Strategisches Informations-Management verbessert die Firmenorganisation:

Das richtige Wissen am richtigen Platz

01.04.1988

Informationen, das heißt Wissen um betriebliche oder externe Zusammenhänge, sind die Grundlage für Entscheidungen und damit von wesentlicher Bedeutung für das Führen einer Organisation. Inzwischen hat es sich durchgesetzt, Informationen als Ressource des Unternehmens im Sinne der betriebswirtschaftlichen Definition zu betrachten und sie gleichrangig neben die anderen Ressourcen - Arbeit, Kapital, Produktionsmittel etc. - zu stellen.

Ressourcen müssen professionell gemanagt werden, damit sie vom Unternehmen optimal genutzt werden können. Das Management wichtiger Ressourcen ist deshalb meist in der Geschäftsleitung angesiedelt. So gibt es in der Regel in großen Industrieunternehmen einen Finanzvorstand, einen Produktionsvorstand, einen Arbeitsdirektor und inzwischen - allerdings in Deutschland noch recht selten und stark branchenabhängig - einen Informationsvorstand.

Die Aufgabe dieses lnformationsvorstandes (und seiner Mitarbeiter) ist das Managen der Informationen, die für das Unternehmen relevant sind. Salopp ausgedrückt, hat er dafür zu sorgen, daß jeweils die richtige Information zur richtigen Zeit an den richtigen Arbeitsplatz kommt.

Informationsplan aus Architekturen

Diese Aufgabe hat verschiedene Aspekte, einen operationalen, einen taktischen und einen strategischen. Die operationalen Aufgaben bestehen beispielsweise darin, Daten zu definieren, zu erfassen, zu speichern und zu verarbeiten, und sie dann dem Anwender in transparenter Weise zugänglich zu machen. Die taktischen Aufgaben des Informationsmanagements bestehen in der Umsetzung der strategischen Ziele in konkrete Realisierungsvorhaben sowie in der Planung und Steuerung der Infrastruktur, die zur Durchführung der operationalen Aufgaben des Informationsmanagements bereitgestellt werden muß.

Der strategische Aspekt des Informationsmanagements besteht in der Konzeption dieser Infrastruktur. Die wichtigste Aufgabe des Informationsmanagers besteht also darin, einen Strategischen Informationsplan aufzustellen. Ein Strategischer Informationsplan stellt ein Konzept für die Entwicklung der Informationsverarbeitung eines Unternehmens, einer Behörde, einer kommunalen Institution, eines Verbandes oder einer sonstigen Organisation dar (im folgenden kurz "Organisation" genannt).

Obwohl "strategisch" und "langfristig" keineswegs das gleiche bedeuten, ist der Zeithorizont eines Strategischen Informationsplans in der Regel mindestens fünf Jahre (in der Datenverarbeitung ist das "langfristig"). Das liegt daran, daß es meist geraume Zeit dauert, bis strategische Entscheidungen (zum Beispiel der Wechsel des Hardwareherstellers, die Einführung eines relationalen Datenbanksystems, die Einführung eines neuen Vorgehensmodells zur Anwendungsentwicklung, die Entwicklung einer neuen Anwendungssystemlandschaft) umgesetzt werden können. Der Aufwand zu ihrer Realisierung bindet nämlich einen signifikanten Teil der Ressourcen des Datenverarbeitungsbereichs.

Ein Strategischer Informationsplan besteht aus einer Reihe von sogenannten Architekturen, das heißt geordneten Strukturen, die einen grundlegenden Aspekt der Informationsverarbeitung in seinen inneren Zusammenhängen und in seiner Einpassung in die Umwelt beschreiben (siehe Abbildung 1).

Grundlegend für die gestalterische Aufgabe des Strategischen Informationsplaners sind die Unternehmensziele und -prioritäten, denn der Plan erfüllt natürlich keinen Selbstzweck, sondern er dient dazu, diese Ziele auf optimale Weise zu erreichen. Die wichtigste Basis ist die "Informations-Architektur" (Information Architecture). Sie ist ein Modell des Unternehmens beziehungsweise der Organisation, dargestellt durch ein Informationsobjekt-Beziehungsmodell (Entity Type-Relationship Model), ein Funktionsmodell (Function Decomposition Model) sowie durch ein Modell der Interaktion dieser beiden Strukturen, um damit das betriebliche Geschehen abzubilden.

Aus der Informations-architektur läßt sich die "Anwendungssystem Architektur" (Business Systems Architecture) entwickeln, eine Struktur, in der die zur optimalen Unterstützung der Aufgaben der Organisation erforderlichen Anwendungssysteme und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten dargestellt werden. Um die Aussagefähigkeit und Übersichtlichkeit der Darstellung zu erhöhen, werden die Systeme klassifiziert nach der Art ihrer Unterstützung von Aktivitäten der Organisation (strategische Planungs-Analyse-, Monitoring-, Control- sowie operationale Systeme).

Die dritte wichtige Architektur ist die "Technische Architektur" (Technical Architecture), das heißt, eine Struktur, in der die Hardware-, Software- und Kommunikationseinrichtungen dargestellt werden, die die Entwicklung beziehungsweise den Einsatz der Anwendungssysteme oder andere Teile der Informationsverarbeitung in der Organisation unterstützen, oder unterstützen sollen.

Weiter muß ein Strategischer Informationsplan die erforderliche Aufbauorganisation des Informationsverarbeitungsbereichs und die benötigten Ressourcen beschreiben (Mitarbeiter mit bestimmten Fähigkeiten, Finanzmittel etc.).Neben den Aussagen zur Infrastruktur der Informationsverarbeitung muß der Plan eine Kosten/Nutzen-Analyse der zur Realisierung vorgeschlagenen Komponente enthalten (denn anderenfalls wird die Geschäftsleitung kaum das "Go-ahead" geben) und last but not least einen Plan für die Einführung der Architekturen im Unternehmen.

Wie sieht es heute in den Organisationen aus?

Die Realisierung einer Anwendungssystemlandschaft für eine große Organisation verschlingt oft mehr als 100 Millionen Mark und zieht sich über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren hin. Es liegt also nahe, vor Beginn der Realisierung ein Konzept zu erarbeiten, das die Grundzüge der zu realisierenden Struktur beschreibt, eben den Strategischen Informationsplan. Trotzdem finden wir Strategische Informationspläne, die diesen Namen verdienen, in überraschend wenigen Organisationen vor. Statt dessen haben wir es meist mit einer in vielen Jahren gewachsenen Anwendungssystemlandschaft zu tun, die aus Hunderten von Programmen und aus Tausenden von Datenbeständen besteht, die nur unvollkommen miteinander integriert worden sind. Daten werden redundant gespeichert und sind in aller Regel nicht widerspruchsfrei.

Meist werden auch nur die operationalen Aspekte der Leitung der Organisation und kaum die taktischen oder strategischen unterstützt. Trotzdem funktioniert alles irgendwie, wenn auch häufig nur mit erheblichem Aufwand an Zeit und Geld. Hier schlummern erhebliche Reserven zur Effizienz- und Effektivitätsverbesserung der Geschäftsführung, die sich durch die Schaffung einer Anwendungssystemarchitektur, das heißt durch die Schaffung des "computergestützten Industriebetriebs", wie es Professor Scheer in seinem kürzlich erschienenen gleichnamigen Buch nennt, freisetzen lassen.

Die Aufgaben der Strategischen Informationsplanung - gemeint ist die Konzeption einer Infrastruktur der Informationsverarbeitung - werden häufig mit den Aufgaben eines Stadtplaners bei der Aufstellung eines Generalbebauungsplans verglichen. Und in der Tat hat das Ergebnis, die geplante Stadtstruktur, in seinem Wesen (wenn auch nicht in den einzelnen Ergebnissen und in den angewandten Methoden) viele Ähnlichkeiten mit der Infrastruktur der Informationsverarbeitung einer Organisation. Allerdings haben die Stadtplaner schon sehr viel frührer als die meisten großen Organisationen erkannt, daß man die Entwicklung des komplexen Organismus "Stadt" nicht dem Zufall oder den sich aus der Bewältigung von Tagesproblemen herleitenden Prioritäten überlassen kann. Wenn zum Beispiel Fritz Schumacher, einer der großen Architekten unseres Jahrhunderts, in seiner 1920 erschienenen Schrift von der Entstehung des "Kunstwerks Hamburg" spricht (gemeint ist hier das in seiner Übersichtlichkeit und strukturellen Geschlossenheit beispielhafte Stadtzentrum), meint er damit keineswegs das Ergebnis einer in Jahrhunderten durch Abriß und Neubau gewachsenen Struktur, sondern das Ergebnis der gezielten Umsetzung eines Strategischen Plans.

Als 1842 beim großen Hamburger Brand weite Teile der Stadt in Schutt und Asche gelegt wurden, besaß der Senat die Weitsicht, nicht einfach die ursprünglichen Gebäude wieder aufzubauen, sondern einen fähigen externen Berater, den englischen Ingenieur William Lindley, mit der Konzeption eines neuen Stadtzentrums zu beauftragen. Bereits wenige Monate nach dem Brand wurde ein Generalbebauungsplan verabschiedet, dessen Realisierung 1909 mit dem Bau des Hamburger Rathauses seinen Abschluß fand.

Aus solchen Beispielen läßt sich eine Menge lernen, wenn auch die Organisation, die ihre Informationsverarbeitung neu gestalten will, in der Regel in einer besseren Situation ist als der Stadtplaner. Um ein neues Anwendungssystem zu schreiben und neue Datenbanken einzuführen, muß man die alten nicht gleich wegwerfen, da man durchaus längere Zeit mit einer in Teilen vorhandenen geplanten Redundanz leben kann. Das ist auch gut so, denn wenn es jedesmal einer Katastrophe bedürfte, die uns die berühmte "grüne Spielwiese" zur Verfügung stellt, wäre die Gestaltung einer neuen Anwendungssystemarchitektur für die meisten Organisationen eine sehr wenig attraktive Aufgabe.

So entwickelt man den Informationsplan

Nun, zunächst einmal tut man gut daran, sich der Hilfe eines guten Beraters zu versichern. Damit spreche ich zwar pro domo, aber ich glaube, diese Tatsache ist unmittelbar einsichtig. So ein Plan wird nur alle fünf bis zehn Jahre erstellt (zwischendurch ist natürlich eine Fortschreibung erforderlich). Die Mitarbeiter des Unternehmens haben nur sehr selten oder vielleicht nur einmal in ihrem Berufsleben die Chance, an der Gestaltung eines solchen Plans mitzuarbeiten. Ein Berater, dessen tägliches Brot diese Aufgabe ist, hat da etwas mehr Routine.

Zweitens sollte man sich eine geeignete Software zur Unterstützung besorgen, da anderenfalls die Arbeit sehr mühsam und zeitraubend ist oder nur unvollkommen durchgeführt werden kann. Es gibt inzwischen eine Reihe von Softwarepaketen am Markt, die dafür mehr oder weniger gut geeignet sind.

Drittens braucht man eine Methode des Vorgehens. Obwohl keine zwei Strategischen Planungsprojekte in ihrem Ablauf und ihren Ergebnissen gleich sind (dies hängt stark von der Kultur der Organisation, den Zielsetzungen und der Ist-Situation ab), gibt es ausgereifte Vorgehensweisen, die den Planer unterstützen (siehe Abbildung 2). Man muß sich jedoch darüber im Klaren sein, daß auch die ausgefeilteste Vorgehensweise zur Strategischen Planung niemals Kochbuch-Charakter haben kann. Zum Gelingen benötigt man neben der Methode noch ein gehöriges Quentchen Kreativität und Erfahrung. Deshalb ist der eingangs genannte gute Berater hier besonders wichtig.

Die Aktivitäten eines typischen ISP = Projekts (Informationsstrategie-Planung) gliedern sich in Analyse-, Synthese- und Planungsaktivitäten. Man kann sie in sechs große Aktivitätsblöcke zusammenfassen.

Analyse der Geschäftsstrategie

Hier werden die wesentlichen Aspekte der Strategischen Planung des Unternehmens gesammelt, dokumentiert und analysiert. Die Methoden, die diese Aufgabe unterstützen, beschreiben einen generellen Ansatz zur Ermittlung und hierarchischen Einordnung von strategischen und operativen Geschäftszielen so wie zu ihrer Priorisierung. Alle relevanten Aspekte des Unternehmensplans (soweit vorhanden) werden analysiert, ausgewertet und der Geschäftsleitung zur Verfügung gestellt, um bei der weiteren Strategischen Planung Berücksichtigung finden zu können.

Analyse der Organisation der Informationsverarbeitung

Hier werden die Verantwortlichkeiten für die Definition, Analyse und Verwendung von Informationen im gesamten Unternehmen ermittelt und dokumentiert. Das vorhandene Know-how und die Aufbauorganisation des Informationsverarbeitungs-Bereichs werden mit den Anforderungen verglichen, die erfüllt werden müssen, um ein Informations-Engineering-Konzept erfolgreich einführen zu können. Eine passende Organisationsstruktur und ein Personalplan, in dem Trainingserfordernisse und der eventuelle Personalbedarf dargestellt sind, werden für das Management des Informationsbereichs als Implementierungsvorschlag erstellt.

Analyse und Definition der Informationsarchitektur

Hier werden die gesamten Informationsbedürfnisse und geschäftlichen Aktivitäten des Unternehmens analysiert und in ein Gesamt-Architekturkonzept umgesetzt, in dessen Rahmen die nachfolgenden Analyse- und Designphasen abgewickelt werden können. Dargestellt werden die für die Organisation relevanten Informationen und Aktivitäten durch zwei Aufbauorganisations-unabhängige und damit sehr stabile Modelle: das Informationsobjekt-Beziehungs-Modell und das Funktionenmodell.

Ein Informationsobjekt-Beziehungsmodell stellt eine Struktur der für die Organisation relevanten Informationsobjekte (wie Auftrag, Mitarbeiter, Plan, Organisationseinheit, Fabrik, Lager, Rechung) und ihrer Beziehung untereinander dar (einer Fabrik können zum Beispiel mehrere Lager zugeordnet sein, eine Organisationseinheit enthält in der Regel mehrere Mitarbeiter, ein Auftrag resultiert im allgemeinen aus mindestens einer Rechnung).

Ein Funktionenmodell ist eine hierarchische Zerlegung der in der Organisation durchgeführten Aktivitäten in Teil-Aktivitäten (über mehrere Stufen). Durch CRUD-Matritzen (Create, Read, Update, Delete) und Funktionsabhängigkeitsmodelle werden die Auswirkungen der Ausführung der Aktivitäten auf die Informationen und die Reihenfolge der Ausführung von Aktivitäten abgebildet.

Die sich ergebenden Modelle stellen ein adäquates - wenn auch abstraktes - Abbild der Organisation dar, das sich in den folgenden Projektphasen schrittweise in Programme und Datenbanken umsetzen läßt.

Analyse und Definition der Anwendungssysteme

Hier werden die vorhandenen Anwendungssysteme analysiert und ausgewertet und eine grobe Anwendungssystemarchitektur als Basis für die zukünftige Systementwicklung erstellt. Im Rahmen dieses Aufgabenkomplexes wird die Organisation in eine Anzahl von miteinander verbundenen Geschäftsgebieten (Business Areas) zerlegt, innerhalb derer die detaillierte Analyse und Definition der Anwendungssystemarchitektur in der Folgephase der Methode am effektivsten durchgeführt werden kann.

Analyse und Definition der Technischen Architektur

Auf diesem Sektor werden die gegenwärtigen und geplanten Installationen von Komponenten der DV-Infrastruktur (Hardware und Software) analysiert und ausgewertet. Eine Technische Architektur wird definiert, in der die notwendigen Komponenten beschrieben werden, die zur Entwicklung und Einführung der Anwendungssystemarchitektur erforderlich sind.

Erstellung des Informations-Strategie-Plans

Am Schluß des Projekts wird ein formaler Informationsstrategie-Plan veröffentlicht, der Entwicklungs- und Einführungspläne sowie ihre Rechtfertigung durch eine Kosten/ Nutzen-Analyse enthält.

Angewandte Techniken

Neben der grafischen Darstellung der Funktions- und Informationszusammenhänge werden in den einzelnen Aktivitäten eine große Zahl von Matrizen verwendet (siehe Abbildung 3). Die Matrix ist eine sehr kompakte und übersichtliche Darstellungsform von Zusammenhängen und eignet sich deshalb gut dafür.

Weitere Techniken, die angewandt werden, sind beispielsweise die Critical-Success-Factor-Analyse nach J. Rockart zur Ermittlung der Unternehmensprioritäten und die Dupont-Pareto-Analyse zur Unterstützung der Kosten/Nutzen-Analyse und zur Ermittlung der Realisierungsprioritäten.

Umfang eines ISP-Projekts

Der Aufwand, der zur Erstellung eines Strategischen Informationsplans betrieben werden muß, hängt von der Art und Größe der Organisation, der Ist-Situation der Informationsverarbeitung, der Qualität des Analyseteams, der Unterstützung und der Mitarbeit durch das Management der Organisation und weiteren Faktoren ab. Eine typische Zeitdauer für ein derartiges Projekt liegt zwischen sechs und neun Monaten und beschäftigt ein Kernteam von mindestens fünf Mitarbeitern fulltime. Der Mindestaufwand liegt also etwa zwischen 30 und 45 Mann-Monaten. Wem das zuviel für eine derartige Aufgabe klingt, der möge sich einmal vergegenwärtigen, daß im Laufe der Entwicklung in die Anwendungssystemlandschaft einer Organisation einige hundert Mann-Jahre gesteckt werden müssen, so daß der Anteil der Strategischen Planung am Gesamt-Realisierungsaufwand meist weniger als ein Prozent beträgt. Im Vergleich dazu wirkt ein Strategieplanungsprojekt durchaus nicht unvorteilhaft neben anderen komplizierten Aufgaben wie der Planung und Realisierung einer Fabrik, der Planung und Einführung eines neuen Produkts oder der Reorganisation eines Unternehmens.

Berücksichtigt man die signifikanten Verbesserungen, die sich in der Führung der Organisation durch die Realisierung einer neuen integrierten Anwendungssystemarchitektur ergeben, gehört der Aufwand für ein ISP-Projekt sicherlich mit zu den besten Investitionen, die eine Geschäftsleitung beschließen kann.