt und ihr Umland aufgebaut werden.

Dabei kann FIR_st unter anderem auf dem seit 1997 bestehenden Netzwerk von Baden-Württemberg Connected e. V. (bwcon) aufbauen. Die inzwischen fast 2000 Experten aus rund 350 Mitgliedsunternehmen haben sich das Ziel gesetzt, das Land zur führenden Internet-Region in Europa zu machen. Dieses Ziel sieht sicherlich niemand der Beteiligten als erreicht an. Doch immerhin hat bwcon den Boden für den Übergang ins Internet-Zeitalter mitbereitet.

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