Meinungen zum EuGH-Urteil

Das sagen Redakteure zum Aus von Safe Harbor

31.01.2016
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Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.


Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Simon Hülsbömer
Simon Hülsbömer

Simon Hülsbömer, Team-Leiter Management
Der EuGH hat gesprochen: Safe Harbor ist tot. Endlich. Schon seit Jahren raunten datenschutzbewusste Anwender vor sich hin und hofften auf dieses Signal. Nun heißt es vielerortens: War eh klar, dass "die" damit nicht auf Dauer durchkommen. Nun ja, immerhin sind "die" stolze 15 Jahre damit durchgekommen. "Die" sind US-Unternehmen wie die namhaften Facebook, Google, Microsoft, weitere große, hier ungenannte und natürlich unzählige kleine Cloud-Krauter, deren Geschäftsmodell im Wesentlichen im Verkaufen von persönlichen Daten besteht oder deren Geschäftsidee zumindest in Teilen auf der Verarbeitung solcher Daten fußt - sie aber gleichzeitig nicht für die absolute Sicherheit und Vertraulichkeit dieser Daten garantieren konnten.

Ergo: Die EU-Richter haben nur das endlich mal schriftlich niedergelegt, was wir alle eh schon immer wussten - dafür brauchte es aber eben erst einmal einen engagierten Privatmenschen namens Max Schrems, der seine Privatsphäre, seine Datensouveränität durch Facebook verletzt sah und der das Durchhaltevermögen aufbrachte, damit auch mal vor Gericht zu ziehen.

Safe Harbor ist endlich tot

Wird jetzt endlich alles gut an der Datenschutzfront? Mitnichten, wettert der Kollege Hill und verweist auf die Macht der Wirtschaftskonzerne und die Schwäche der lobby- und klientelpolitikverseuchten Politiker in Berlin und anderswo. Hat er damit Recht? Ich meine: Mal sehen. Einerseits ist es sicher nicht so, dass Facebook jetzt gleich seine Seite offline schaltet, weil der EuGH gesprochen hat - zudem wurde schon gestern eifrig mit dem Schlupflöcher-Suchen begonnen (ich sehe schon Management-Seminare vor mir: "So schaffen sie Ihre Daten trotzdem über den Atlantik").

Andererseits ist es gut, dass sich nun endlich einmal jemand der Sache annehmen MUSS - denn dieses ewige "Wir sind eh schon seit Jahren dran, den Datenschutz zu überarbeiten" oder "Wir wissen ja, dass es so nicht weitergeht, aber es dauert halt seine Zeit, die beste Lösung für alle Seiten zu finden" geht mir persönlich ganz schnell auf die Nerven.

Und wenn das EuGH-Urteil nur ein Signal sein sollte, dass die Europäische Union den Cloud-Datenschutz wirklich ernstnehmen muss und sich nicht jedes Geschäftsmodell im Netz sofort lohnt, sobald man eifrig Daten sammelt, eine Selbstverpflichtung a la Safe Harbor gegenzeichnet und dann lustig im eigenen Geldspeicher tauchen kann wie Mark Zuckerberg: Besser als nichts ist es allemal.

Vielleicht stehen wir auch wirklich am Wendepunkt zu einer neuen, digitalen Zeit, die sich bislang nur ankündigte und in der jeder machen konnte, was er wollte - die aber jetzt endlich auf tragfähiger Grundlage in der Gesellschaft ankommt.

Wie auch immer: Ich danke dem EuGH für dieses Urteil und hoffe, dass die EU-Staaten, die EU-Unternehmen, die US-Unternehmen und auch jeder einzelne Bürger das Beste draus machen. Zumindest für die in der Masse stark Facebook-geschädigten Bürger ist meine Hoffnung zwar nur winzig, aber zumindest größer als 0. Ich danke Max Schrems für seine Courage, gegen Facebook in den Krieg zu ziehen, um es etwas martialisch auszudrücken. Und ich danke Edward Snowden, der den ganz großen Stein überhaupt erst ins Rollen brachte und uns allen klar vor Augen führte, was Privatsphäre oder eben Nicht-Privatsphäre im Web überhaupt heißt.

Mein Appell an alle: Gebt auf eure Daten acht - oder verkauft sie zumindest zu einem so hohen Preis, dass Ihr auch länger etwas davon habt!